Monat: Mai 2010

Taumel-FDP

Nein. Ja. Womöglich. Doch nicht. Vielleicht. Keinesfalls. Doch, doch. Niemals. Eventuell. Gerne. Lieber nicht. Jein. Nein. Auf keinen Fall. Vielleicht doch. Mal sehen. Das sind – und in dieser Reihenfolge – die Antworten der nordrhein-westfälischen FDP auf das Angebot von SPD und Grünen zu Sondierungsgesprächen für eine Koalitionsbildung im Land. Am Abend will der FDP-Landesvorstand diskutieren, ob nicht doch noch ein Signal  an SPD und Grüne zu Sondierungsgesprächen ausgesandt werden soll. Gegen den Widerstand der Betonköpfe in der Fraktion um Gerhard Papke. Die FDP taumelt. Und vielleicht zerlegt sie sich gar vollends.

Tektonischer Horst

Nun also auch Horst Köhler. Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten. Ein einmaliger Vorgang  in der Geschichte des Republik. Die Kritik an seiner Afghanistan-Rede lasse, so der Ex-Präsident, “den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen.” Mit Verlaub, Herr Präsident, eine zumindest mißverständliche Rede oder eine allemal unglückselige Formulierung stehen nicht außerhalb politischer oder medialer Kritik, nur weil sie vom Bundespräsidenten stammen. Kein Präsident dieser Republik stand jemals außerhalb von Kritik. Gottlob. Jedes unserer bisher neun Staatsoberhäupter hat auch Kritik an Amtsführung oder Formulierungen ertragen müssen. Ich kann der Begründung des Präsidenten nichts abgewinnen. Vorbildlich für Politik und Gesellschaft ist sie nicht. Als hätten die Menschen im Land nicht genug Krisen, Finanzkrise, Bankenkrise, Eurokrise, Regierungskrise, kommt jetzt noch eine Präsidialkrise dazu. Weitsichtig ist Horst Köhlers Entschluß jedenfalls nicht. Unnötig, unangemessen, unbegründet. Horst, so lese ich in Wikipedia, bezeichnet in der Geologie eine Verwerfungsstruktur. In der Politik wohl auch.

Wir sind Lena!

Ein bißchen Satellite, ein bißchen Wahnsinn, ein bißchen Lippenrot, ein bißchen skuriler Englischakzent – macht ein bißchen Frieden vergessen. Wir sind Lena. “Wer am Samstag zwei Stunden lang die ESC-Beiträge der ins Finale gelangten Länder anhören musste, staunte schnell über die Erkenntnis, wie viele schlechte Lieder sich in 120 Minuten unterbringen lassen.” So die Süddeutsche. “Es soll die Leistung einer Lena nicht schmälern, aber bei ihren Mitstreitern handelte es sich in der Mehrzahl um charismafreie Zonen auf zwei Beinen, die verzweifelt versuchten, möglichst crazy zu wirken. Aus dieser Ansammlung von Verhaltensauffälligen musste eine wie Lena einfach herausstechen.” Wir sind Lena. Heute. Aber sowas geht vorbei. Gottlob. Papst sind wir ja auch schon nicht mehr. Oder Nicole.

Adieu

Ein Abschied, der wirklich schmerzt, anders als der von Roland Koch: Georg Schramm hat sich aus der “Anstalt” entlassen. Und wir alle bleiben betrübt zurück. Und nun? Rein in seine Soloprogramme. Wohin sonst?

Haderschmiede FDP

Wolfgang Kubicki, FDP-Landeschef in Schlewig-Holstein, wütet: “Das Problem der FDP heißt Birgit Homburger.” Birgit Homburger ist die FDP-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP-Justuzministerin in Berlin, warnt ihre Partei vor der “Ausschließeritis”. Wolfgang Gerhard, ehemaliger FDP-Vorsitzender, kritisiert die FDP-Parteiführung und mahnt in Richtung Westerwelle, die FDP müsse außenpolitisch wieder “stärker erkennbar” werden. Wolfgang Kubicki wiederum stänkert gegen Wolfgang Gerhard, es sei ja bekannt, daß Gerhard sich immer schon für den besseren Außenminister gehalten habe. Johannes Vogel ist arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und ruft seine Partei zu einer “gewissen Demut” auf.  Die FDP soll eigentlich regieren, entpuppt sich aber eher als Haderschmiede.

