Monat: August 2009

Scherbenhaufen

Üblicherweise gibt es nach Wahlen nur Sieger. Parteisprecher sind bisweilen Meister der Interpretation von Zahlen und Prozentpunkten. Das ist in Wermelskirchen seit gestern Abend anders, jedenfalls, was die einst große CDU und die immer weiter in der Wählergunst schrumpfende SPD angeht. Das Wahlergebnis ist so eindeutig, daß keine rabulistische Beschönigung mehr möglich ist: CDU und in ihrem Schlepptau die SPD sind die eindeutigen Wahlverlierer. Sie stehen vor einem riesigen politischen Scherbenhaufen. Ihr Bürgermeisterkandidat ist nicht einmal von allen ihren Wählern für den Stadtrat unterstützt worden. Die Bürger haben sich durch die häßliche Kampagne gegen Weik oder die Bergische Morgenpost nicht beirren lassen. Sie haben sich von den eher an Krawall orientierten Verantwortlichen in CDU und SPD eindeutig abgesetzt. Wer vor der Wahl andere Parteien als “Splitterpartei” denunziert, nach der Wahl aber kaum mehr Stimmen erreicht hat als diese Gruppierungen, der muß sich fragen lassen, wo der politische Instinkt geblieben ist.  Rainer Bleek von der SPD etwa bedauert, daß die Parteibindung keine Rolle mehr gespielt habe. Parteibindung kann sich nur ergeben, wenn die Partei die Interessen und Bedürfnisse der Menschen kennt, Stimmungen zu erspüren in der Lage ist – und erst dann Machtoptionen entwickelt. “Politik muß wehtun.” Mit diesen Worten wurde der CDU-Grande Bosbach in der Lokalpresse zitiert. Fragt sich nur: Wem? In Wermelskirchen den Parteien, die unbeirrt vom Wählerwillen Krawall und Zwietracht in die Stadt gebracht hatten. Weiterlesen

Weimarer Verhältnisse

Eigentlich wollte ich heute nichts mehr schreiben zum Wahlkampf, denn es reicht ja.

Allein: Die seit gestern umgestaltete SPD-Homepage mit einem Wahlaufruf läßt mich doch noch einmal zur Tastatur greifen. Wer “Weimarer Verhältnisse” nicht wolle und dagegen sei “dass die Zukunft unserer Stadt weiter von zahlreichen Splitter-parteien abhängt, die ihre Klientelpolitik durchsetzen, aber keine Perspektive für ganz Wermelskirchen” böten, der solle heute SPD wählen.

Hm. Weimarer Verhältnisse. Das waren nicht nur die vielen Parteien im Deutschen Reichstag. Das waren vor allem das politische Chaos,  die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse, Umsturzversuche und Aufstände, in die undemokratische Kräfte die Gesellschaft und die Demokratie stürzen wollten und gestürzt haben. Das war eine bestimmte Kultur des Krawalls, eine Politik der Gewalt – gegen eine noch nicht sehr entwickelte demokratische Kultur, gegen eine nicht wirklich wehrhaft gewordene Demokratie.

Von all dem kann in Wermelskirchen aber keine Rede sein. Zugegeben: wir haben viele Parteien im Rat. Das alleine aber reicht keineswegs aus, mit dem Schreckgespenst der “Weimarer Verhältnisse” zu operieren.

Mich wundert doch bisweilen, wie sorglos die SPD mit historischen Vergleichen umgeht.

Wahlkampfausbeute

Meine Wahlkampfausbeute wird immer größer: Heute morgen befanden sich zwei frische Brötchen vor unserer Türe, überreicht vom WNK-Kandidaten Henning Rehse. Danke, wir lassen sie uns munden.

Ich frage mich nur, ob Brötchen, Chips, Kugelschreiber all das wettmachen können, was die Parteien in den letzten Wochen angerichtet haben. Ob diese Wahlkampfutensilien wirklich dafür sorgen können, daß sich die Bürger doch nicht von Politik und Politikern  am Ort in größerem Maße abwenden.

Nun ja, wir werden es sehen, heute Abend schon …

“Sprachpanscher”

Der Deutsche Turner-Bund ist vom Verein Deutsche Sprache wegen seiner “gedankenlos übernommenen englischen Bezeichnungen” zum “Sprachpanscher des Jahres” gekürt worden.

