Schlagwort: Christian Wulff

Was kosten lassen …

Politiker sind häufiger eher unterbewertet als überbezahlt

(…) Es gibt Politiker, auf die der Staat gut verzichten kann. Aber es gibt keinen Staat, der auf Politiker ganz verzichten kann. Es mag Politiker geben, denen die Ehre, ihrem Staat zu dienen, wirklich etwas bedeutet. Aber es gibt keinen Staat, der nur von Ehrenamtlichen geführt werden kann. Es gibt Versorgungsansprüche, die äußerst zweifelhaft sind; der Ehrensold gehört dazu. Aber daraus ein Bild der Politik als Selbstbedienungsladen zu konstruieren, wäre schlimm. Ein – bei allen Fehlern – funktionierender Staat ist ein Wert an sich. Den aber muss man sich auch was kosten lassen. Politiker in Deutschland sind häufiger unterbewertet als überbezahlt. Der Anteil der Politiker, die ihr Amt redlich ausüben, ist mit großer Wahrscheinlichkeit höher als der Anteil der Haushalte, die ihre Putzhilfe oder das Kindermädchen angemeldet haben. Fähige Kräfte kosten Geld – das ist im Fußball so, in der Wirtschaft auch, es kann in der Politik nicht anders sein. Über die Befähigung einzelner Politiker kann man streiten, das gehört zur Demokratie. (…)

(Aus einem Kommentar von Nico Fried in der Süddeutschen Zeitung vom 2. März)

 

Halbseiden

Gerade eben, auf der Fahrt zu Edeka, im Radio Deutschlandfunk gehört. Journal am Vormittag – Kontrovers. Eine politische Diskussion. Es ging, natürlich, um den Bundespräsidenten, um Wulff und Gauck. Jemand, ich glaube, es war der Politikprofessor Obermeier, sagte, die Amtszeit Wulffs sei so etwas gewesen wie der Einbruch des Halbseidenen in die Politik. Stimmt. Die Affairen waren, gemessen an Kohlschen oder Schäubleschen Dimensionen eher mickrig. Die Höhe der Beträge eher weniger aufregend. Halbseiden eben. Maschmeyer ist eben nicht Flick. Und Groenewold kein Rüstungskonzern. Ein Auto, ein Kredit, ein Bobbycar, die eine oder andere Übernachtung in einem Hotel, Urlaube und Ferienwohnungen. Keine Millionenspenden. Keine Riesenaufträge. Halbseiden. Der kleine persönliche Vorteil. Halbseiden ist auch eher die Debatte um die Wulffsche Pension, den Ehrensold. Man soll sie ihm lassen. Kann man sich wirklich vorstellen, daß ein Ex-Bundespräsident sich anstellen läßt, weil man ihm die zustehende Pension verweigert, etwa bei einem Energieunternehmen, bei Maschmeyer, in einer Anwaltskanzlei? Das sollte sich das Land, das sollten sich auch seine Bürger nicht antun. Zudem: Einhundertneunundneunzigtausend Euro Ehrensold im Jahr ist weniger, als so mancher Zweigstellenleiter einer Bank oder Sparkasse einstreicht. Wir sollten die Maßstäbe nicht ins Rutschen bringen. Ein Bundespräsident sollte eine auskömmliche Pension kassieren dürfen. Gleich, wie sehr er in seiner Amtszeit auch kritisiert wurde.

 

 

Herrenreiter

Udo Reiter hat getwittert. Na und? Udo Reiter, CSU-Import und Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks, auf den MDR-Fluren auch als “Herrenreiter” bezeichnet, formulierte seinen Seitenhieb auf die Rede des Bundespräsidenten Christian Wulff so: “Einheitstag 2030: Bundespräsident Mohammed Mustafa ruft die Muslime auf, die Rechte der Deutschen Minderheit zu wahren.mdrreiter”. “Geschmacklos”, “GEZ-subventionierter Rassismus”, “Ich bleibe dabei, Herr Reiter, mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch!” So nur einige der empörten Antworten von Twitternutzern. In der Tat, ein Herrenreiterarschloch. Der Blitz möge in seinen Rollstuhl fahren.