Handtuchtag

Nein, nein und nochmals nein: Kein Wort heute zu Roland Koch, keines. Keins im Zusammenhang mit dem CDU-Spendenskandal und den unerträglichen Lügen des Ministerpräsidenten, keines zu seinen ausländerfeindlichen, populistischen Wahlkämpfen, keines zur Kochschen Sparwut im Bildungsbereich. Soviele Handtücher kann man gar nicht haben, daß man seine Weste säubern könnte. Handtücher? Wieso Handtücher? Heute ist der Handtuchtag, der Towel Day. Ein Gedenktag für den britischen Autor Douglas Adams, genialer Autor des genialen Buches “Per Anhalter durch die Galaxis”. In diesem werden Handtücher als ungemein praktisch beschrieben: “Ein Handtuch ist so ungefähr das Nützlichste, was der interstellare Anhalter besitzen kann. Einmal ist es von großem praktischem Wert – man kann sich zum Wärmen darin einwickeln (…); man kann an den leuchtenden Marmorsandstränden von Santraginus V darauf liegen, wenn man die berauschenden Dämpfe des Meeres einatmet; man kann unter den so rot glühenden Sternen in den Wüsten von Kakrafoon darunter schlafen; man kann es als Segel an einem Minifloß verwenden (…) und nass ist es eine ausgezeichnete Nahkampfwaffe; man kann es sich vors Gesicht binden, um sich gegen schädliche Gase zu schützen oder dem Blick des Gefräßigen Plapperkäfers von Traal zu entgehen (ein zum Verrücktwerden dämliches Vieh, es nimmt an, wenn du es nicht siehst, kann es dich auch nicht sehen – bescheuert wie eine Bürste, aber sehr, sehr gefräßig); bei Gefahr kann man sein Handtuch als Notsignal schwenken und sich natürlich damit abtrocknen, wenn es dann noch sauber genug ist. (…) Ein Mann, der kreuz und quer durch die Galaxis trampt, ein hartes Leben führt, in die dreckigsten Winkel kommt, gegen schreckliche Übermächte kämpft, sich schließlich an sein Ziel durchschlägt und trotzdem noch weiß, wo sein Handtuch ist,  (muß) eben ein Mann sein, auf den man sich verlassen kann.” Das ist es eben. Wo ist das Riesenhandtuch, mit dem R.K. sich seine Weste säubern könnte?

Schon wieder große Koalition?

