Schlagwort: Schule

Schule und Lehrer

Schule muss das schönste Gebäude in der Stadt sein. Da muß man Lust haben, hineinzugehen. Sie muss ein Ort der großen Freiheit sein. (…) Erst haben wir die Arbeitsbedingungen für Lehrer mies gemacht, dann wurden sie gesellschaftlich als faule Säcke gemobbt, und jetzt wundern wir uns, dass junge Leute diesen Beruf nicht mehr ausüben wollen. Mehr Wertschätzung für Lehrer wäre dringend nötig.

(Ranga Yogeshwar im Wermelskirchener General-Anzeiger am sechsten Januar Zweitausendundvierzehn)

Scheuklapprig

Den Hauptschulen mangelt es an neuen Schülern. Gesamtschulen sind dagegen besonders gefragt und können sich vor Neuanmeldungen kaum retten. Höchste Zeit also, die Schulstruktur anzupassen. Die rot-grüne Landesregierung will bekanntlich die Gemeinschaftsschule einführen, die schwarz-gelbe Opposition dagegen eine Bestandsgarantie für Gymnasien, Real- und Hauptschulen. CDU und FDP aber können ihre Position nicht mehr halten angesichts der Abstimmung der Eltern mit den Anmeldeformularen. Es wäre also hohe Zeit, ein parteiübergreifendes Gespräch über die künftige Schulstruktur in Nordrhein-Westfalen zu führen. Die Landesregierung hatte zu einem solchen Konsensgespräch für kommenden Freitag eingeladen. Ein Schulfrieden schien in Sichtweite zu sein. Bis heute morgen. Da hatte nämlich der neue CDU-Vorsitzende im Land, Norbert Röttgen, die Teilnahme der CDU abgesagt. Mit einer Begründung, die an Scheuklapprigkeit kaum zu überbieten ist. Solange an den Konsensgesprächen im Landtag auch die gewählten Vertreter der Linken teilnähmen, könne und wolle die CDU Gespräche über einen Schulfrieden mit SPD und Grünen nicht führen. Und selbst zu parallelen Gesprächen von SPD und Grünen mit Vertretern der CDU finden sich die Christdemokraten nicht bereit. Es geht der CDU nicht um die Zukunft der Schulen im Land, um neue Schulformen, um die Bildung der Kinder. Es geht ihr  um, ja, um was kann es der CDU gehen? Um Machtpositionen? Kann man mit einer solch verblendeten ideologischen Position wirklich Machtpositionen sichern? Wie lange will denn die CDU Gespräche mit Abgeordneten verweigern, die von den Wählern in einem demokratischen Akt gewählt worden sind? Man muß die Abgeordneten der Linken nicht mögen. Man kann sie bekämpfen. Aber man kann ihnen die demokratische Legitimität nicht absprechen. Solange sie als freigewählte Abgeordnete die Geschicke des Landes im Landtag mit zu bestimmen haben, wird man parteiübergreifende Konsensgespräche nicht ohne sie führen können, mehr noch: dürfen. Ein Kulturkampf auf dem Rücken von Schülern und Eltern wird der CDU auch nicht aus der Phase der Orientierungslosigkeit helfen. Mit den ideologischen Schlachten der Vergangenheit ist die Zukunft nicht zu gewinnen. An der Basis der CDU stößt die Position der christlichen Landesfürsten mehr und mehr auf  Unverständnis. Denn in den Kommunen muß die Lage der Schulen konkret geregelt werden. Was tun mit Hauptschulen, die immer weniger nachgefragt werden? Ideologische Enge ist im übrigen eine der Ursachen für den Vertrauens- und Bedeutungsverlust der Parteien. Wenn ideologische Scheuklapprigkeit noch gepaart wird mit einem Mangel an praktischen und konstruktiven Lösungsvorschlägen, kann dies nur als vollständige Politikunfähigkeit begriffen werden. Kein Wunder, daß sich die Bürger mit Grausen abwenden.

