Kopf an Kopf

Spannend. Die beiden Spitzenkandidaten der Rechtsextremen zur Europawahl liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen im Wettbewerb, wer tiefer in den landesverräterischen Käuflichkeitsskandal verstrickt ist. Lange lag die Nummer Zwei auf der Wahlliste, Bystron, vorne, hatte doch noch vor wenigen Tagen der tschechische Geheimdienst neues belastendes Material für Kohle aus Rußland als Audiodatei vorgelegt. Und heute der grandiose Befreiungsschlag des Spitzenkandidaten Krah. Sein Mitarbeiter ist wegen des Verdachts der Spionage für China verhaftet worden. Was für ein Haufen. Armleuchter ficken Deutschland.

„Die Stützen der Gesellschaft“

Ein Nazi-Vergleich in Purpur

Als wäre es ein Bild von Georg Grosz: Da versammelten sich kürzlich für eine von einem Think-Tank des konservativen Spektrums organisierte zweitägige Konferenz des “Nationalen Konservatismus” in Brüssel die „Stützen der Gesellschaft“ (Titel eines Bildes von Georg Grosz). Mittendrin statt nur dabei: Viktor Orban, Gloria von Thurn und Taxis, Hans-Georg Maaßen, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Brexit-Einpeitscher Nigel Farage, der ehemalige französische Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour, wegen Aufrufs zu rassistischer Diskriminierung rechtskräftig verurteilt. Ein Panoptikum der feinen Gesellschaft. Land- und Kirchenadel, rechte Politik, Populisten und Rassisten, Geld und Kapital, sechshundert Kanaillen.

Der Bürgermeister des Brüsseler Stadtteils Saint-Josse, Emir Kir, indes erließ eine Anordnung, um “die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten”. Einige Teilnehmer der Konferenz verträten rassistische und homophobe Ansichten. “Unter diesen Persönlichkeiten befinden sich mehrere Teilnehmer, insbesondere aus der rechtskonservativen, religiösen Rechten und der europäischen extremen Rechten”, heißt es in seiner Erklärung. Und: “Die extreme Rechte ist nicht willkommen.“ Zur öffentlichen Sicherheit ließ er die Konferenz durch Polizeikräfte auflösen.

Der deutsche Kardinal, der seinen Auftritt noch ungehindert hatte durchführen und reden können, soll das Polizeiaufgebot mit den Worten kommentiert haben: “Das ist wie Nazi-Deutschland.“ Der Nazi-Vergleich in Purpur.

Funkstille

Wenn Fußball-Experten, so gut sie als aktiver Kicker auch immer gewesen sein mögen, neben einem Journalisten sitzend als Co-Kommentator für Fußballübertragungen ein Zubrot verdienen, trägt das leider nicht wirklich zum besseren Verständnis des Geschehens bei den Zuschauern bei. Experten neigen zumeist dazu, wortreich die Winkelzüge der Trainer und ihrer Stäbe darzulegen, die Matchpläne zu übersetzen, die Geheimnisse der Spielstrategien, der Systeme zu decodieren. Da kann sich der Kommentator, dessen eigentliche Aufgabe das alles wäre, dann nicht lumpen lassen und muß sich als ebenbürtiger und wortstarker Fußballversteher erweisen. Und schon hat man ein Gesprächsgeplänkel am Mikrophon, das nachgerade nach Funkstille schreit.

Herr und Frau Williams

Aus Versehen rechtskräftig geschieden

Herr und Frau Williams sind geschieden. Nach 21 Ehejahren. So weit, so gut. Nichts Besonderes, eigentlich. Nur: Mr. and Mrs. Williams wollten gar keine Scheidung. Aber der Mitarbeiter einer Anwaltskanzlei in London hat im vergangenen Jahr in einem Online-Scheidungsportal versehentlich die falsche Akte geöffnet und damit einen endgültigen Scheidungsbeschluss für das falsche Ehepaar erwirkt. So kann’s gehen. In England. Die Londoner Kanzlei hat den Fehler zwar noch bemerkt und die Aufhebung des Scheidungsbeschlusses gefordert. Der zuständige Richter Sir Andrew McFarlane lehnte den Antrag jedoch ab. Der Scheidungsbeschluss ist rechtskräftig. Denn es bestehe “ein starkes öffentliches Interesse daran, die Sicherheit und Endgültigkeit zu respektieren, die sich aus einem rechtskräftigen Scheidungsbeschluss ergeben, und den durch ihn geschaffenen Status quo zu erhalten”, argumentierte der Richter. So kann’s gehen. Im Rechtsstaat. Großbritannien. Digitalisierung.

