Schlagwort: Der Freitag

Mohammed Chang

Der häufigste Vorname der Welt ist Mohammed, der häufigste Nachname Chang. Dabei ist Mohammed Chang ein ziemlich seltener Name. Viel mehr Menschen heißen John Doe. Denn das ist – neben dem Informanten der Panama Papers – im anglofonen Raum der Platzhaltername für fiktive, geheime oder nicht identifizierte Personen und Leichen. Über das weibliche Pendant Jane Doe ist ebenfalls wenig bekannt.

Felix-Emeric Tota, John Doe, in: A-Z Codenamen, Der Freitag von sechzehnten April Zweitausendsechzehn

Kommunikationsgestörte Demokratie

Was sich (…) bisher abspielt, ist nach dem Beklagen von Ohnmacht („Aufs Volk hört keiner!“) Ausdruck einer kommunikationsgestörten Demokratie. Die Straße übt sich in einer Art Akklamationsdemokratie, die keine geläufigen demokratischen Regeln hat und findet, sich aber umso lauter Gehör verschaffen will. Demokratie ist und bleibt jedoch der mühselige, aber unumgängliche Versuch, Mehrheiten für seine Überzeugungen und Interesse in freier, geheimer und gleicher Auswahl zu finden, Kompromisse zu schließen, aus denen inhaltlich abgestimmte Koalitionen erwachsen. Eine Akklamationsdemokratie, von unten und ungeregelt, führt letztlich ins Autoritäre oder gar Diktatorische, bis hin zum Führerprinzip, wo Menschen en masse leicht hysterisiert werden können, sowie rhetorisch geschickt Ressentiments – gleich welcher Couleur – geschürt werden.

Friedrich Schorlemmer, Ihr seid nicht das Volk, in: Der Freitag, vom neunundzwanzigsten Januar Zweitausendundfünfzehn

Fundsätze

Das A – Z, allwöchentlich im Freitag zu finden, ist mir meist Quell großen Vergnügens. In der aktuellen Ausgabe geht’s um Talkshows. Unter Kurztiteln wie Aus, Daily Talk, Giovanni di Lorenzo, Italien, Kritik, Markus Lanz, Peinlich, Roger Köppel oder Zoo. Von A bis Z halt. Hier ein paar Fundsätze:

Er (Jauch, W.H) dachte, er könne in der Talkshow ähnlich wie einst bei Stern TV als ein Mann des gesunden Menschenverstands agieren. Doch diese latent unpolitische Haltung hatte einen Nachteil. Sie hatte sich längst auch in der Politik breitgemacht. Schlimmer noch: Angela Merkel bediente sich bei Jauch, indem sie dem Kabinett so vorsitzt wie dieser seiner Sendung. (Dietrich Leder: Aus)

Aber wenn einer wie Jürgen Fliege die seriös-öffentlich-rechtliche Variante einer Veranstaltung ist, dann möchte man die anderen lieber gar nicht erst kennen. Menschen wie du und ich (ähem) breiteten unter der begütigenden, aufstachelnden, rügenden Moderation von Arabella, Ilona und Bärbel ihren Seelen- und Beziehungsschrott aus: ein polymorph-perverses Therapieformat. (Ekkehard Knörer: Daily Talk)

Nun sitzt da immer wieder freitags der Chefredakteur der Zeit und bezaubert beziehungsweise enerviert mit immer noch demselben allzu versteherischen Schlafzimmerblick. Überhaupt wird von di Lorenzo jede und jeder und alles immer so gründlich durchverstanden, dass, wo er hinfragt, kein Gedanke mehr wächst. Er ist der große schelmische Meister der pseudokritischen Frage, in Wahrheit das Kuschelmonster vom Dienst, und moderiert besonders die Damenwelt hin und weg. Begründet wurde 3 nach 9 übrigens im Jahr 1974 von Wolfgang Menge. Es gähnt der Abgrund noch, der einen wie di Lorenzo von diesem Großmeister der Boshaftigkeit trennt. (Ekkehard Knörer: Giovanni di Lorenzo)

Mit politischer Kritik hat es meines Erachtens nur bedingt zu tun, wenn sich viele Menschen stärker über eine Jauch-Sendung zur Flüchtlingspolitik aufregen als über die unselige Flüchtlingspolitik selbst. (Michael Angele: Kritik)

Machen wir uns nichts vor, Anne Will als „Nachfolge“ für Günther Jauch ist eine Notlösung. Überhaupt, jemanden irgendwohin zurückzuholen, das ist nie Ausweis einer großen Vision. Man will schnell und sicher Schaden und Risiko minimieren – im Fußball holt man so einen wie Huub Stevens zurück, der aber nach der Saison selbstverständlich wieder gehen wollen muss. Die viel wichtigere Frage lautet also: Wer folgt auf Anne Will? (Timon Karl Kaleyta: Markus Lanz)

