Schlagwort: Klaus Kinski

Erdbeermund

Literarische Inschrift an einer Häuserwand in Kornelimünster, gefunden bei einem Fahrradausflug mit meinem Freund Lothar. Na klar, Villon, François Villon. Denkste. Paul Zech war es, der die Liebesballade für Yssabeau schrieb, das Mädchen mit dem Erdbeermund. Erschienen ist das Werk in Zechs Büchlein Die lasterhaften Lieder und Balladen des François Villon (Weimar 1931 bzw. München: dtv, 1962 und öfter). Keine Villon-Übertragung. Frei nachgedichtet. Im Stile Villons. Und so gut wie der.

Du… Du… ich bin so wild nach deinem Erdbeermund, ich schrie mir schon die Lungen wund nach deinem weißen Leib, du Weib.
Im Klee, da hat der Mai ein Bett gemacht, da blüht ein süßer Zeitvertreib mit deinem Leib die lange Nacht.
Da will ich sein im tiefen Tal.
Dein Nachtgebet und auch dein Sterngemahl.

Im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar, da schlief ich manchen Sommer lang bei dir und schlief doch nie zu viel.
Komm… Komm… komm her… ich weiß ein schönes Spiel im dunklen Tal, im Muschelgrund…
Ah… ah… ah du… ah du… du ach, ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!
Ah… ah… ah… ah… ah… ah… aah…

Die graue Welt macht keine Freude mehr, ich gab den schönsten Sommer her, und dir hat’s auch kein Glück gebracht;
nicht wahr, hast nur den roten Mund noch aufgespart, für mich, für mich, für mich, so tief im Haar verwahrt…
Ich such ihn schon die lange Nacht im Wintertal, im Aschengrund…
Ich bin so wild nach deinem Erdbeeermund.

Im Wintertal, im schwarzen Erdbeerkraut, da hat der Schnee ein Nest gebaut und fragt nicht, wo die Liebe sei.
Ich hab doch das rote Tier so tief erfahren, als ich bei dir schlief.
Ach, oh wär nur der Winter erst vorebi und wieder grün der Wiesengrund!
Oh du… du oh… du, ich bin so wild nach deinem Erdbeermund! Oh…

Geht unter die Menschen und sagt, es ist Zeit.

„Es ist nichts verborgen, was nicht sichtbar werden wird. Wenn ihr nur die liebt, die Euch lieben, was tut Ihr da Besonderes? Nein, tut Gutes allen. Gebt, ohne etwas zurückzuhoffen.“ Wenn Rolle und Mime zusammenfallen und das Publikum aus der Rolle fällt, wenn der Mime ausfallend wird und das Publikum nicht hören und sehen will, sondern reden und stören und eine, seine Rolle spielen, dann ist die Zeitmaschine im Jahre Neunzehnhunderteinundsiebzig gelandet am zwanzigsten November in München. Bei Klaus Kinski. Bei Jesus Christus Erlöser. Gesucht wird Jesus Christus. Wenn Kinski zu Jesus wird, werden will, aber pöbelt, grob und hilflos, und das Publikum die Pharisäer gibt und ebenfalls pöbelt, in revolutionärer Vermummung, bleibt Kinskis Bitte. Oder doch Jesus’ Flehen? „Mein Gott, verlaß mich nicht.“ Eifer und Langmut und Geduld werden belohnt. Wenn man bis zum Ende durchhält. Klaus Kinski und sein Jesus, das ist mehr als nur eine Zeitreise. Sie sind auch eine Offenbarung.

Seid was ihr wollt

Wortgewalt, mittelalterliche, trifft Stimmkraft, neuzeitliche. Francois Villon, Dichter, Gauner, Student, gelesen von Klaus Kinski, Mime und Irrsinniger. Seid was ihr wollt …

Seid was ihr wollt: Soldaten, Schuster, Opernsänger,
Produktenhändler oder auch nur Hundefänger,
ob ihr verlaust seid oder an der Börse spekuliert
mit Haifischflossen, Affenschitt und Kaffeebohnen,
ob sich die graden oder mehr die krummen Wege lohnen;
nur wo ihr euer Geld verliert,
bei Weibern, Wein und Kartenspiel,
da wiegt ihr allesamt nicht viel.

Stopft euch den Bauch mit Kaviar und Pfauenzungen
und qualmt solange, bis aus den zerfressnen Lungen
die Schwindsucht grinsend in die Landschaft stiert,
seid Meister auf der Kegelbahn, sammelt Autographen,
wählt Reichstag und euch selber zu den Oberschafen;
nur wo ihr euer Geld verliert,
bei Weibern, Wein und Kartenspiel,
da wiegt ihr allesamt nicht viel.

Von solchem Übel kann euch nur der Dalles retten,
denn wer nichts hat, sein Haupt darauf zu betten,
kein Haus und auch kein Kleid, wenns ihn im Winter friert;
der fühlt, wie schwer die armen Knochen wiegen,
wenn sie verfault bei Aas und Maden liegen,
und denkt: wer jetzt die Lust verliert,
der wog bei Weibern, Wein und Kartenspiel
nicht einen Pappenstiel.