Bella Retha

Claudia Neumann ist eine würdige Nachfolgerin von Béla Rethy.
Eine Bella Retha sozusagen.
Dieselbe permanent schrill aufgeregte Stimme eines Menschen unter Druck, der vor einer verschlossenen WC-Tür vergeblich Einlass begehrt.

Von Axel Hegmann, gefunden auf Facebook

„Die FDP verschwindet im Faltenwurf des Freiheitsgedankens“

Der Artikel unter diesem wahrlich malerischen Bild der Überschrift im Blog der Republik muß doch einfach gelesen werden, oder? Hans-Christian Hoffmann hat sich an der aktuellen und der zeitgeschichtlichen FDP abgearbeitet und kommt zur Schlussfolgerung, für die FDP sei „kein Rettungsanker ist in Sicht“.

Die ganze Ampel, im internen Streit verhedeert, stehe nicht wirklich strahlend da. Mit Abstand am stärksten jedoch sei die FDP in der Gunst der Wählerinnen und Wähler in Ungnade gefallen. An der Politik allein könne dieser Absturz indes nicht liegen, da sich Erfolge und Fehlschläge der Regierungsarbeit ziemlich gleichmäßig auf alle drei Parteien verteilten. SPD und Grüne aber hätten ihre Kernkompetenzen bewahren können, die FDP hingegen habe nur das ordoliberale Gedankengut im Werkzeugkasten.

Der deutsche Liberalismus habe sich seit seiner parteipolitischen Manifestierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konsequent in zwei Strömungen bewegt, in einer linksliberalen und einer nationalliberalen (neoliberalen). Mit der Gründung der FDP 1948 sei es erstmals gelungen, beiden politischen Grundorientierungen ein gemeinsames Dach zu geben. Und doch habe es lediglich mit den Freiburger Thesen von Flach und Maihofer nur einmal ein stringentes gemeinsames Programm gegeben, „wenn auch nur für kurze Zeit“.

Genscher und Lambsdorff hätten das neu gewonnene Profil nach der Vollendung der Ostpolitik ab Mitte der siebziger Jahre zielgerichtet geschliffen. Nach dem Sturz der sozialliberalen Regierung 1982 habe die FDP ihren linksliberalen Flügel inhaltlich wie personell abgestoßen. Damitsei der Versuch gescheitert, den politischen Freiheitsgedanken auch inhaltlich in nur einer Partei auszuformen. „Linksliberale und neoliberale Ideenwelten sind ganz offenbar nicht miteinander vereinbar. Sichtbar geworden ist dies durch die permanenten Auseinandersetzungen und Animositäten zwischen FDP und Grünen, die den Linksliberalismus in ihr Programm integriert haben.“

Übrig geblieben sei eine Kleinpartei mit nur einem wirklichen Thema: Leistung muss sich wieder lohnen. An diesem Kernsatz orientierten sich die permanenten Forderungen nach Steuererleichterungen und Deregulierungen in der Wirtschaft zur Gewinnmaximierung. Und: In diesem engen Rahmen könne sich ein geschlossenes gesellschaftliches Konzept nicht entwickeln.

Vor allem die SPD habe dies vor der Koalitionsentscheidung nicht erkannt und sich an alten Vorstellungen aus der Frühzeit der sozialliberalen Koalition erwärmt. „Die liberale FDP ist im Faltenwurf des Freiheitsgedankens verschwunden. Ob sie als reine Funktionspartei für die Union überlebt, wird sich bald zeigen.“ Müssen.

