Gedankensplitter anläßlich der Beerdigung einer alten Dame, unsystematisch und teils sehr widersprüchlich

Königlich-britischer Pomp auf allen Fernsehkanälen, den deutschen auch, selbstredend. Too much. Die Beisetzung der verstorbenen britischen Königin ist zwar ein Weltereignis, doch sollte selbst dies nicht zur Quasi-Gleichschaltung des weltweiten TV-Programms führen. Ein privates und ein öffentlich-rechtliches Programm mit allen Bildern der Beisetzung hätten es auch getan.

Es ist eine Beisetzung, seit vielen Jahren in allen Einzelheiten geplant, ein Ritus, der aus sich selbst heraus spricht, aus dem Pomp, aus den Wegen mit und ohne Sarg, den Uniformen, den Gebeten, den Gästen und Staatsoberhäuptern aus aller Herren und Damen Länder, den Gesängen der Chorknaben, dem mittelalterlichen Gemäuer, der Krone und dem Zepter auf dem flaggengeschmückten Sarg aus altem Eichenholz. There is no need for never ending comments. Dieses immerwährende Kommentatorengequatsche nimmt Ausmaße von Fußballübertragungen an, die den Zuschauer nicht mehr in Ruhe lassen mit dem Geschehen, den Bildern, den Emotionen, den Eindrücken, der Bedrückung, der Ergriffenheit. Dieses lange geplante Weltereignis, dieses Superfuneral ist sich selbst genug und wird mit jedem Wort entwertet.

Selbst das republikanischst sozialisierte Gemüt wird zugestehen müssen, daß es sich um eine perfekte Inszenierung handelt, ein singuläres Event, so noch nie gesehen, so nie wieder zu sehen, wegen eines singulären und kaum mehr noch einmal vorstellbaren Ereignisses, dem Tod einer Monarchin nach siebzigjähriger Regentschaft. Und gleichwohl ein Pomp, eine Inszenierung, ein Theater, die Wiederbelebung der eigentlich bereits untergegangenen Welt des Adels, die den Republikaner nicht wirklich rührt. Für den Republikaner zählt das Ritual der Demokratie, der geordnete Machtwechsel, die Verteilung und Balance der Macht, das Gesetz, die Einhaltung gesellschaftlicher Spielregeln. Die eher dürre Vernunft steht über eitlem Pomp der reichen Mächtigen.

Nein, sie war und ist nicht meine Königin. Sie war und ist auch nicht die Königin der Welt. Aber sie war, soweit man das aus der Entfernung heraus wirklich sagen kann, eine wohl charmante, mit sich strenge und vorbildhaft pflichtbewußte Regentin. Sie hat ihr Leben der britischen Monarchie gewidmet, den Bestand der regierenden Familie gesichert, die Briten in politisch schwersten Zeiten weitgehend hinter sich und dem Königshaus versammelt.

Kein Skandal der Windsors geht auf die verstorbene Königin zurück. Die Söhne und ihre Frauen sowie mitunter einige Enkel haben hingegen bisweilen gänzlich unköniglich gegen gute Sitten und Gesetze verstoßen, bis hin zum Verdacht von sexueller Gewalt gegen Minderjährige.

Ob die nächste und die dann kommende Generation der Windsors geeignet sind, das Lebenswerk der verstorbenen Königin zu sichern und fortzusetzen, ist noch keineswegs ausgemacht. Der funerale Pomp mag diesmal einer überragenden Lebensleistung noch angemessen sein. Die nächsten Regentschaften aber werden gewiß nicht von einer derartigen Dauer, von auch einer derartigen Bedeutung sein. Ich habe in meiner Lebenszeit bewußt niemanden anderen auf dem britischen Thron erleben können. Der überwiegenden Mehrheit der Briten geht es ebenso. Die Handschrift der Königin, ihr großmütterlicher Charme, ihre Kraft als Familienoberhaupt, all das ist mit dem Tod von Elisabeth, der Zweiten, untergegangen. Ob König Charles zurückgenommen dienen kann, ob er die Kraft hat, eine Familie zusammenzuhalten, ob das Image der Nachkommen reichen wird, eine politisch zerrissene Bevölkerung hinter der Institution der Monarchie zu einen, all das ist nicht wirklich ausgemacht.

Die Republik hat es schwerer als die Monarchie. Sie ist keine Projektionsfläche, in die jeder hineinlesen kann, was ihm und ihr wichtig ist. Die republikanischen Rituale sind dagegen gänzlich unspektakulär. Es sind die Rituale der Wahlen. Es sind die Regeln parlamentarischer Dispute. Es ist der Appell der Vernunft, die Kraft des Arguments. Es ist die Balance der Macht, es ist die Kraft des Gesetzes. Es ist der Widerspruch der Ideen, der Wettbewerb der Gleichwertigen. Die Republik bezieht ihre Kraft aus der Stärke der Institutionen und der Idee des Gemeinwohls. Nicht aus dem Glanz von Uniformen, Märschen, Paraden, Fackeln oder Kutschen.

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