Der Weltwoche-Chef und Anwärter auf einen Posten in der rechtspopulistischen SVP ist (…) Dauergast in deutschen Talkshows. Wer ihm in die Quere kommt, so schrieb der Spiegel, den pulverisiere er mit seinem argumentativen Superlaser. Inhaltlich sind seine Positionen an der Grenze des Erträglichen. Aber gerade deshalb ist Köppel in den Talkshow-Redaktionen beliebt. Unterhaltsam ist er leider auch. Bleibt zu hoffen, dass in einer Sendung andere Gäste sitzen, die ihm das Wasser reichen können. (Benjamin Knödler: Roger Köppel)

Warum Leute, die gut im Liedersingen sind, automatisch etwas Unterhaltsames, gar Kompetentes zu Themen wie Finanzkrise und IS sagen können sollen, weiß man nicht. Groß wird es, wenn diese Leute (zum Beispiel nach Terroranschlägen) nicht einmal den Anstand haben, die aktuellen Fakten zu referieren, sondern live den Kenntnisstand von vorgestern ausbreiten, darauf basierend ihre Sicht erklären plus die Hauptsache anbringen, nämlich dass sie ja kürzlich beruflich in L.A. (Paris, London) waren und dort von einem Taxifahrer irgendwas erfuhren, das leidlich zum Thema passt oder zufällig den berühmten Dingens trafen, der bla, bla, bla, kurz: Es ist ein Elend. (Elke Wittich: Zoo)

Die Schläferin aus Klagenfurt

(…) so verlangt die Entschlüsselung Larissa Marolts eine ähnlich unkonventionelle Denkweise. Eine Denkweise, die heute womöglich noch abgründig erscheinen mag, deren Richtigkeit die Geschichte jedoch unter Beweis stellen wird. Versucht man nämlich dem Phänomen des österreichischen (Ex-)Models auf den Grund zu gehen, greift der lapidare Vergleich mit ihren ähnlich obskur erscheinenden Vorgängern – Daniel Küblböck, Georgina Fleur oder Sarah Knappik – bei weitem zu kurz. Er unterschlägt nämlich, dass Larissa, medientheoretisch gesehen, eine völlig neue Qualität verkörpert. Wo andere Querulanten lediglich den millieutypischen Mix aus Hysterie und Eitelkeit, gepaart mit der notwendigen Differenz von Fremd- und Selbstwahrnehmung versprühten, legt sie eine Dynamik der permanenten Eskalation an den Tag, die mit dem Verdacht der bloßen Selbstinszenierung nicht vollständig erfasst werden kann. Dafür ist ihre Formatkompatibilität einfach zu perfekt. Diese virtuose Mischung aus Arroganz und Weinerlichkeit, Dreistigkeit und Hilfsbedürfnis, lethargischem Verlierertum und manischen Aktivismus, Stumpfheit und Schläue, die Kombination aus Bartleby (I prefer not to) und Medea (Bin ich vielleicht angepisst), ruraler Bodenständigkeit („Zum Glück bin ich am See aufgewachsen“) und urbaner Freshness („Ich komme gerade aus New York“), es passt einfach zu gut. Und, come on: Auf die Idee, eine Dschungelprüfung zu unterbrechen, um den als Requisite postierten Champagner zu köpfen, darauf kommt doch keiner! Eine Kärtnerin von diesem Format, das hätte sich nicht mal Thomas Bernhard ausdenken können. (…) Deshalb kann die einzig sinnvolle Erklärung dieses Phänomens darin bestehen, dass es sich bei Larissa um eine langfristig angelegte Verschwörung des Privatfernsehens handelt, eine Schläferin, eine blonde Witwe im Auftrag von RTL. Vermutlich bereits in frühster Kindheit als Zielobjekt auserkoren, wurde sie, zumindest aller Wahrscheinlichkeit nach, fern der Zivilisation, Klagenfurt (sic!), in diversen Trainingscamps für den finalen Einsatz ausgebildet. Künstlich zur C-Prominenz aufgebaut, schleicht sie unter den wachsamen Augen des Kölner Hauptquartiers zunächst – relativ – unauffällig den Boulevard of Broken Dreams entlang, um sich punktgenau für den australischen Urwald zu qualifizieren. Und dann lässt man die Bombe platzen. Der agent provocateur hysterisiert die Massen, der Plan ist aufgegangen. Bazinga! Dafür sprechen zumindest alle Indizien. Also jetzt mal ernsthaft, oder was? (Nils Markward, Die Ursache. Eine Andeutung. Dschungelcamp. Warum das Dschungelcamp wie Fußball ist und was Larissa und Lenin gemeinsam haben. Also quasi., in: Der Freitag)