Monat: November 2011

In memoriam: Georg Kreisler

Der Wiener Kabarettist, Schriftsteller, Liedermacher, Komponist  Georg Kreisler ist tot. Heute verstarb er im Alter von neunundachtzig Jahren. Ein Meister der Sprache, des schwarzen Humors, der scharfen Kritik an Gesellschaft und Politik. Ein Anarchist, ein Widerborstiger.

“Freiheit hat mit Deutschland selbstverständlich was zu tun, sofern man wirtschaftlich dazu was beiträgt.”

Ödnis

“In Ägypten und Libyen sterben Menschen für ihr Wahlrecht, aber in Wermelskirchen haben gerade mal 20 Prozent ihren Hintern hoch gekriegt.” Der Bürgerbeschimpfung des FDP-Fraktionsvorsitzenden Manderla mag man sich angesichts der äußerst dürftigen Wahlbeteiligung an der Landratswahl vom vergangenen Sonntag – nur etwa zwanzig Prozent der Wahlberechtigten in Wermelskirchen hatten sich beteiligt –  im ersten Moment sogar anschließen. Einen Moment später aber wird man die Frage stellen müssen: Tragen nicht die Parteien ein gerüttelt Maß Schuld an der Wählerlethargie? Und wieder einen Moment später wird man diese Frage bejahen müssen. Gewiß, da hingen und hängen ein paar Plakate an den Laternenpfählen in der Stadt. Und die beiden Zeitungen haben auch die Kandidaten der Parteien vorgestellt. Aber: Reicht das aus, um ein öffentlich nicht sehr bekanntes Amt, das des Landrats, das zudem noch in der Kreisstadt Bergisch-Gladbach angesiedelt ist, also weit weg vom Schuß, den Wermelskirchener Bürgern interessant zu machen? Haben die Parteien den Menschen erklärt, was ein Landrat ist, was er macht, welche Befugnisse er hat, was das alles mit der Stadt zu tun hat, warum es also wichtig wäre, sich einzubringen, sich zu interessieren, wählen zu gehen? Nein! In den Gremien der Parteien sind die Kandidaten auserkoren worden, in den Hinterzimmern, wie immer. In diesen Hinterzimmern haben die Parteistrategen auch den Wahlkampf beschlossen, der zum desaströsen Wahlergebnis geführt hat. Zu einem für alle Parteien desaströsen Wahlergebnis. Diese Landratswahl in Wermelskirchen hatte keinen Sieger. Alle Parteien haben gemeinschaftlich verloren. Menschen, Wähler, Interesse. “Sogar Leute, die sich eigentlich für Politik interessieren, haben mich gefragt: Wie, was für eine Wahl?” So zitiert die Bergische Morgenpost den CDU-Fraktionsvorsitzenden Volker Schmitz. Und den  SPD-Fraktionsvorsitzenden Jochen Bilstein treibt die Sorge  um, daß sich die erbärmliche Wahlbeteiligung auch bei künftigen Kommunalwahlen fortsetzen könnte. Allen Parteien fällt als erste Antwort lediglich ein, daß der Kreis, der Landrat, die Kreisstadt zu weit weg seien vom Nordkreis, von Wermelskirchen. Die Landratswahl sei offensichtlich an den Menschen vorbei gegangen. Viele wussten gar nicht so recht, worum es bei der Landratswahl überhaupt ging. So Parteivertreter zur Presse. Wem lasten die Parteien das denn eigentlich an, wenn nicht sich selbst? Es ist doch ihre genuine Aufgabe, die Menschen zu gewinnen, sie zu interessieren, sie vertraut zu machen mit den kommunalen Belangen. Es ist doch Aufgabe der Parteien, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, ihnen deutlich zu machen, was auf der kommunalen Ebene diskutiert, verhandelt, entschieden wird. Nein. Mir ist die Antwort der Parteivertreter, aller Parteien, zu billig, sich lediglich hinter dem mangelnden Interesse der Bürger zu verstecken. Die Existenzberechtigung der Parteien schwindet, wenn sie immer weniger in der Lage sind, Menschen zu interessieren, ihnen Orientierung zu bieten, sie zu organisieren. Parteien wirken, jedenfalls auf kommunaler Ebene, eher nach innen. Sie sind nicht mehr Träger und Motor der politischen Kultur, immer weniger akzeptierte Akteure und Beförderer des Gemeinwesens . Das Ergebnis ist  kommunalpolitische Dürre, politische Ödnis. Abzulesen an der Landratswahl. Abzulesen an der Beteiligung an den Debatten über die kommunale Sparliste am kommenden Samstag.

“Wir entschuldigen uns”

“Wir entschuldigen uns.” Mehrere Redner unterschiedlicher Fraktionen des Düsseldorfer Landtags sprachen in einer aktuellen Stunde über den rechtsradikalen Terror diesen schlichten Satz aus. Die Scham hat ihnen diesen Satz aufgegeben, Scham über die Verbrechen der neonazistischen Terrorgrupe NSU, Scham darüber, daß die Verbrecher jahrelang unerkannt geblieben sind, Scham vor allem, daß Politik und Sicherheitsbehörden die Opfer der Verbrechen und ihre Angehörigen verdächtigt hatten, Kriminelle zu sein. An vorderster Stelle übrigens der ehemalige SPD-Innenminister Otto Schily. Und Scham über einen Verfassungsschutz, der womöglich mehr gewußt hat, als er derzeit zuzugeben bereit ist. Man kann sich in der Tat nur schämen angesichts dieser so dubiosen Ereignisse. Aber: Man kann sich nicht selber entschuldigen. Man kann nur die Opfer und ihre Angehörigen in Demut bitten, eine Entschuldung auszusprechen. Die Kirche kann sich nicht selbst entschuldigen für Verbrechen, die ihre Priester an Kindern und Jugendlichen jahrzehntelang verübt haben, und die Politik kann sich nicht selber entschulden für ein massives Versagen des Rechtsstaates.

