Rauchen aufgeben, weniger trinken, besser arbeiten, aufmerksamer sein bei Partnern und Freunden, mehr Sport treiben, weniger Fernsehen. Alles Blödsinn aus der Abteilung Vorsätze für Charakterschwache. Mein Vorschlag für die tagesüblichen Jahresvorsätze, gleich, in nur wenigen Stunden, einfach und realisierbar, das Gewissen entlastend: Für etwa fünfundzwanzig Euro Jahresbeitrag kann man Mitglied im Deutschen Kinderschutzbund werden! Helfen mit Vorsatz.
Monat: Dezember 2014
Jahresendzeitgedachtes
Merkwürdige Reihenfolge. Auf den letzten, heute, folgt morgen der erste Tag. Sei’s drum. Mit Logik ist Zeit, gottlob, nicht vollständig zu erfassen. Selbst gepaart mit Inspiration bleibt viel Mühe. Schon wieder ein Jahr zu Ende. Soll ich mich freuen? Weil das vergehende Jahr mir nicht nur Freude, sondern vor allem Verdruss, Enttäuschung beschert hat? Persönlich. Politisch. Gesellschaftlich. Wird das kommende Jahr wirklich besser werden? Besser werden können? Schon wieder ein Jahr älter. Wie lange wird das noch so sein? Jede Jahreswende ist auch eine Etappe auf dem Weg zum Ende. Nein, das ist nicht düster gedacht. Das ist zeitinhärent. Tröstlich, daß auf den letzten der erste Tag folgt. Ein starkes Symbol, solch ein Jahreswechsel. Es endet nicht. Nicht wirklich. Nur für den einzelnen endet es wirklich und vollständig. Gelegenheit an jene zu denken, die das kommende Jahr nicht mehr werden erleben können. Ein Freund ist kurz vor Weihnachten gestorben. Ganz plötzlich. Das neue Jahr werde ich mit einer Trauerfeier beginnen. Merkwürdige Kontinuität. Über die Jahresgrenzen hinweg Trauer. Jahresgrenzen sind keine Grenzen. Sie sind ein Symbol. Sie helfen uns, den kontinuierlichen Zeitstrom zu erfassen, zu strukturieren. Alles geschieht in unablässiger Folge. Zeit verstreicht. Immerfort. Um sie gedanklich zu fassen, machen wir aus der fließenden Zeit eine fortschreitende, eine gestufte, trennbare, abzählbare. Etwas diskretes. Irgendwie spannend, daß dieser mathematische Begriff des Gegensatzes zur Kontinuität in unserem Alltagsleben eher verschwiegen bedeutet, zurückhaltend, taktvoll. Und das Gegenteil, indiskret, bezeichnet Taktlosigkeit und, welch schönes Wort, Schwatzhaftigkeit. Zeit ist eigen. Taktlos. Und irgendwie nicht zu verstehen. Nur zu erleben. Eine Freundin hat mir heute ein Zitat gesendet. “Welche Hinterlist steckt in der Zeit! Sie gibt sich unschuldig, mit Sonnenauf- und -untergängen, mit Sternbewegungen, Jahreszeiten, Regen, Schnee, Wärme und Kälte. Ihr Hauptinteresse scheint astronomisch und landwirtschaftlich zu sein. Harmlos zieht sie sich als Tag ein paar Stunden hin – wovon einige ganz unausgefüllt sind- macht sich unauffällig zum Abschied fertig, dreht sich an der Tür um, wirft einem noch einen kleinen, spöttischen Blick zu, und weg ist sie. Erst nachher entdeckt man, was alles geschehen ist. Man hat die Zeit…..falsch eingeschätzt.” Alfred Döblin soll diese Zeilen geschrieben haben, denen wir entnehmen, daß wir Zeit nur in Veränderung begreifen können. Nicht ausgefüllt ist Zeit, in der sich nichts verändert, in der wir uns nicht verändern. Sie wird dann lang. Und wir schätzen die Zeit. So oder so. All jenen, die ihre Zeit, einen Teil ihrer Zeit mit mir verbracht, für mich erbracht haben im zu Ende gehenden Jahr, möchte ich danken für dieses kostbare Geschenk. Ihre Zeit. Wir sehen uns. Morgen schon. Im neuen Jahr. Ich wünsche allen eine gute Zeit.
