Monat: Juli 2022

Danke

Sie haben gewonnen, die deutschen Fußballspielerinnen. Nicht das Finale. Europameisterinnen sind die englischen Kickerinnen. Irgendwie verdient. Zudem in einem Turnier im eigenen Land, in London, in Wembley. Die deutschen Damen um „Poppie“ und Merle, Lena, Lene und Martina, um Svenja oder Sarah haben erreicht, daß deutscher Fußball auf der Höhe der Zeit, auf der Höhe der Möglichkeiten gespielt wird. Technisch und athletisch anspruchsvoll, leidenschaftlich, strategisch klug, vor allem als Team, als Ganzes, als Einheit. Im Finale hat nichts, im Wortsinn wirklich nichts gefehlt, um die deutschen Frauen statt der englischen mit dem Pokal zu versehen. Eine Laune des Fußballgotts. Gleichsam eine Art ungeplanten Stolperns. Dieser schöne Sport und jene, die ihn geboten haben, müssen gefeiert werden, gewürdigt, anerkannt. Und, Kanzler und DFB, diese Frauen haben „equal pay“ auf die Agenda gesetzt. Jetzt muß man das auch umsetzen. Danke für diese grandiose Europameisterschaft.

Der Star in mir

Es ist soweit, schon seit geraumer Zeit: das Alter fordert auch von den Augen seinen Tribut. Grauer Star, auf beiden Seiten. Jetzt werden die Linsen herausgelasert, nacheinander, in zwei Schritten, und neue eingesetzt. Danach soll man, wie Freunde berichten, wieder sehen können wie ein junger Adler. Das wäre nicht einmal nötig gewesen. Ordentlicher Durchblick statt unscharf-trüber Bilder, das hätte mir schon gereicht. In sechs Wochen soll ich wieder sehen können wie mit siebzehn. Tja. Aussehen werde ich weiter wie einundsiebzig und verstehen, was ich sehe, werde ich ebenfalls nur als älterer, erfahrener Herr von über siebzig. Gottlob sind nur die Augen trüb, nicht der ganze Kopf. Und nicht mehr sehr lange. Gottlob.

Da bin ich Fan von

Gestern Abend. Fernsehen. Frauenfußball vom Feinsten. Die deutschen Kickerinnen besiegen die französischen Ballkünstlerinnen. Nach langem Kampf auf Augenhöhe. Ein TV-Sporterlebnis ersten Ranges. Die Damen spielen einen erstklassigen Ball, das Spiel ist athletisch und schnell, technisch versiert. Die Spielzüge machen die ganze Schönheit dieses Sports deutlich, auf beiden Seiten zudem. Frauenfußball ist erstklassig, mittlerweile. So wie Männerfußball zumeist auch erstklassig ist. Es handelt sich indes um zwei Sportarten, zwei verschiedene. Wie beim Handball, Eishockey, Radrennen, Boxen oder Turnen auch. Es gibt keinen Grund mehr, keinen einzigen, naserümpfend an das Unternehmen Frauenfußball heranzugehen. Der Damenfußball hat sich emanzipiert von beleidigenden Entwertungen. Frei nach Stoppok singe ich das Hohelied des Damenfußballs: Da bin ich Fan von. Und dann noch: Nach dem Spiel sind die Damen überzeugender, authentischer, bedachter als ihre männlichen Pendants. Keine gestanzte Sprache, frische, kluge, auch selbstkritische Statements. Bei Fußballern tue ich mir das seit langem nicht mehr an. Den Damen kann ich noch gut zuhören und zusehen. Auch nach dem Spiel. Vielen Dank, Ihr teutonischen Kickerinnen.

Extremwetter ist keine Extremsportart

“Die Prediger des ‘Weiter so’ (versuchen) den zweifelsfreien Zusammenhang zwischen mehr Extremwetter und Erhitzung weiterhin ständig in Zweifel zu ziehen (…) Das ist eine – natürlich absolut selbstzerstörerische – Propagandamaßnahme, die funktionieren kann, wie eine britische Überblicksstudie zeigt. Daraus folgt: Sowohl verantwortungsbewusste Medien als auch Politiker müssen der immer noch virulenten Propaganda wesentlich entschlossener entgegentreten. Die Fossilbranchen sind bereit, die Zukunft der Menschheit aufs Spiel zu setzen. Es wird Zeit, sie entsprechend zu behandeln.” (Christian Stöcker in seiner aktuellen “Spiegel”-Kolumne) Nur weil nichts dafür spricht, dass (zumindest hiesige) Medien die Fossilbranchen “entsprechend behandeln” werden, spricht nichts dagegen, es zu fordern, würde ich sagen. Eine darüber hinaus gehende “To-do-Liste für deutsche Institutionen, deutsche Medien und die Politik” enthält der Text auch noch.