Ich hätte da noch einen Vorschlag: “For me, it’s scheißegal” (Uli Hoeneß)

Oder: “Nun gut, das 0:0, da war natürlich Pech dabei. Also, es waren, es, also simmer zufrieden, ich, möglicherweise, um das abzuschließen, vielleicht hat nach den 90 Minuten, wenn man alles zusammenzählt, dass vielleicht keiner den Sieg verdient hat.” (“Kaiser” Franz Beckenbauer, der begnadetste lebende Sprachpanscher, beide zitiert nach 11 Freunde)

Endspurt

Endspurt im Wahlkampf. Die Parteien wenden sich (vermutlich ermattet) noch einmal den Bürgern zu. Einkauf bei Edeka am Belten. Ein freundlicher SPD-Mann überreicht mir einen SPD-Chip für Einkaufswagen, gepaart mit dem Hinweis, ich solle die Wahl nicht vergessen. Er kannte mich nicht. Sonst hätte ich den Chip vielleicht gar nicht bekommen. Meine Wahlkampfausbeute: Sehr viel Papier, zuviel und zuwenig zugleich, einen blauen CDU-Kugelschreiber und ein CDU-Blöckchen, ein SPD-Chip.

Und sehr viel Enttäuschung

“Grundsätzlich wählbar”

“In der Sache gibt es gar nicht viele gravierende Unterschiede. Die tun sich eher in in Fragen der Persönlichkeit auf. Aber alle drei Kandidaten sind meiner Überzeugung nach wählbar.” So der Kommentar von Thomas Wintgen im heutigen Wermelskirchener Generalanzeiger.

Das will ich hoffen, daß alle drei Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Wermelskirchen grundsätzlich wählbar sind. Wäre ja noch schöner, wenn die Wermelskirchener Bürger im Rahmen dieses grauenvollen Wahlkampfs auch unwählbare Kandidaten präsentiert bekommen hätten.

Es geht aber nicht nur um die grundlegende Wählbarkeit der Kandidaten, also die Persönlichkeiten und die persönlichen Eigenschaften. Wir haben zwei Kandidaten und einen Amtsinhaber. Käme einer der beiden Kandidaten ins Amt, hätten wir also den fünften Bürgermeister in Folge, der sich neu einarbeiten muß. Ich habe es in meinem ersten Artikel in diesem Blog schon geschrieben: “Das Amt des Bürgermei­sters ist (..) kein Lehrberuf. Man braucht seine Zeit, um eine Stadtverwaltung führen zu können, die örtli­chen Begebenheiten zu kennen, kulturelle Beson­der­hei­ten zu erfahren, den Menschen, ihren Verei­nen und Organisationen bekannt zu werden, ihre Nöte, ihre Interessen und Sorgen zu erfahren, die wirtschaftli­chen und finanziellen Bedingungen der Stadt zu durchschauen. Warum also sollte ich dafür sein, jetzt schon wieder einen neuen Bür­germeister zu installieren? Nur weil mit SPD und CDU die Ver­lierer der letzten Wahl gemein­same Sache machen und im Rat herrschen wollen wie einst? (…)  Diese Stadt braucht nicht den fünften Bürgermeister seit Heinz Voetmann. (…) Nicht Eric Weik verdient die zweite Amts­periode, sondern wir, die Bürger dieser Stadt.”

Das will ich einen Tag vor der Wahl doch noch einmal bekräftigen.

Ein Fundstück

“Nun, es ist bekannt, welche Abgründe des Ungeistes oder der Einfalt es gibt, und welche Abgründe des Elends, und welche Begier der Menschen, die eine geistige Wahrheit nicht zu fassen vermögen, das Unmögliche in der Gestalt des Absurdesten für wahr zu halten (…).”

Gefunden in einem vergessenen Roman eines vergessen Schriftstellers: Janna DuCoeur von Albrecht Schaeffer. Albrecht Schaeffer kehrte im November 1950 nach elfjährigem Exil aus den USA nach Deutschland zurück und verstarb hier nur drei Wochen später, am 4. Dezember 1950. “Ich (kann) nicht sagen, daß ich Deutschland anders als körperlich verlassen hätte”, notierte er noch in einer autobiographischen Anmerkung für seinen Verlag.

Gelesen habe ich diese Zeilen auf Seite 259 gestern Nacht. Warum nur kam mir dabei der Wermelskirchener Wahlkampf in den Sinn?