Die feine Klinge, das Florett, sollte die Waffe der Politik sein und der Politiker. Nicht der Holzhammer oder gar der Baseballschläger. “Die Linken werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Die SED-Nachfolgepartei im größten Bundesland in der Regierung – das ist doch furchtbar.” Dieser Satz, finde ich, ist die Mischung von Holzhammer und Baseballschläger. Die Linke ist auch die Nachfolgepartei der SED, mehrfach geändert und verstümmelt. Und sie wird dies für geraume Zeit auch bleiben. Aber: Die Linke ist auch die Nachfolgepartei der WASG. Schon vergessen? Und die WASG ist eine Westgründung ohne jegliche Verbindung zur SED. Die NRW-Linken dürften nur wenige Ex-SEDler in ihren Reihen versammelt haben. Mitglieder der Linken sind aber auch Gewerkschafter, ehemalige Sozialdemokraten, sogar enttäuschte Mitglieder anderer Parteien, selbst der bürgerlichen. Auch Sektierer sind in dieser Partei, Idioten, Soziopathen. Wie in anderen Parteien auch. Parteien sammeln mitunter eben auch unter den Kranken der Gesellschaft ein, unter den Geltungsbedürftigen, den Karrieresüchtigen, den Egomanen, den Belasteten. Und keineswegs nur die linken Parteien. Die FDP beispielsweise war mal, in den Fünfzigern des vergangenen Jahrhunderts, eine Partei, die auch denen eine Heimat gab, die ansonsten keine finden konnten, Deutschnationalen, Nazis ohne Persilschein. Sollen wir heute darüber noch diskutieren? Bleibt die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Nur: Das ist doch eine politische Entscheidung. Je nach Couleur des Innenministers wird entschieden, ob eine Partei beobachtet wird oder nicht. Zudem: Selbst Gewerkschaften sind schon bespitzelt worden, die Deutschen Jungdemokraten, der sozialdemokratische Hochschulbund. Man mag die Linken mögen, man mag sie verdammen. Eins aber wird nicht mehr gelingen: Man wird sie nicht mehr aus der Realität der bundesdeutschen Parlamente wegträumen können. Der Wähler hat sie gewählt, die Politiker müssen jetzt lernen, mit ihnen umzugehen. Kämpft mit ihnen, diskutiert mit ihnen, entzaubert sie, bindet sie ein, laßt sie Verantwortung tragen, was auch immer. Sie ignorieren hieße, den Souverän zu ignorieren und sein Votum. Warum schreibe ich das alles? Weil mich heute Morgen ein Satz in der Bergischen Morgenpost stutzig gemacht hat. Der Fraktionschef der SPD in Wermelskirchen wird dort mit dem Satz zitiert, er werde die “Linkspartei nicht verteufeln”. Und dieser Satz wiederum habe Bürgermeister Eric Weik fast die Sprache verschlagen. Es folgt der eingangs zitierte Satz: “Die Linken werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Die SED-Nachfolgepartei im größten Bundesland in der Regierung – das ist doch furchtbar.” Wer die Linken nicht in der Regierung sehen möchte, kann und darf sich Gesprächen mit SPD und Grünen nicht entziehen. Das geht, natürlich, an die Adresse der liberalen Partei und ihrer Funktionsträger. Das Schneckenhaus ist kein geeigneter Ort für kluge und weitsichtige Politik. Und Rote-Socken-Argumente sind dumm und von gestern. Der Wähler von heute ist klüger. Also weg mit dem Baseballschläger.
