Schlagwort: Wahlbeteiligung

Wer die Wahl hat …

Freunde rufen mich an, mails erreichen mich: Ich solle doch mal was zu den Wahlen von vergangenem Sonntag schreiben. Ist nicht in allen Medien, Hörfunk und Fernsehen, Zeitungen, Internet, schon alles zu den Bundestagswahlen gesagt? Werden nicht jeden Tag aufs neue eine kluge Analysen geliefert? Doch. Also ist entbehrlich, was ich mir noch so ausdenken, woran ich noch Anstoß nehmen könnte. Also wirklich nur einige (Rand-) Bemerkungen.

Das Hauptergebnis ließ sich vorher bereits absehen, nämlich die Wahl einer FDP-geführten Bundesregierung mit CSU/CDU unter Kanzlerin Merkel. Damit ist zum ersten mal in der Geschichte der Wahlen in der Bundesrepublik ein Regierungswechsel aus dem Kanzleramt heraus gelungen. Aber es gab auch so viele Nebenergebnisse wie sonst selten. Keineswegs nur den dramatischen Bedeutungsverlust der SPD oder die Konsolidierung der kleineren Oppositionsparteien. Mit knapp 71% hatten wir die niedrigste Wahlbeteiligung aller Bundestagswahlen. 18 Millionen Wahlberechtigte haben ihre Stimme behalten. Das bedeutet: Die Mehrheit hat keine Mehrheit. Bei der vorgestrigen Bundestagswahl wählten 29,2 Prozent aller Wahlberechtigten gar nicht, 23,6 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU/CSU, 16,1 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD, 10,2 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP, 8,3 Prozent aller Wahlberechtigten die LINKE und 7,5 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen. Weiterlesen

Ausschließeritis

Geht es Ihnen auch so? Die drei in so kurzen Abständen aufeinanderfolgenden Wahlen, Europa, Kommunalwahl und jetzt Bundestag, machen selbst den geneigtesten Beobachter politischer Vorgänge mürbe. Ich hatte mir fest vorgenommen, zur Wahl am kommenden Sonntag eigentlich nichts mehr zu sagen oder zu schreiben. Allein: Es geht nicht.

Ist nicht die hohe Kunst der Politik der Kompromiß? In Zeiten, in denen absolute oder überwältigende Mehrheiten nicht mehr zu erwarten sind, nicht nur die hohe Kunst, sondern auch Erfordernis des politischen Alltags. Lernen Kinder in der Schule nicht im Politikunterricht, der Gesellschaftslehre, der Sozialkunde, wie immer das Fach auch heißen möge, und sei es im Deutschunterricht, daß alle demokratischen Parteien untereinander kompromiß- und koalitionsfähig sein müssen? Klar!

Was erzählen wir jungen Menschen? Wahlkampf sei der Wettstreit der Ideen. Wahlprogramme seien Vorschläge der Parteien an die Bürger. Und wenn sie Mehrheiten bei den Wählern finden, sollten sie umgesetzt werden. Wenn nicht, dann nicht. Weiterlesen

Armut wählt nicht

Wie der “Kölner Stadt-Anzeiger” meldet, hat der Politikwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Armin Schäfer, einen Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Wahlbeteiligung erhoben.  Je größer die Zahl der Arbeitslosen im Wahlbezirk,  desto niedriger ist dort die Wahlbeteiligung. Ein Beispiel: Im armen Kölner Stadtteil Chorweiler haben nur 25,7% an der Kommunalwahl teilgenommen, im reichen Hahnwald dagegen 64,4 Prozent. Dasselbe Muster zeige sich bei Europa-, Landtags- und Bundestagswahlen. Eine Untersuchung der Bundestagswahl 2005 ergab auch für Hamburg, Düsseldorf, Dortmund, Hannover oder Dresden: Stadtteile mit hoher Hartz-IV-Quote oder mit starker Arbeitslosigkeit hatten durchweg eine auffallend niedrige Wahlbeteiligung.

Lange ging man von der These aus, daß, wer unzufrieden ist, etwas ändern will und also wählen geht. “Aber das stimmt nicht”, betonte der Experte. “Eine persönlich schwierige (…)  Lage wie Arbeitslosigkeit führt eben nicht zur Mobilisierung.”

Eine niedrige Wahlbeteiligung führt also zu einer sozialen Verzerrung des Ergebnisses. Oder: Armut beeinträchtigt soziale Teilhabe. Armut schwächt auch demokratische Prozesse.