G 8

Mein Freund Franz ist Vater von Zwillingen. Beide Töchter gehen in die sechste Klasse eines Kölner Gymnasiums. Am Samstag wollten beide Kinder eine alte Freundin besuchen, die sie länger schon nicht gesehen hatten. Franz sollte sie fahren. So weit, so normal. Allerdings machen die beiden Mädchen das berüchtigte G8-Abitur. Abitur in acht gymnasialen Schuljahren. Die Folge: Am Samstag Vormittag mußte eine der beiden Töchter noch Hausaufgaben machen, Mathematik. Und das dauerte. Dauerte so lange, daß Franz schließlich nur eine Tochter zur Freundin fuhr. Die andere hatte fast den kompletten Samstag über mit den Schulaufgaben zu tun. Bis nach fünf Uhr nachmittags. Da sage mir noch einer, die Schulen seien auf das G8-Abitur gut vorbereitet. Wenn zwölfjährige Kinder den kompletten Samstag für die Schule arbeiten müssen, um den Leistungsstand zu erreichen oder zu wahren, ist was faul in den Schulen des Landes der Dichter und Denker.

Little Rock Nine

Fast vergessene Geschichte: Vier Jahre vor der Geburt des amtierenden amerikanischen Präsidenten, gestern vor 52 Jahren unternahmen neun afroamerikanische Schülerinnen und Schüler den zweiten Versuch, am Unterricht der Central Highschool in Little Rock, Arkansas, teilzunehmen, nachdem sie am noch 3. September von Soldaten am Zugang zur Schule gehindert worden waren.

Die New York Times schrieb zu den Ereignissen: “Ein Mob von kriegerischen, kreischenden und hysterischen Demonstranten zwang heute neun schwarze Schüler, die Central High zu verlassen. Obwohl eine große Anzahl lokaler und staatlicher Polizei da war, um die Schwarzen vor Angriffen zu schützen, gab die Amtsgewalt angesichts der Raserei der ungefähr 1.000 weißen Demonstranten nach. Sie befahl den schwarzen Schülern gegen Mittag, die Schule zu verlassen. Der Integrationsversuch hatte 13 Minuten gedauert. Die Schwarzen wurden von der Polizei durch den Mob geführt und nach Hause gebracht, ohne dass sie verletzt wurden.”

Am Abend des 23. September hielt der damalige Präsident Dwight D. Eisenhower im Fernsehen eine Rede an die Nation: “Wie Sie wissen, hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten entschieden, dass die Gesetze über die Rassentrennung an den Schulen nicht verfassungsgemäß sind. (…) Die Basis unserer individuellen Rechte und Freiheiten beruht auf der Sicherheit, dass der Präsident und die Exekutive die Beschlüsse des Obersten Gerichtshofes unterstützen und durchsetzen, wenn nötig mit allen Mitteln, die dem Präsidenten zur Verfügung stehen.”

Am 24. September, heute vor 52 Jahren, stellte Eisenhower sämtliche Polizei- und Armeeeinheiten von Arkansas unter Bundeskommando und entsandte eine reguläre Bundestruppe nach Little Rock. Die Soldaten bewachten die Schule und beendeten alle Demonstrationen. Alle neun Schüler erhielten eine Leibwache, die sie ins Klassenzimmer begleitete und dann vor der Tür Stellung bezog. Nur so konnten die neun Schüler am 25. September den ersten vollen Schultag an ihrer Highschool absolvieren.

Es kam aber weiterhin zu Anfeindungen und Ausgrenzungen gegenüber den neun Schülern. Acht der neun Schüler beendeten das Schuljahr, drei machten damals auf der Central High ihren Abschluss.

Es ist noch nicht sehr lange her, daß Menschenrechte in den USA mit der Gewalt von Soldaten gegen einen weißen Rassistenmob durchgesetzt werden mußten.

Im Land der Dichter und Denker

Heute ist wieder Welt-Alphabetisierungstag. Wie in jedem Jahr wird heute die Zahl von vier Millionen Menschen publiziert, die in Deutschland als Analphabeten gelten müssen. Weil sie einfachsten schriftsprachlichen Anforderungen ausweichen müssen. Etwa den Beipackzettel eines Medikaments nicht erfassen, ein Rezept nicht lesen können, einen Fahrplan nicht verstehen. Die Kulturnation Deutschland, das Land der Dichter und Denker, leistet sich Millionen Menschen, die sich verstecken (müssen), weil sie in der Schule scheiterten, weil sie nicht gefördert wurden. Und halst sie den Volkshochschulen auf, der einzig nennenswerten Einrichtung, die sich bemüht, ein flächendeckendes Angebot für Menschen vorzuhalten, die der Schriftsprache nicht in ausreichendem Maße mächtig sind. Ein permanenter Bildungsskandal.