Wulff’s Säuseln

“Die Zukunft gehört den Sanftmütigen.” Solch einen Unsinn gibt der zukünftige Präsident dieses Landes derzeit von sich. Christian Wulff. Mit leiser und freundlicher Stimme, mit eingefrorenem Lächeln, mit pastoralem Gestus. Die Zukunft gehört den Sanftmütigen? Was für ein horribler Blödsinn in Zeiten eines vollkommen unausgewogenen “Spar”-Pakets der Bundesregierung. Was für ein dummer Spruch in einer Zeit, in der die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander driftet. Es ist Zeit für Zorn. Zeit für klare Sprache, in der die Verhältnisse des Landes wahrhaftig beschrieben werden. Zeit für Anstößigkeit. Anstöße für eine gerechtere Politik, Anstöße für eine Beteiligung der Krisenverursacher an den Kosten der Krise, Anstöße für Rückbesinnung von Politik auf  die Interessen des Gemeinwohls, Anstöße zur Aufgabe einer Klientelpolitik. All das scheint vom smarten Niedersachsen nicht zu erwarten zu sein. Christian Wulff, der einschmeichelnde Präsident. “Im Vergleich zu Wulff ist ein glattgeschliffener Kiesel ein Stein mit Ecken und Kanten”, schrieb der konservative Publizist Michael Spreng in seinem Blog. Kluge Köpfe will der Krawattenmann des Jahres 2006 im Schloß Bellevue um sich scharen. Das könnte jedenfalls nicht schaden.

Die ausgezehrte Republik

Die ausgezehrte Republik, so hat Michael Schöfer seinen Artikel zum kommenden Bundespräsidenten überschrieben.

Was wird passieren? Es ist leider vorhersehbar: Der künftige Präsident wird – wie bisher – ein paar belanglose Reden halten, etliche Gesetze unterzeichnen, darunter vielleicht sogar einige verfassungswidrige, und bereitwillig Bundesminister ernennen oder entlassen, wenn ihm die Kanzlerin den Wink dazu gibt. Wenig Spektakuläres also, es wird sich folglich gar nichts ändern. Vielleicht ist genau das unser Problem. Und nicht, wer demnächst Deutschland repräsentiert. Wie ausgezehrt das politische Personal der Republik ist, hat doch die Kandidatenfrage zur Genüge gezeigt. Dass der extrem blasse Christian Wulff überhaupt Bundespräsident werden kann, ist bezeichnend. Ein Land, in dem Ursula von der Leyen, Annette Schavan oder Jürgen Rüttgers in die engere Wahl gezogen werden, hat offensichtlich ein Problem, und zwar ein personelles. (…) Die auf Stromlinienförmigkeit gebürsteten Parteien setzen lieber aufs langweilige Mittelmaß, das ist wenigstens berechenbar. Insofern haben sie mit Wulff, der sorgsam sein Image des netten Jungen von nebenan pflegt, haargenau ins Schwarze getroffen. Dem farblosen Köhler folgt ein ebenso farbloser Wulff. (…) Christian Wulff passt zur Regierungskoalition, deren Repräsentanten fast durchweg äußerst farblos sind. Der Fisch stinkt vom Kopfe her: Bei der Kanzlerin weiß man nicht, was sie wirklich will (außer an der Macht bleiben). Westerwelle hat zwar zu allem etwas zu sagen, bleibt aber immer erkennbar an der Oberfläche. Mangelnden Tiefgang kompensiert er durch Aggressivität. Und der bayerische Ministerpräsident ist selbst bei CSU-Anhängern umstritten. Markante Köpfe muss man mit der Lupe suchen, entsprechend ist die geistige Verfassung des Landes: Die Republik wirkt ausgezehrt. Darüber hat man in der Presse allerdings wenig gelesen. Schade, abermals eine Chance vertan.

Dem ist nun wirklich nichts mehr hinzuzufügen.