Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin veröffentlicht in seinem Wochenbericht alarmierende Daten. Demnach leben mehr als elf Millionen Deutsche unter der Armutsschwelle – rund ein Drittel mehr als vor zehn Jahren. Vor allem junge Leute und Familien sind betroffen. “Nach den aktuellsten Daten aus dem Einkommensjahr 2008 gelten etwa 14 Prozent der Bevölkerung als arm. Das entspricht etwa 11,5 Millionen Menschen.” Weiter heißt es: “Zum Teil weit überdurchschnittliche Armutsrisiken sind bei Kindern und insbesondere bei jungen Erwachsenen zu beobachten. Im Jahr 2008 lebten knapp ein Viertel der Erwachsenen im Alter von 19 bis 25 Jahren in Haushalten mit einem verfügbaren Einkommen unterhalb der Armutsschwelle. (…) Unter allen Haushaltstypen weisen Alleinerziehende mit weitem Abstand die höchsten Armutsraten auf . Über 40 Prozent der Personen in Haushalten von Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern galten 2008 als einkommensarm. (…) Das Bildungsniveau des Haushaltsvorstandes steht in einem deutlichen Zusammenhang mit dem Armutsrisiko. Gegenüber Haushalten mit einem Vorstand ohne berufsbildenden Abschluss verringert ein Universitäts- oder Fachhochschulabschluss das Armutsrisiko um rund sieben Prozent.” Jeder siebte Bundesbürger gilt also bereits jetzt als arm. Und das Risiko, in diese Gruppe der Armen zu rutschen ist groß in unserem reichen Land. Kinder sind ein Armutsrisiko, mangelnde Bildung und Krankheit. Ein erschreckender Befund. Und eine Ohrfeige für die Politiker, die eine blamable Debatte anzündeln über faule Arme. “Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht genug für jedermanns Gier.” So Mahatma Gandhi.
Schlagwort: Armut
Europäisches Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung
Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten sich im März 2000 verpflichtet, die Beseitigung der Armut bis 2010 “entscheidend voranzubringen”. Und das ist die Lage: 79 Millionen Menschen in Europa leben unterhalb der Armutsgrenze, 16 % der europäischen Bevölkerung. Jeder zehnte Europäer lebt in einem Haushalt, in dem niemand arbeitet. 8 % der Europäer leben in Armut, obwohl sie eine Arbeitsstelle haben. Kinder sind mehr noch als Erwachsene der Gefahr der Armut ausgesetzt. 19 % aller Kinder sind von Armut bedroht, also etwa 19 Millionen. Wohlfahrtsverbände haben zum Start des „Europäischen Jahrs” das Aktionsprogramm des Bundessozialministeriums kritisiert. Die Verbände bemängeln die Verwendung der etwa 2,3 Millionen Euro und die Auswahl der Projekte. So gehe nur etwas mehr als die Hälfte des Geldes an konkrete Projekte, die andere Hälfte an eine private Agentur für die Organisation. Die Verbände fordern zudem eine konkrete Strategie der Bundesregierung zur Armutsbekämpfung. (Zitiert nach NachDenkSeiten.de)
Deutsche Armut
Madeleine Schickedanz. Wir haben hier schon über sie berichtet. Erbin von Quelle und Karstadt. Im September ließ sie Printmedien verbreiten, sie habe mit dem Niedergang ihres Konzerns den größten Teil ihres Vermögens verloren und kaufe nunmehr auch beim Discounter. Ursprünglich besaß sie etwa fünf Milliarden Euro. Heute berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger, sie habe zwei Villen in Sankt Moritz verkauft. Für 47 Millionen Euro. Neun weitere Immobilien sollen folgen, um ein Bankdarlehen von 200 Millionen Euro zu reduzieren. Unterschiedliche Quellen taxieren ihr Vermögen derzeit noch auf etwa eine Milliarde. Ich kann mir keine Vorstellung davon machen, welche Wut die ehemaligen Quelle-Mitarbeiterinnen angesichts solcher Meldungen haben müssen.
“Immer mehr Menschen haben zu wenig”
Der trübe Novembersamstag. Am Computer höre ich WDR2, Fußballbundesliga. Die Spiele scheinen auch nicht sonderlich aufregend zu sein. So trüb wie das Wetter. Also suche ich so ein wenig rum. Und finde. Die Tagesschau vom 5. November zum Beispiel. Unter der Überschrift: “Immer mehr Menschen haben zu wenig” wird das Statistische Bundesamt zitiert. Demnach gab es zum Jahresende 2008 insgesamt 768.000 Empfänger (!) von Grundsicherung, 4,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Grundsicherung soll den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt im Alter und bei Erwerbsminderung sicherstellen. Die Mehrheit der Betroffenen ist im Rentenalter. Auch immer mehr Männer erhalten diese besondere Form der Sozialhilfe. Von Altersarmut betroffen sind derzeit 2,5 Prozent aller Rentner. Die Zahl wird in den nächsten Jahren weiter anwachsen, weil immer weniger Menschen ihr ganzes Leben in Vollzeit arbeiten. Immer häufiger gibt es so genannte Brüche im Erwerbsleben – entweder durch Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit. Auch die Zahl von Teilzeit- oder Minijobs steigt. Dadurch sammelt man nicht mehr so hohe Rentenansprüche an, dass man im Alter davon leben kann. Novembertrübe Aussichten.
