Monat: Juli 2012

Igeltricks

Igel sind possierliche Tierchen. Gartenbesitzern bescheren sie bisweilen Freude, wenn sie ihnen einen Besuch abstatten. Von diesen stacheligen Kreaturen soll hier aber nicht die Rede sein. Denn es geht um die individuellen Gesundheitsleistungen, IGeL, die Ärzte ihren gesetzlich versicherten Patienten gegen Selbstzahlung anbieten. Ebenfalls eine wirklich stachelige Angelegenheit. Denn die Verbraucherzentralen halten nicht alle dieser Leistungen für medizinisch sinnvoll, wie in Wikipedia zu lesen ist, sondern bewerten die meisten dieser Angebote als „nicht zwingend erforderlich“, „schlicht überflüssig“ oder gar „medizinisch fragwürdig“. Und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung kritisiert, Patienten würden zu fragwürdigen Leistungen überredet und fordert Gegenmaßnahmen. Der Journalist Jörg Blech bezeichnet IGeL als „intransparentes Gemisch entbehrlicher Leistungen“. Ärzte verdienen mit diesen entbehrlichen Leistungen etwa anderthalb Milliarden Euro jährlich, schätzt das wissenschaftliche Institut der AOK. Kein kleiner Batzen also. Und damit notleidende Ärzte mit diesen entbehrlichen Leistungen noch tiefer in die Portemonnaies ihrer Patienten langen können, hat man nun Marketingschulungen für die armen Ärzte entwickelt. Marketingschulungen, mit Hilfe derer sie auch gewiefte Verkaufspsychologen werden. Und eben diese Seminare zum Erlernen von Verkaufstricks werden mit Steuergeldern subventioniert. Patienten mutieren zu Kunden. Was für eine Perversion. Die blau-gelben Minister für Wirtschaft und Gesundheit, die schwarz-gelbe Bundesregierung  verschwenden Steuergelder, damit Patienten, Kranken auch noch der letzte Euro aus den Taschen geleiert werden kann. Für medizinisch nicht erforderliche Maßnahmen. Pfui Deibel!

Freakshow

Ye Shiwen? Ye Shiwen müssen Sie nicht wirklich kennen. Ye Shiwen ist eine sechzehnjährige Schwimmerin aus China. Und Ye Shiwen hat heute eine Goldmedaille gewonnen bei den Olympischen Spielen in London. Über vierhundert Meter Lagen. Mit einem Weltrekord, der eine ganze Sekunde besser ist als der Rekord zuvor, in einer Sportart, in der die Hundertstelsekunde entscheidend sein kann. Auf den letzten fünfzig Metern war sie nicht nur schneller als all ihre Konkurrentinnen, sondern sogar flotter im Wasser unterwegs als Ryan Lochte, der über die gleiche Distanz ebenfalls Olympiasieger in Weltrekordzeit geworden war, bei den Männern natürlich. Eine unbekannter chinesischer Teenager spurtet am Ende schneller als der schnellste Mann auf der gleichen Distanz? Muhahaha. Die Süddeutsche Online nennt dies mit recht eine Freakshow.

Achtung, hier wird gesprengt

Da hat er wieder einmal eine ordentliche Sprengladung gezündet: Michael Spreng, konservativer Publizist und Politikberater, in seinem Blog Sprengsatz unter dem Titel: Die Überlebensfrage der Demokratie. Hier ein Zitat (und ein Lesebefehl für den ganzen Blog):

“Investmentbanken und Hedgefonds agieren wieder wie vor der Krise, Großbanken manipulieren die Zinsen, die Manager lassen sich Traumgehälter und Phantasieboni auszahlen, Milliardenhilfen für Griechenland und andere notleidende Staaten gehen zu 80 Prozent zurück an die Banken. Das Primat der Politik steht nur noch auf dem Papier, in Wirklichkeit bestimmt die Finanzindustrie den Takt der Politik. Vor diesem Hintergrund ist es erschütternd, wie schnell die Vorschläge von Sigmar Gabriel zur Bankenregulierung als “Populismus” (Wolfgang Schäuble) abgebürstet wurden. Denn der SPD-Chef hat recht, wenn er die Frage der Kontrolle der Finanzindustrie zur Überlebensfrage der Demokratie erklärt. Deshalb ist das Thema Finanzmarktregulierung auch das richtige Wahlkampfthema. Warum sollen die Bürger noch wählen gehen, wenn anschließend Hedgefonds und Banken die Politik diktieren? Ohne Finanztransaktionssteuer, die den irrwitzigen Hochfrequenzhandel eindämmt und wenigstens ein bisschen  Geld für den Staat abschöpft, ohne die Trennung von Privatkundengeschäft und Investmentbanking, ohne strenge Aufsicht über Hedgefonds, ohne Genehmigung und Verbot von Spekulationsprodukten, ohne Begrenzung der Gehälter und Boni, wird das “Monster” (Ex-Präsident Horst Köhler) nicht besiegt werden können. Von der regierenden schwarz-gelben Koalition ist in dieser Hinsicht nichts mehr zu erwarten. Deshalb müssen darüber die Wähler 2013 entscheiden. Denn die Breuers und Schulte-Noelles von heute lernen freiwillig nichts dazu, reagieren taub und frech auf Appelle an die gesellschaftliche und politische Verantwortung. Das geht nur mit Zwang.” 