René Martens, Extremwetter ist keine Sportart. In: Altpapier

Regenbogen-Schminke und Clown-Nase

Die NZZ (Neue Zürcher Zeitung) hat ein Bild abgedruckt (hier die Online-Version), das Wladimir Putin mit Regenbogen-Schminke und Clown-Nase zeigt. Es ist die Variation eines Memes, das Russland schon vor Jahren wieder einfangen wollte, allerdings erfolglos. Jetzt droht die russische Botschaft in Bern der NZZ. Und was macht die Zeitung? “Die NZZ hat sich bislang auch auf SZ-Anfrage nicht zu dem Fall geäußert. Ihr Artikel ist derzeit online weiterhin abrufbar, mitsamt dem verlinkten Tweet zur Karikatur”, schreibt Anna Ernst auf der SZ-Medienseite.

zitiert nach: Ralf Heimann, Der Journalismus als PR-Klavier. Altpapier

Grün und Rot

Auf Twitter gefunden, bei Ingwar Pero. „Der Temperaturunterschied zwischen Grau oder Grün anhand eines Wärmebilds erklärt. Wir brauchen dringend eine Entsiegelung- und Begrünungssoffensive in unseren Städten, um uns vor der Hitze zu schützen.“ Wohl wahr!

Frauen-Quote

Einschaltquoten, ja Gottchen: Man darf sie nicht überschätzen. Aber 5,76 Millionen beim Europameisterschaftsspiel Deutschlands gegen Finnland, obwohl der Gruppensieg der deutschen Frauen vorher schon festgestanden hatte, und vor allem 8,02 Millionen beim Spiel gegen Spanien vergangene Woche – das war schon bemerkenswert. “Ein Wert, der ‘Tatort’-Dimension hat”, kommentiert Joachim Huber im “Tagesspiegel”:
“In den Zahlen liegt ein Triumph – der Triumph des linearen Fernsehens. Film hin, ‘Tagesschau’ her, Serie bei Netflix, Drama bei Amazon, kaum erfassen die Kameras ein exklusives Live-Event, weiß das Publikum, was es auf seiner Fernbedienung einzustellen hat”.

Klaus Raab, Ein Imagefilm ist unter den “besten Dokuserien”, in: DAS ALTPAPIER AM 18. JULI 2022

Leadership

Und es stehen ja auch unangenehme Fragen im Raum: Seit den Bestsellern von Hoimar von Ditfurth und Franz Alt in den siebziger und achtziger Jahren wissen hier alle, dass es mit einem auf fossilen Energien basierenden Wachstumsmodell nicht weitergeht. Deutschland ist ein Land der Erfinder, Bastler und Tüftler, es ist schon bizarr, ja verdächtig, dass Verfahren und Technologien, die erneuerbare Energie nutzen, sich hier nicht längst durchgesetzt haben. Warum gibt es keinen deutschen Tesla, warum steht nicht auf jedem Dach eine Fotovoltaik-Anlage aus europäischer Produktion? Auch die großen Konzerne setzten auf weiter so, ökologische Innovation und technologische Kreativität wurden ausgebremst, Risiken wurden gescheut. Es ist nicht allein die Schuld früherer Bundesregierungen, so wollte des die Mehrheit der wählenden Bevölkerung, so wollte es die deutsche Wirtschaft und die Boulevardpresse. Es waren die “Geiz ist geil”-Jahre, die netten Jahre, in denen Deutschland allen anderen Ländern gern gute Ratschläge spendierte. Der “ökologische Umbau der Industriegesellschaft”, den Oskar Lafontaine im Wahlkampf 1990 anmahnte – all so was war zu aufwendig, zu stressig, zu teuer. Man muss differenzieren: Es gab die Grünen und viele andere Gruppen, die gewarnt und im kleinen Rahmen einen Umbau vorgenommen haben. Aber die Mehrheit der Leute wollte ihre Ruhe, die Reichen wollten reicher werden und die Regierenden haben serviert, was bestellt wurde.
Wie weiter? Eine Zeitenwende ist keine private Angelegenheit, über Duschpraxis und Nebenkostenabrechnung allein kann der Umbau nicht geregelt werden. Bezahlen müssen ihn jene, die in den vielen guten Jahren der billigen Energie so immens reich geworden sind. Wir brauchen, wie nach dem Krieg, ein Lastenausgleichsgesetz. Es ist die Stunde der Exekutive und nicht des permanenten Dialogs, sondern der Entscheidungen. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal schreibe, aber diese Republik braucht Leadership.

Nils Minkmar, Denk nicht an Winter. Wie wär‘s mit Leadership?, in: Newsletter, Der Siebte Tag