“Wir sind mit 11 Abgeordneten im Parlament. Wir sprechen für die Mehrheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen.” Der STERN zitiert diesen “grotesken” Satz des Sprechers der Linken in NRW, Wolfgang Zimmermann. Auch für die Linken: Beinahe bilden jene Menschen die Mehrheit im Land, die nicht gewählt haben. Gemeinsam mit denen, die mit zusammengebissenen Zähnen irgendeine der Parteien gewählt haben, sich aber nicht wirklich vertreten fühlen, dürften sie bei weitem die Mehrheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen stellen. Und nur noch einmal zu Erinnerung: Gemessen an allen Wahlberechtigten im Land repräsentieren die elf Abgeordneten der Linken lediglich 3,3 Prozent der Bürger, als 46,8% weniger als die Mehrheit. Der Satz Wolfgang Zimmermanns richtet sich nur gegen seinen Sprecher. Wie oft habe ich die Phrase von der “staatspolitischen Verantwortung” in den Tagen seit der Landtagswahl hören oder lesen müssen. Nun hat sich mit der Partei der Linken nach der FDP die zweite Partei aus der Verantwortung für das Gemeinwohl gestohlen. Die eine, weil man mit der Linken nicht einmal sprechen dürfe, obwohl deren Abgeordneten wie alle anderen auch zuvörderst den Menschen im Land und ihrem Wohl verpflichtet sind. Und nicht in erster Linie der eigenen Partei. Auch für die FDP noch einmal die wahren Zahlen: 3,9 Prozent aller Wahlberechtigten haben die FDP gewählt. Und die Abgeordneten der zweiten Partei haben sich verkrümelt, weil sie nicht imstande waren, eine Erklärung zu unterschreiben, der der Landesverband der Linken in Thüringen im Jahr 2009 zustimmen konnte. Zwar bin ich, wie viele andere auch, durchaus der Meinung, daß Kern der Politik in und für Nordrhein-Westfalen vor allem Bildungspolitik, Forschung, Hochschule, Arbeitsplätze und Sicherung der Kommunalfinanzen sind und nicht die Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Genau deswegen kann ich andererseits nicht verstehen, warum sich die Linken so schwer damit tun, die vorgelegte Erklärung ebenfalls zu unterzeichnen. Wer schon über diese Hürde nicht springt und damit dem Verdacht mangelnder politischer Verantwortung und Identifikation mit dem eigenen Land nicht entgeht, der wird Landespolitik in Nordrhein-Westfalen in Zeiten von Finanz- und Eurokrise sowie klammen Kassen nur als Ansammlung lauter unüberwindbarer Barrieren begreifen können. Ich hätte gegen eine rot-rot-grüne Koalition an sich wenig einzuwenden gehabt. Vor allem nicht nach dem demokratiepolitischen Desaster mit der FDP. Wenn die Abgeordneten der Linken indes nicht kalt und professionell mit Hürden umzugehen verstehen, die eigens für sie entwickelt worden sind, was sie ja wußten und wissen, dürften sie mit den Problemen des Landes und seinen gewaltigeren Hürden auch kaum fertig werden. Also, leider: nicht-regierungsfähig. Kurzum: FDP und Linke haben sich selbst aus dem Kreis verantwortungsvoll handelnder Parteien herausgekegelt. Was bleibt? Die große Koalition. Mit Verlaub, auch an diese Möglichkeit will ich nicht so recht glauben. Macht es wirklich Sinn, einer abgewirtschafteten CDU erneut in den Sattel zu helfen? Einer CDU, die vor allem nach der Wahl weiter an Ansehen und Reputation in Bevölkerung verliert. Einer CDU, die nicht führt, sondern taumelt. Einer CDU, die eben kein klares Wirtschaftskonzept hat und sich kaum aus den Fängen neoliberaler Ideologen zu befreien weiß. Einer CDU, die allenfalls als Haderschmiede erfolgreich ist. Was bleibt? Neuwahlen. Man wird nicht so lange wählen können, bis der politischen Elite das Wahlergebnis einigermaßen in den Kram paßt. Und: Ich befürchte, daß die Parteienverdrossenheit weiter zunehmen wird und sich noch weniger Menschen an die Urne bitten lassen werden. Andererseits: Nunmehr weiß man, welche Spielchen einige der Parteien betreiben, die am Scherbenhaufen der Regierungsbildung beteiligt waren, die FDP vor allem. Womöglich hätten wir nach Neuwahlen ja kein Fünf-Fraktionen-Parlament mehr, wer weiß das schon? Nach dem heute veröffentlichten Politibarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF jedenfalls fällt die FDP schon mal auf ein Stimmungstief von drei Prozent. Schwarz-gelb käme demnach, wären am kommenden Sonntag Bundestagswahlen, nur noch auf 42 Prozent. Die Mehrheit im Parlament stellten demnach SPD, Grüne und Linke. “Ein gutes Ding ausgekostet zu haben und nicht die Hoffnung zu hegen, ein noch besseres zu finden, das ist unvernünftig.” (Henry de Montherlant)