Ok. Dann eben Zwang.

Zart nach Nougat

Das geht zu weit: Da gibt es doch eine Website, in der Röslers Geruch mit “reife Zwetschken in der Nase, zart nach Nougat” beschrieben und sein Abgang als “lebendig” bezeichnet wird. Zudem ist dort zu lesen, Rösler habe am Gaumen eine “eher weiche Textur” und “schwarzbeeriges Konfit” und weise violette Reflexe” auf. Rösler ist gewiß kein sehr fähiger Parteivorsitzender, und sicherlich ein noch weit unfähigerer Minister, aber solche Beschreibungen hat er nicht verdient.

Splittriger Holzklotz

“Er ist einfach ein splittriger Holzklotz des Reportagewesens, ohne Eleganz und mit einer Eloquenz, die auf die Register der mitteltemperierten Desinteressiertheit plus Grölerei geeicht scheint. Was für ein Betrug: Jeder Journalist, jede Journalistin mit Herz und Verständ hätte uns die Magie dese Eröffnungsabends kompetenter nähergebracht.” (Die TAZ zu Wolf-Dieter Poschmann und seiner Moderation der Olympia-Eröffnungsshow im ZDF)

Wo sie Recht hat, hat sie Recht …

“Wir sind also wieder einmal zusammengekommen, um Milliarden, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hart erarbeitet haben, im schwarzen Loch des Finanzmarkts zu versenken. Der einzige Fortschritt ist immerhin, dass Sie diesmal wenigstens offen zugeben, worum es geht: Nicht um Hilfszahlungen an Länder, die ihnen vielleicht dabei helfen können, ihre Krise zu meistern oder ihre riesige Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern es geht wieder einmal nur um Hilfszahlungen für Banken, die andere Banken, Hedgefonds und private Großanleger vor Verlusten schützen sollen. (…) Ich finde, Sie müssen sich auch einmal entscheiden. Sie wollen doch den Kapitalismus auch im Finanzbereich, also private Banken und ein marktwirtschaftlich organisiertes Finanzsystem. Dann müssen Sie aber auch die Regeln anerkennen, die in der privaten Wirtschaft nun einmal gelten. Eine der Kernregeln ist, dass Investoren für ihre Verluste haften, nicht der Steuerzahler. (…) Was Sie machen, gigantische private Wettbuden am Markt zu belassen, die alle Freiheiten haben, die Ersparnisse mit waghalsigen Geschäften zu verzocken, sich an jeder Blase zu beteiligen, um maximale Rendite herauszuschinden, und immer dann, wenn es eng wird, den Steuerzahler kommen und brav für die Verluste haften zu lassen, also Sozialismus für die Bankvorstände und Vermögenden und Kapitalismus für den Rest der Bevölkerung, das ist wirklich ein absurdes und krankes Modell. (…) Wir wollen nicht die Finanzmärkte beruhigen, und wir wollen auch nicht um das Vertrauen dieser Zockerbande werben, sondern wir wollen die Finanzmärkte entmachten. Wir wollen die Banken als öffentliche Institute so reorganisieren, dass sie endlich wieder das tun, wofür Banken da sind: sichere Sparmöglichkeiten anbieten und Investitionen finanzieren; und sonst gar nichts.” (Sahra Wagenknecht, Die Linke, am neunzehnten Juli in der Sondersitzung des Deutschen Bundestags zu Finanzhilfen für Spanien, zitiert nach Michael Schöfer)

Das Entenaus

Das Entenaus fand am siebenundzwanzigsten Juli, statt, heute vor zweiundzwanzig Jahren. In Portugal nämlich wurde der letzte Citroën 2CV gefertigt. (Wie es mit der Ente begonnen hatte, kann man hier nachlesen.) Vorschnellen nostalgisch-romantischen Gefühlen halte ich als ehemaliger Entenfahrer entgegen, daß es mit der Geschwindigkeit des urfranzösischen Gefährts nicht weit her war, mit seinen Bremsen gar nicht, den Sicherungen des Rolldaches aus Tuch ebenfalls nicht, daß die Sitze unbequeme Hängesessel waren. Kurzum: Dem Auto mit den hochklappbaren Seitenfenstern folgten allesamt Karren, die weiß Gott mehr zu bieten hatten als die rote Ente mit zerrissenem Dach. Selbst der Lloyd Sechshundert funktionierte besser als die studentische Traumkutsche. Kein Schaden also das Entenaus für die automobile Kultur von heute. Oder?

