Monat: August 2017

Kuhleasing

Kuhleasing? Nein, nein, es ist nicht der erste April heute am neunundzwanzigsten August. Kuhleasing gibt es wirklich. „Sie suchen ein originelles Geschenk zum Geburtstag, zur Pensionierung, zur Hochzeit oder einfach so? Wieso schenken sie nicht eine Kuh für einen Sommer oder für einen Monat auf einer unserer Partneralpen. Nehmen sie Kontakt mit mir auf …“ undsoweiter. Hier nachzulesen. Kuhleasing, eine Geschäftsidee aus der geschäftstüchtigen Schweiz. Für den Menschen, der auch ansonsten problembefreit leben darf. Sie suchen ein originelles Geschenk zum Geburtstag, zur Pensionierung, zur Hochzeit oder einfach so? Wieso schenken sie nicht einen Flüchtling oder einen anderen Menschen in Not für einen Sommer oder für einen Monat oder eine andere Zeitspanne in einer unserer städtischen Behausungen oder an jedem anderen Platz hierzulande? Notleasing. Nehmen Sie Kontakt auf zu den Flüchtlingsinitiativen, zu sozialen Einrichtungen, zu Hilfsorganisationen. Dort wird man Ihnen Menschen in Not vermitteln können, deren Anblick und Nähe Ihnen in Ihrem normalen Privat- oder Arbeitsleben erspart bleibt.

Entsorgen

Entsorgen, sagt der Duden, sei ein schwaches Verb. Und seine Bedeutung sei beseitigen, Müll und Abfall vor allem. Wer öffentlich bekundet, Menschen, die anderer Auffassung seien, sollten „entsorgt“, also wie Müll oder Abfall beseitigt werden, der spricht die Sprache der Unmenschen. Das schwache Verb unterscheidet sich vom starken durch seine Beugung. Nicht durch seine Bedeutung oder seinen Gebrauch. Alexander Gauland, Reichsführer und Spitzenkandidat der AfD, will die Integrationsbeauftragte der deutschen Bundesregierung in Anatolien „entsorgen“ lassen, wie allenthalben in der Presse zu lesen war. Weil er mit ihrem Kulturbegriff nicht einverstanden ist. Entsorgen. Das ist zwar kein starkes Verb, aber starker Tobak. Denn Gauland entmenschlicht mit dieser Formulierung die angegriffene Person. Dieser Gebrauch des Wortes „entsorgen“ paßte in das “Wörterbuch des Unmenschen”, mit dem seinerzeit der konservative Politikwissenschaftler Dolf Sternberger den Einfluss des Nationalsozialismus auf die deutsche Sprache beschrieben hatte. In Deutschland sind Menschen schon einmal wie Dreck und Abfall „entsorgt“ worden, vernichtet in den Konzentrationslagern, Gefängnissen und Gaskammern während des Faschismus. Weil deren Auffassungen, Herkunft, Religion und Überzeugungen den Machthabern nicht paßten. Gauland hat sich in eine üble Traditionslinie gestellt. Er ist kein bürgerlich-konservativer Politiker (mehr), als der er sich gerne ausgibt. Er steht vollends in der Tradition rechter Hetzer, in einer Reihe mit üblen Rassisten. Sein Statement ist auch keine Entgleisung, selbst wenn Gauland zwischenzeitlich versucht hat, ein wenig zurückzurudern. Das ist die vor Wahlen alltäglich werdende Provokation, für Aufsehen, Aufmerksamkeit, Medienpräsenz. Ein mieses Spiel. Zum Kotzen.

Plakatkunst

Wenn die schlichte Alliteration, ein rhetorisches Schmuckelement, bei dem benachbarte Wörter den gleichen Anlaut aufweisen, frank und frei beispielsweise, wenn dieses Stilmittel also gehäuft auf Plakaten erscheint – dann ist wieder Wahlkampf im Land. „Mut statt Mutti“ heißt es dann von Laternenpfählen herab oder, noch blöder, „Klug statt krass“. Verantwortlich für diesen sprachlichen und politischen Unsinn sind die Freien Wähler, in Wermelskirchen also die WNK UWG. Noch ein Kostpröbchen gefällig? „Dafür statt dagegen“. Plakatkunst geht gewiß anders, politische Kunst allemal. Ein ähnlich doofes Plakat habe ich neulich in Köln sehen dürfen. Von der MLPD. Die ist zwar in Wermelskirchen nicht vertreten, aber zur Landtagswahl hat diese Truppe die Stadt schon einmal mit Plakaten geflutet. „Für echten Sozialismus“ haben die Marxisten-Leninisten in der großen Stadt als Forderung an den Laternenpfahl gehängt. Als ob für oder gegen Sozialismus bei einer Bundestagswahl entschieden würde. Und wie man echten von falschem Sozialismus zu unterscheiden vermag, haben die Wahlkämpfer noch nicht auf ein Plakat drucken lassen. Plakatkunst? Möge das alles bald vorbei sein.