World Wide AI-Bullshit

The amount of AI-generated content is beginning to overwhelm the internet. Or maybe a better term is pollute. Pollute its searches, its pages, its feeds, everywhere you look. (…) Now that generative AI has dropped the cost of producing bullshit to near zero, we see clearly the future of the internet: a garbage dump.

Erik Hoel, Neurowissenschaftler und Science-Fiction-Autor, zitiert nach Newsletter: SOCIAL MEDIA WATCHBLOG: AIshittification: KI-Content flutet und vermüllt das Netz

Sozial schwach 

Sozial schwach sind nicht die Millionen Menschen in Deutschland, die von diesem Bürgergeld leben, weil sie keine Arbeit haben und keine kriegen. Sozial schwach sind auch nicht jene, die jeden Euro dreimal umdrehen müssen, weil sie mit ihren Familien vom Mindestlohn leben. Sozial schwach sind vielmehr diejenigen, die von deren Leben in der “sozialen Hängematte” reden. Sozial schwach sind die Vermögenden und ihre Lobbyisten, die so tun, als würde das Land nicht überleben, wenn sie Vermögensteuern oder angemessene Erbschaftsteuern zahlen müssten. Sozial schwach ist eine Politik, die den Hilfebedürftigen nicht die Hilfe gibt, die sie brauchen, und die nicht alles tut, um Menschen aus der Armut herauszuholen. Sozial schwach ist also derjenige, der Leute, die arm dran sind, weil sie keine Ersparnisse und sehr wenig Geld haben, als sozial schwach bezeichnet.

Friedrich Merz ist sozial schwach. Und es ist bitter, dass unter seinem Partei- und Fraktionsvorsitz auch die Sozialpolitiker der CDU von dieser Schwäche erfasst werden. Soeben hat der Europarat die deutsche Politik dafür kritisiert, dass soziale Rechte in der Bundesrepublik nicht immer als rechtsverbindliche Verpflichtung betrachtet, sondern abhängig gemacht werden von den Ressourcen. Das Merz-Konzept ist ein Beweis für diese Kritik. Das ist ungut, das ist schädlich, das verträgt sich nicht mit dem Grundgesetz (…)

In seiner eindrucksvollen Grundsatzentscheidung vom 9. Februar 2010 formulierte das höchste Gericht ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums; es zwang die Politik, die Armutsgrenze in Deutschland neu festzusetzen und die Leistungen an Arbeitslose und, dies vor allem, an deren Kinder deutlich anzuheben. Es erklärte, dass zum menschenwürdigen Existenzminimum nicht nur die Sicherung der physischen Existenz gehört, sondern auch die Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. In einem zweiten Grundsatzurteil im Jahr 2019 hat Karlsruhe Leistungsminderungen für Arbeitslose unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen – in Höhe von maximal dreißig Prozent. (…)

Einen völligen Wegfall der Leistungen, wie ihn die Merz-CDU jetzt bei sogenannten Totalverweigern fordert, hat das Bundesverfassungsgericht untersagt. In ihrem wirtschaftsliberalen Furor nimmt die Merz-Union dieses Verbot nicht zur Kenntnis. (…)

Eine feste, verlässliche Sozialpolitik betrachtet die sozialen Leistungen des Staates nicht als Almosen und nicht als Sozialgeschenk. (…)

Sie weiß: Armut ist eine Verletzung der Rechte der Menschen, die ihr ausgeliefert sind. Eine solche wissende Sozialpolitik befreit den Menschen nicht nur vom Status negativus, also vom Leben in Not, sondern ermöglicht ihm auch den Status positivus; sie versetzt ihn in die Lage, Bürger zu sein. Deswegen ist das Wort “Bürgergeld” ein gutes Wort, es ist dies ein Wort des Respekts. Es lässt Arbeitslose nicht in der Ecke der angeblich Unzulänglichen stehen, es grenzt sie nicht als angebliche Schmarotzer aus. Sozialstaat und Demokratie gehören zusammen, sie bilden eine Einheit.

Heribert Prantl, Agenda Zweitausendunddreißig, in: Süddeutsche Zeitung vom achtundzwanzigsten März Zweitausendvierundzwanzig