Totale Abwesenheit von Moral

Von der “totalen Abwesenheit von Moral” und “skandalösem Verhalten” soll hier die Rede sein. Von der totalen Abwesenheit von Moral sprach nämlich kürzlich ein veritabler EU-Kommissar, der, der für die Märkte in Europa zuständig ist, Michel Barbier aus Frankreich. Nein, nein, keine Bange, es geht nicht schon wieder um die FDP. (Wobei: Auch in diesem Kontext hätte ein EU-Kommissar genug zu tun, um die Marktwirtschaft zu sichern, wie man in dem Beitrag “Staatswirtschaft” nachlesen kann.) Es geht um die Banken in Europa. Wenn Zinsen zu Lasten der Kunden manipuliert werden, wenn mit Wetten auf Staatspleiten Gewinn zu machen versucht wird, wenn auf die Knappheit von Lebensmitteln spekuliert wird, also auf den Hunger von Millionen Menschen, wenn Gewinne den privaten Eignern zukommen, Verluste in Millionen- und Milliardenhöhe aber den Steuerzahlern aufgebürdet werden, wenn Millionen Euro in Bonuszahlungen für Manager investiert werden, obwohl die das Unternehmen gegen die Wand gefahren haben, ja, wenn dies alles die Charakterisierung eines Geschäftsmodells ist, dann muß man wirklich von der totalen Abwesenheit von Moral sprechen. Und man muß umgehend das Geschäftsmodell beseitigen. Die Banken, der gesamte Finanzsektor müssen reorganisiert und schärfer kontrolliert werden. Das Finanzwesen muß der Realwirtschaft dienen. Wie einst. Man komme mir jetzt nicht mit der Globalisierung. Wenn Globalisierung zwingend totale Abwesenheit von Moral bedeutet, dann muß man der Globalisierung politisch Einhalt gebieten, muß man Recht und Gesetze schaffen, national und international, Banken und Finanzunternehmen Grenzen aufweisen, so daß Moral, Anstand, Humanität nicht nur bloße Floskeln bleiben. Banken und Finanzunternehmen befinden sich nicht jenseits von Recht und Gesetz und nicht jenseits von Anstand und Moral. Wenn sie, Bänker und Finanzdienstleister, das nicht mehr wissen, muß man ihnen das wieder beibringen. Man? Wir alle. Wie? Auch durch Wahlen. Durch Proteste. Durch Gegenwehr. Wir dürfen nicht zulassen, daß unsere Kanzlerin von einer “marktkonformen Demokratie” daherschwätzt. Wir brauchen einen demokratiekonformen Markt. Wir brauchen Banken und Finanzdienstleister, die dem Gemeinwohl zumindest nicht schaden, besser: dem Gemeinwohl dienlich sind. Wir brauchen Banken, die der Wirtschaft dienen und den Menschen, die wirtschaftlich tätig sind. Also nicht nur den Eignern von Unternehmen, auch jenen, die den Wohlstand und Reichtum schaffen. Höre ich da jemanden “Sozialismus” schreien? Nein. Das ist alles kein Sozialismus. Das ist wohlverstandene Marktwirtschaft. Das ist bürgerliche Gesellschaft. Mit der totalen Abwesenheit von Moral aber geht auch die bürgerliche Gesellschaft zugrunde.

Annentag

“Ist Sankt Anna erst vorbei, kommt der Morgen kühl herbei.” Soweit der Volksmund. Annatag, das ist heute, am sechsundzwanzigsten Juli. Am Annentag gedenkt man der heiligen Anna, der Mutter von Maria. Jedenfalls noch in einigen Regionen und Dörfern. Immerhin ist die heilige Anna die Schutzheilige der Ehefrauen, Bergleute und Schiffer.  Da diese drei Gruppen aber beständig kleiner werden, hat Anna weniger zu tun und kann sich eher um ihre Arbeit als Beschützerin der Armen kümmern und mehr gegen die Gefahren von Gewittern tun. Heilige sind eben multitaskingfähig.