http://youtu.be/kMywa7ZBw38
“The Times They Are a-Changin'”
Come gather ’round people wherever you roam
And admit that the waters around you have grown
And accept it that soon you’ll be drenched to the bone
If your time to you is worth savin’
Then you better start swimmin’ or you’ll sink like a stone
For the times they are a-changin’
Come writers and critics who prophecise with your pen
And keep your eyes wide the chance won’t come again
And don’t speak too soon for the wheel’s still in spin
And there’s no tellin’ who it’s namin’
For the loser now will be later to win
For the times they are a-changin’
Come mothers and fathers throughout the land
And don’t criticize what you can’t understand
Your sons and your daughters are beyond your command
Your old road is rapidly agein’
Please get out of the new one if you can’t lend your hand
For the times they are a-changin’
Come senators, and congressmen please heed the call
Don’t stand in the doorway, don’t block the hall
For he who gets hurt will be he who has stalled
There’s a battle outside and it’s ragin’
It’ll soon shake your windows and rattle your walls
For the times they are a-changin’
The line it is drawn, the curse it is cast
The slow one now will later be fast
As the present now will later be past
The order is rapidly fadin’
The first one now will later be last
For the times they are a-changin’
For the times they are a-changin’
For the times they are a-changin’
For the times they are a-changin’
Sometimes the quiet voices make the loudest noise!
Der Tod und der FC Bayern
Wäsche zwischen den Jahren
Die Zeit “zwischen den Jahren” hat wieder angefangen. Hier habe ich dazu schon das meine geschrieben. Die Ägypter waren die Erfinder dieser Übergangszeit. Am Nil teilte man schon seit dem vierten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung das Sonnenjahr von dreihundertfünfundsechzig Tagen in zwölf Monate zu je dreißig Tagen. Die restlichen Tage wurden am Jahresende einfach angehängt. Wer also zwischen Weihnachten und Neujahr freie Tage abfeiert, folgt eigentlich einer heidnischen Vorstellung. Dazu paßt auch der in einigen Gegenden erhaltene abergläubische Brauch, während der fünf letzten Tage im Jahr keine Wäsche aufzuhängen, damit sich zum neuen Jahr keine bösen Geister im Haus einnisten.
Little Drummer Boy, die Zweite
Littler Drummer Boy
Von billigen Bildern und kuhäugigen Gesichtern
Das deutsche Fernsehen ist nur selten zu feige, auch wenn das immer beklagt wird. Es ist zu gleichgültig und zu satt und zu faul und zu egal, das ist der Grund für die miserablen Dialoge und billigen Bilder und kuhäugigen Gesichter.
Holger Gertz und Alexander Gorkow, in: Wurst ist kein Ersatz für Kakao, Süddeutsche Zeitung vom dreiundzwanzigsten Dezember Zweitausendundvierzehn.
FIFA
Modellbau- und Protzbischofskandale sind indes nichts im Vergleich zu alldem, was seit Jahren von der Fifa bekannt wird. Diesen Verband umwehen keine Affären; dieser Verband ist eine Affäre. Es tut im Grunde wenig zur Sache, ob der Präsident Blatter all seiner korrupten Kollegen nicht Herr werden will oder nicht kann – oder ob er selber vom Stamme Nimm ist.
Detlef Esslinger, in: FIFA: Wähler, Gläubiger, Fußballfans, Süddeutsche Zeitung vom dreiundzwanzigsten Dezember Zweitausendundvierzehn.
Schamlosigkeit auf direktem Weg in den Schwachsinn
Wenn sich 17 500 Menschen in der Dresdner Dunkelheit hinter einem offenkundigen Gewohnheitskriminellen zusammenrotten, um ausländerfeindliche Parolen zu brüllen, volksverhetzende Reden zu schwingen und pauschal alles zu beschimpfen, was ihnen nicht in den rechtsgewirkten Kram passt, dann hat das nicht viel mit Friedlichkeit und Gewaltfreiheit, aber vor allem nichts mit Anstand zu tun. Dazu auch noch Weihnachtslieder zu grölen, ist eher ein Meilenstein der Geschmacklosigkeit. Vieles, was da in der Mitte und im Umfeld der immer schrilleren Pegida-Demonstrationen zu hören und zu sehen ist, belegt einmal mehr die These Sigmund Freuds, dass Schamlosigkeit auf direktem Weg in den Schwachsinn führt.
Ulli Tückmantel, Kommentar: Pegida – wer “ernst nehmen”sagt, muß es auch tun, in der Westdeutschen Zeitung vom dreiundzwanzigsten Dezember Zweitausdundvierzehn