Lehrstück in Sachen innerparteilicher Demokratie oder wie der Überbau der Basis eine reinhaut

„Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist ein undifferenziertes und rechtlich unangemessenes Überwachungsinstrument, das die Grundrechte in unzumutbarer Art einschränkt und alle Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union unter Generalverdacht stellt…  Wir lehnen die grundsätzliche, verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung (euphemistisch auch Mindestdatenspeicherung genannt) von Telefon- und Internetverbindungen ab, da sie mit den Grundwerten der Sozialdemokratie nicht vereinbar ist…“ Diese Formulierung findet sich in einem Antrag der Jungsozialisten an den Bundesparteitag der SPD, der zwischen dem vierten und sechsten Dezember in Berlin stattfindet. Mit den Jusos fordern der SPD-Bezirk  Mittelfranken, die Unterbezirke München und Aachen-Stadt, der Kreis Rhein-Neckar, einige Ortsvereine und die bundesweite Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung. Soweit die Basis. Was die Basis will, schert den Überbau indes nur wenig. Die Antragskommission des Parteitages unter dem stellvertretenden Vorsitzenden Olaf Scholz empfiehlt den Delegierten die Annahme des einzigen Antrags, der nicht eindeutig gegen die anlaßlose Vorratsdatenspeicherung Position bezieht, nämlich den Antrag 30 des Hamburger Ortsvereins Eimsbüttel-Nord. In dem heißt es unter anderem: “Die Bundestagsfraktion sowie die SPE-Fraktion im Europäischen Parlament werden aufgefordert, sich vor einer Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung dafür einzusetzen, dass die Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung unter Einsatz der geringstmöglich in die Privatsphäre eingreifenden Mittel und der höchstmöglichen Datensicherheit (vgl. das Scheitern von ELENA) sowie unter Beachtung der Missbrauchsgefahr (vgl. nur den Datenskandal bei der Anti-Nazi-Demo in Dresden) nachgewiesen wird.” Eigentlich ist das schon Überbautrickserei genug, um den Basiswillen auszuhebeln. Doch empfiehlt die Antragskommission nunmehr den Delegierten die Annahme dieses Antrages aus Eimsbüttel in einer Langfassung der Antragskommission, die wiederum mit dem ursprünglichen Eimsbütteler Begehren kaum mehr etwas zu tun hat. Denn in dieser Langfassung heißt es: “Insbesondere die von der EU-Richtlinie vorgeschriebene Mindestspeicherdauer von 6 Monaten greift unverhältnismäßig stark in das Grundrecht ein. Dabei zeigt die Praxis, dass eine Speicherdauer von 3 Monaten für den verfolgten Zweck der Richtlinie ausreichend ist. Daher fordern wir, dass die Mindestspeicherdauer der Richtlinie von 6 auf 3 Monate verkürzt wird oder es den Mitgliedstaaten zumindest freigestellt wird, eine kürzere Mindestspeicherdauer festzulegen…Im Rahmen dieser Einschränkungen und Einhaltung der strengen Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht für eine Umsetzung der Richtlinie festgelegt hat, ist der Abruf der Telekommunikationsverbindungsdaten bei den Providern durch Ermittlungsbehörden ein verhältnismäßiges Instrument.“ Ein tolldreistes Lehrstück in Sachen innerparteilicher Demokratie. Und ein weiteres Scherflein zur Parteiverdrossenheit.

“She sings song for the lost and the lonely”

What a Voice! Elkie Brooks, früheres Mitglied der R&B-Band Vinegar Joe, singt “Pearl’s A Singer”. Mit der Inbrunst, der Leidenschaft, einer Stimme, die sich 1977, als sie den Song mit zweiunddreißig Jahren aufgenommen hatte, erst andeuteten.  Hier eine Aufnahme der seinerzeit Einundsechzigjährigen aus dem Jahre 2006.

Das Welsch des Volker Kauder

Viele Europäer dürften besser deutsch sprechen  als der Schwabe Volker Kauder, der, wie bekannt, alles spricht außer hochdeutsch und dem in einem Akt fortdauernder Cerebralphimose der wilhelminisch-großdeutsche Satz: “Europa spricht jetzt deutsch” entfleucht ist. Kauderwelsch, so belehrt uns Wikipedia, ist unter anderem die abwertende Bezeichnung für eine verworrene Sprechweise. Man kann nur leider nicht darauf bauen, daß der Kauder sich bei diesem Satz verworren hat. Vielmehr fürchte ich, daß der Kauder meint, was er sprachlich fabriziert hat, daß nämlich am deutschen Wesen zwar nicht die Welt, aber Europa genesen soll.