Schlagwort: Dirk Niebel

Neustart

Neustart – eine merkwürdige Vokabel. Im Sport etwa bedeutet sie, daß mit dem Start etwas schief gegangen ist, weshalb er wiederholt werden muß. Beim Autorennen durch einen Unfall oder in der Leichtathletik, wenn ein Starter vor dem Startsignal weggerannt ist. In der Politik muß der Start auch mißlungen sein, wenn die Vokabel Neustart bemüht wird. Wie bei der FDP. Seit der Konstituierung der Bundesregierung hat die FDP so ziemlich alles vermasselt. Aus guten vierzehn wurden so zeitweise kümmerliche drei Prozent Zustimmung. Jetzt also ein Neustart. Westerwelle: bleibt. Niebel: bleibt. Brüderle: bleibt. Rösler: bleibt. Lindner: bleibt. Homburger: bleibt. Pieper: bleibt. Alle bleiben. Nur Koch-Mehrin bleibt nicht. Sie tritt von allen politischen Ämtern zurück. Weil sie damit rechnen muß, daß man ihr den erschlichenen Doktortitel aberkennt. Sie bleibt aber als Europaabgeordnete. Also: Alle bleiben, keiner geht. Es gibt nur einen Ämtertausch, einen Stuhlwechsel. Westerwelle darf die FDP nicht mehr führen, das ganze Land aber weiterhin vertreten. Das verstehe, wer will. Rösler, der gescheiterte Gesundheitsminister, darf die FDP führen. Brüderle, gefürchteter Weinköniginnenküsser, war als Wirtschaftsminister eine Fehlbesetzung, darf nun aber den Fraktionszuchtmeister geben. Homburger darf die Fraktion dafür nicht mehr knechten, jetzt aber die gesamte Partei als erste stellvertretende Vorsitzende. Niebel bleibt. Mit Kappe. Pieper bleibt so lange, wie auch Westerwelle bleibt. Lindner bleibt. Die nächsten 32 Jahre. Neustart? Das ist ein Ringtausch, ein Karussell. Immer im Kreis herum, statt nach vorn. Nur auf anderen Plätzen. Reise nach Jerusalem mit der immer gleichen Anzahl von Stühlen. Der so erforderliche politische Neustart wird also vom alten Personal geleistet werden. Das wird spannend. Auch ein Neustart kann ein Fehlstart sein.

“Schräge Wahl”

Aufregung im Netz, Aufregung im Fernsehen, Aufregung in der Presse: Wikileaks hat zweihunderteinundfünfzigtausend Dokumente des amerikanischen Außenmisteriums veröffentlicht. Eintausendsiebenhundertneunzehn dieser Dokumente enthalten, wie Spiegel Online berichtet, Einschätzungen amerikanischer Mitarbeiter und Informanten über deutsche Politiker. Eine “schräge Wahl” sei die Ernennung von Dirk Niebel zum Entwicklungsminister gewesen. Ja und? War sie das nicht auch? Eine “schräge Wahl”? Der ehemalige FDP-General wird Chef einer Behörde, die die FDP noch vor der Wahl abschaffen wollte. Wenn das keine “schräge Wahl” ist, gibt es keine. In diesen Berichten wird Außenminister Guido Westerwelle als “aggressiv, inkompetent und eitel” bezeichnet. Ja und? Ist er das etwa nicht, unser Außenminister und FDP-Chef? Man wird ja noch an die Exzesse der spätrömischen Dekadenz erinnern dürfen, an die Freiheitsstatue, die der FDP-Lautsprecher eigenen Worten zufolge ist, an das Motto: Mehr Brutto vom Netto, mit dem er die Wählerstimmen geködert hatte, an das eitle Versprochen- Gehalten-Gerede nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrages. Geheimdokumente? Das hat man alles seit langem in bundesdeutschen Zeitungen, im Internet, sonstwo schon lesen dürfen, mitunter sogar erheblich weniger freundlich formuliert. Geheim ist an solchen Bewertungen gar nichts. Neu ist bestenfalls, daß die amerikanische Regierung mit diesen Einschätzungen ebenfalls arbeitet. Gottlob mag man da nur sagen.

Die Niebelschlußleuchte der Koalition

Der Ex-Generalsekretär der FDP, Dirk Niebel, darf jetzt als Entwicklungshilfeminister dilletieren. Westerwelles Kettenhund, immer dann von der Leine gelassen, wenn der Chef nicht schrill und laut genug agieren konnte, übernahm ausgerechnet ein Ministerium, das er bis zur Bundestagswahl noch abschaffen wollte. Es gab wohl selten einen Minister, der weniger qualifiziert für sein Amt war als Niebel. Nahezu alle entwicklungspolitischen Akteure hat er sich flugs zum Feind gemacht. In fast alle Führungspositionen seines Ministeriums hat Niebel unerfahrene FDP-Schranzen gehievt.  Seine Devise: “Loyalität kommt vor Fachlichkeit”. Beide Staatssekretäre und nahezu sämtliche Abteilungsleiter sind nun ehemalige Parteifunktionäre und Niebelvertraute. Und also ist die Fachkompetenz seiner Gefolgsleute ist so groß wie bei ihm selbst: gleich Null. Mit zehn externen Besetzungen, so beschwerte sich der Personalrat des Ministeriums,  sei die Grenze erreicht. Die institutionellen Kenntnisse und fachlichen Erfahrungen der Mitarbeiter dürften nicht ungenutzt bleiben. Und jetzt will Niebel auch den wissenschaftlichen Beirat des Ministeriums auflösen. Dafür kommen die alten Kameraden ins Ministerium. Niebel will einen alten Bundeswehrkumpel zum Abteilungsleiter machen – das Haus brauche mehr Militärkompetenz. Oberst Friedel H. Eggelmeyer gehört dem Panzerbataillon 33 in Neustadt am Rübenberge an. Nach Spiegel Online kam dieses Panzerbataillon 33 vor drei Jahren ins Gerede, weil es ähnliche Symbole verwendet wie seinerzeit die Wehrmacht. Die “braune Palme” auf schwarz-weißem Grund ist an ein Wappen des Afrika-Korps angelehnt, wie die Website des “Freundeskreises Panzerbataillon 33” freimütig angibt. Eggelmeyer hatte den Verein 1989 zusammen mit ehemaligen Wehrmachtssoldaten gegründet. Auch die Vereinszeitung schmückt die braune Palme – und altdeutsche Schrift. Im Ministerium wird Eggelmeyer ab März Chef der Abteilung 03, die bislang für Afrika und Nahost zuständig gewesen ist.

Der Entwicklungshilfeminister ist die Niebelschlußleuchte der schwarz-gelben Koalition.