Schlagwort: Jochen Bilstein
Reetz: Rückzug nach Demontage
Christel Reetz, bislang stellvertretende Bürgermeisterin in Wermelskirchen, zieht sich nach den von der SPD-Fraktion im Stadtrat verursachten Querelen zurück von ihrem Amt. Sie nahm, wie die beiden lokalen Zeitungen übereinstimmend berichten, nicht einmal mehr an der konstituierenden Sitzung der Fraktion teil, sondern ließ ihre Erklärung verlesen. “Ich bitte insbesondere diejenigen um Verständnis”, zitiert der Wermelskirchener Generalanzeiger die Erklärung von Christel Reetz, “die mich zum ‘Durchhalten’ ermutigt hatten.” Christel Reetz hätte wohl für eine Fortsetzung ihrer Tätigkeit als stellvertretende Bürgermeisterin zur Verfügung gestanden. Die Demontage einer verdienten Sozialdemokratin und der Verlust einer keineswegs unwichtigen öffentlichen Funktion, das ist nun das Ergebnis einer verheerenden Kommunikation, wie sie von der Fraktion der SPD öffentlich geführt worden ist. Zunächst wurde ins Feld geführt, man wolle sich nur noch an der Sachpolitik orientieren und keine Listenverbindungen mehr mit anderen Parteien eingehen. Danach sprach der Fraktionsvorsitzende davon, daß das Amt des stellvertretenden Bürgermeisters doch eher der größeren CDU-Fraktion zustehe und man nicht als Knüppel gegen die CDU wirken wolle. Und jetzt? Jetzt wird im Nachgang Jochen Bilstein mit der Überlegung zitiert, man habe Christel Reetz “seitens der SPD-Fraktion und nicht auf der Liste der ‘Regenbogenfraktionen’ in der Sitzung des Rates am kommenden Montag zur Wahl” vorschlagen wollen. Interessant. Christel Reetz als Kandidatin auf einer eigenen Liste der SPD. Warum nicht schon früher? Hinter uns liegen zwei Wochen, in denen die SPD öffentlich ein Lehrstück für mißratenen Umgang mit eigenen Genossen, falsche Antworten auf politische Angebote anderer Parteien und eine vollkommen mißlungene Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit dargeboten hat. Mal wieder. Leider.
Unterstützung für Christel Reetz
Die Bergische Morgenpost hat die Bürger Wermelskirchens nach ihrer Meinung zur stellvertetenden Bürgermeisterin Christel Reetz gefragt. Ergebnis: ” ‘Alle’ wollen Christel Reetz wieder zur ersten stellvertretenden Bürgermeisterin haben. Bis in die späten Abendstunden gingen bei der Bergischen Morgenpost (…) Unterstützer-E-Mails ein. Der Tenor: Sympathieadressen an Christel Reetz und Unverständnis über die SPD.” Das Eigentor der örtlichen SPD wird immer peinlicher. Da hat eine Partei eine beliebte Politikerin, verwehrt ihr aber die Fortführung ihres bisherigen Amtes. Ohne jede nachvollziehbare Begründung. Ein Leser bescheinigt der beliebten SPD-Politikerin, “sie habe jahrelange Ratserfahrung (und) sei im Parteiengezänk der vergangenen Jahre stets neutral geblieben.” Und: Ihre Mitgliedschaft in der SPD störe keineswegs. Im Gegensatz zu allen Mitgliedern der streitbefangenen Fraktionen CDU und FDP. SPD-Fraktionsvorsitzender Jochen Bilstein sehe aus “aus falscher Treue zu den Krakeelern der CDU nicht, dass durch Frau Reetz ein positives Licht auf die SPD fallen könnte. Das übersieht dieser völlig ungeeignete Kommunalpolitiker.” Die Kritik der Leser am Vorgehen des Fraktionsvorsitzenden ist so massiv wie die Unterstützung für Frau Reetz. Die SPD hat offenbar immer noch kein Ohr am Bürger und die Fraktionsspitze handelt wie ein selbstreferentieller Autist. Ich höre jetzt schon, daß die SPD-Verantwortlichen, jedenfalls aber Jochen Bilstein, diese Leserbefragung der Morgenpost mal wieder als Wahlkampffortsetzung der Bergischen Morgenpost diffamieren werden. Tja, da zitieren wir doch lieber noch einmal Seneca, den Jüngeren: “Man muß so lange lernen, als man unwissend ist – also ein Leben lang, wenn wir dem Sprichwort glauben. Daraus ergibt sich zwingend der folgende Gedanke: Man muss ein Leben lang lernen, wie man das Leben gestalten soll. […] Ich zeige durch mein Beispiel, dass man auch im Alter noch zu lernen hat.” Ich jedenfalls setze noch auf die Lernfähigkeit der örtlichen Genossen. Und die (Partei-)Wüste ist der falsche Platz für Christel Reetz.