Norbert

Mein Freund Norbert ist gestorben. Im April schon. Und gestern erst habe ich davon erfahren. Norbert hatte verfügt, daß er keine Trauerfeier wolle, keinen Versand von Sterbeanzeigen, kein Grab, keinen Gedenkstein. Seine Asche sollte verstreut werden. Fünfzig Jahre lang waren wir verbunden. Kennengelernt habe ich ihn als Sechzehnjähriger. Eine Partei und die Arbeit für diese Partei hatten uns zusammengeführt. Ein aufrechter Demokrat, ein Streiter für Gerechtigkeit, ein Kämpfer für eine bessere Gesellschaft, unerschrocken, beharrlich. Das waren viele damals. Norbert aber war auch ein Freund. Ein unbedingter Freund. Und er blieb ein Freund, auch und vor allem, als sich unsere politischen Wege trennten. Freundschaft war ihm immer Loyalität, unumstößliche Loyalität. Wir haben gestritten, politisch, aber wir blieben die ganzen Jahre verbunden, persönlich, als Freunde. Respekt vor dem anderen, Achtung für die andere Meinung, Lust an der Debatte, Neugier, warme und grenzenlose Menschlichkeit. Das war Norbert. Und Standfestigkeit. Er hat seine Partei nicht verlassen. Auch, als sie ihm fremder wurde, unverständlicher, schräger. Mitunter hatten wir uns lange nicht getroffen, Monate lang nicht gesehen. Aber dann wars, als wären wir gestern erst auseinander gegangen. Immer. Mit einem Lachen begrüßt, mit einem Lachen verabschiedet. Norbert, ich vermisse Dich.

“Genug ist genug”

Irgendwann ist es genug. Sollte es noch eines Beweises bedurft haben, dass Donald Trump dem Amt des Präsidenten der USA nicht gewachsen ist, dann hat ihn der 71-Jährige am Dienstag geliefert. (…) Bei dem Auftritt vor den goldenen Aufzugtüren in seinem heimischen Trump-Tower wurde ganz deutlich: Der Präsident hat seine verharmlosenden Äußerungen zur rechten Gewalt vom Golfplatz in Bedminster genauso gemeint. (…) Nun ist Trump wieder Trump. Ein ignoranter Prolet, der argumentiert, dass unter hakenkreuzschwingenden Neo-Nazis mit Fackeln und antisemitischen Parolen auch nette, friedliebende Menschen weilen. Schlimmer noch: Indirekt legt er nahe, dass die linken Gegendemonstranten eigentlich ein bisschen Mitschuld am Tod der 32-jährigen Heather Heyer tragen, die von einem fanatischen Neo-Nazi mit dem Auto getötet wurde. (…) Eine solche Relativierung von rhetorischer Brandstiftung und fanatischer Gewalt ist unerträglich. Sie zeigt, dass Trump jeglicher moralischer Kompass und die charakterliche Eignung fehlt, ein Land wie die USA zu führen. (…) Der Mann ist besessen von sich selbst und unfähig zur menschlichen Anteilnahme, er hat sich nicht unter Kontrolle, er sprengt die amerikanische Gesellschaft – und möglicherweise nicht nur die: er besitzt den Atomkoffer. Donald Trump müsste dringend seines Amtes enthoben werden. Das wissen auch viele Republikaner. Trotzdem sagen es nur wenige offen. Man kann das Taktik nennen. Oder Opportunismus. Tatsächlich muss man der Grand Old Party mit ihren hehren konservativen Idealen etwas anderes bescheinigen, wenn sie die Dinge weiter treiben lässt: moralische Verkommenheit.

Karl Doemens, Genug ist genug – US-Präsident Trump ist seinem Amt nicht gewachsen, in: Kölner Stadt-Anzeiger vom sechzehnten August Zweitausendundsiebzehn, 

Trump

Trump macht das nicht mal aus Überzeugung. Er ist kein überzeugter Nazi. (…) Er ist impulsiv, gefühlsgesteuert und vor allem dominiert von seinem übergroßen, fragilen Ego. Er ändert seine geäußerten Überzeugungen so schnell, wie sein Publikum es von ihm verlangt. (…) Er ist durchaus aufrichtiger Rassist, Sexist und Klassizist. (…) Er glaubt an die Überlegenheit des reichen, weißen Mannes, weil er eben einer ist. Sein Rassismus ist kein Produkt einer Gedankenwelt, sondern eher der Abwesenheit einer solchen. Er ist kein Männerrechtler, er brennt nicht für seinen Sexismus, er hat ihn einfach. (…) Er muss kein strammer Nazi sein, um strammen Nazis die Tür zu öffnen.

Marina Weisband, TRUMP MUSS KEIN NAZI SEIN, UND DAS IST DER PUNKT, in: http://marinaweisband.de am sechzehnten August Zweitausendsiebzehn

Verrottet

Das Bild dieser jungen Frau geht gerade um die Welt. Es ist das Bild von Heather Heyer. Sie wurde gestern in Charlottesville ermordet. Von einem zwanzigjährigen amerikanischen Nazi aus der Kleinstadt Maumee in Ohio, der mit seinem Wagen mit hoher Geschwindigkeit in eine Gruppe abziehender Gegendemonstranten fuhr, nachdem die Demonstrationen vom Bürgermeister und der Nationalgarde aufgehoben worden waren. James Alex F., so der Name des Terroristen, kämpft für White Supremacy, für die Vorherrschaft der Weißen. Bei Facebook teilte er Bilder von Hakenkreuzen und Adolf Hitler als Baby. Er war dabei gestern als der Nazi-Mob aus dem ganzen Land in Charlottesville  Sieg Heil brüllte, Heil Trump, die Fäuste fliegen ließ und ihre Führer dem ganzen Land den Krieg erklärten. Wie verrottet, moralisch und politisch, muß eine Gesellschaft eigentlich sein, damit es zu solch einem Gewaltexzess kommt? Wie verrottet ist eigentlich der Präsident des Landes, der angesichts der Eindeutigkeit dessen, was in Charlottesville geschehen ist, von Gewalt auf vielen Seiten bramarbasiert? Wie verrottet ist eigentlich die politische Rechte hierzulande, die zu diesem terroristischen Gewaltakt von Rechtsradikalen nicht eine Silbe verlauten läßt?