Nochmal: Kinderarmut
“In Deutschland ist jedes fünfte Kind arm.” Das sagt der Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. “Jedes sechste Kind in Deutschland ist von Armut betroffen (d.h.: lebt mit weniger als 50 Prozent des Durchschnittseinkommens).” Das sagt der Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland von Unicef. “Jeder Vierte zwischen 16 und 24 Jahre alte Jugendliche lebt in materieller Not oder ist davon bedroht.” Das erklärt die Arbeitsgemeinschaft der Kinder- und Jungendhilfe (AGJ). In Deutschland lebt also fast jedes sechste Kind in relativer Armut, im OECD-Schnitt hingegen nur jedes achte Kind. In Dänemark, dem Land mit der geringsten Kinderarmut in der OECD, ist es nur jedes 43. Kind! Die Armutsquote bei Kindern ist hoch, obwohl Deutschland mehr als jedes anderes OECD-Land Kinder über direkte Finanztransfers fördert. Etwa 40 Prozent der öffentlichen Mittel für Kinder werden direkt an die Eltern gezahlt. Unter den 30 OECD-Ländern liegt der Anteil direkter Finanztransfers nur in Luxemburg und in der Slowakei in einer vergleichbaren Größenordnung. In Dänemark oder Schweden liegt der Anteil der direkten Transfers dagegen nur bei 20 Prozent. In diesen Ländern werden die Finanzmittel für Kinder vor allem in Bildung und Betreuungsangebote investiert. Die Armutsrate unter Alleinerziehenden ist in Deutschland größer als in anderen OECD Ländern: 40 Prozent der Haushalte mit Alleinerziehenden sind arm, im OECD Schnitt 30 Prozent. Zudem hat sich im Vergleich zu anderen Haushalten mit Kindern die Einkommenssituation von Alleinerziehenden in den letzten 20 Jahren erheblich verschlechtert.
17. Oktober: Internationaler Tag für die Beseitigung der Armut
1992 erklärte die Generalversammlung der Vereinte Nationen den 17. Oktober zum Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut. Eine Inschrift auf einer Marmorplatte auf dem Platz der Menschenrechte (Trocadero) in Paris erinnert an den Ursprung dieses Gedenktages.
17. Oktober 1987.
Verfechter der Menschenrechte aus aller Welt haben sich auf diesem Platz versammelt. Sie haben den Opfern von Hunger, Unwissenheit und Gewalt Ehre erwiesen. Sie haben ihrer Überzeugung Ausdruck gegeben, dass Elend nicht unabänderlich ist. Sie haben ihre Solidarität mit all jenen Menschen bekundet, die irgendwo auf der Welt für die Überwindung des Elends kämpfen. „Wo immer Menschen dazu verurteilt sind, im Elend zu leben, werden die Menschenrechte verletzt. Sich mit vereinten Kräften für ihre Achtung einzusetzen, ist heilige Pflicht.“
Père Joseph Wresinski
Neue Armut
Welch ein Elend in unserem Land: Die Zahl der Milliardäre hat infolge der Krise dramatisch abgenommen. Nur noch 99 Einzelpersonen oder Familien in Deutschland verfügen über ein Vermögen von mindestens einer Milliarde Euro. Im Vorjahr waren es dagegen noch 122. Insgesamt ist der Wert der 100 größten Vermögen in Deutschland von 325 auf 285 Milliarden Euro gefallen. Doch, doch, richtig gelesen: Die hundert größten Vermögen in Deutschland sind mit 285 Milliarden immer noch größer als die für 2008 vorgesehenen Ausgaben des Bundesetats (283,2 Mrd. Euro).
Nochmal: Armut in Deutschland
Über die Armut der Madeleine Schickedanz habe ich mich hier am 3. September schon ausgelassen. Von 500 bis 600 Euro müsse sie nun leben, hat die Quelle-Erbin über die Bild am Sonntag seinerzeit verlauten lassen. Der Spiegel meldet nun in einer Vorabmeldung, daß Madeleine Schickedanz an einer ICN Immobilien Consult beteiligt ist, die mit Immobiliengeschäften Gewinne im “deutlich zweistelligen Millionen- Euro-Bereich” erwirtschaftet habe.
Tja, bei Lidl oder Aldi wird man sie so schnell also doch nicht treffen können.
Links aus Versehen
Jemand, der sich, wie ich, in jungen Jahren politisch eingerichtet, als Linker, als Kommunist gar, dann aber, der Bevormundung des eigenen Denkens satt, diese Bindungen durchbrochen und sich seine eigene Meinung zu allem und jedem gestattet hat, liest gewiß gerne, wie andere ähnliche Prozesse für sich beschreiben, wie Weltbilder ins Rutschen geraten: Vom anderen Ausgangspunkt aus zu durchaus ähnlichen Ergebnissen, nein: eher Fragen. Matthias Matussek, ehemaliger Kulturchef des Spiegel, schreibt in Spiegel-Online unter dem Titel: “Krise des Konservativen” wie er “aus Versehen ein Linker wurde.” Lesenswert. Nein, ein Muß, ein unbedingtes Muß.
“Sein Vater war CDU-Politiker, er selbst kiffte und lebte in einer Mao-WG – zum Linken aber wurde Matthias Matussek erst jetzt in der Krise. Denn die Konservativen führen seiner Ansicht nach einen Klassenkampf von oben: Sie zertrümmern Werte, heiligen Kaltschnäuzigkeit und öde Lifestyle-Spießerei”, heißt es im redaktionellen Vorspruch. Bei Matusseks war man konservativ. Als Jugendlicher ein bißchen rebellig, als Erwachsener, als Familienvater aber wieder durchaus konservativ. Wie tausende andere auch. Weiterlesen