Monat: März 2010

“Kind Gottes, nimm diese Strafe”

“Kind Gottes, nimm diese Strafe”, sprach Walter Mixa zum über einen Bock gebeugten Jungen und schlug ihm 35 mal mit einem Teppichklopfer auf den Hintern. So berichten soeben die Tagesthemen. Ein ehemaliges Heimkind informiert von diesen Praktiken des ehemaligen Stadtpfarrers von Schrobenhausen. Zwei Frauen, ebenfalls ehemalige Heimkinder, bestätigen, von Pfarrer Mixa geprügelt worden zu sein. “Ich will keine Entschuldigung von Herrn Mixa. Ich will nur, daß Herr Mixa verschwindet, auch aus meinem Leben verschwindet”, so eine von Ihnen vor den Kameras der ARD. Sie erinnern sich? Walter Mixa, mittlerweile Bischof von Augsburg, hat die sogenannte “sexuelle Revolution” der sechziger bis siebziger Jahre für den Mißbrauch und die sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche mitverantwortlich gemacht. Walter Mixa, gehen Sie. Und schweigen Sie. Walter Mixa, Kind Gottes, nimm diese Strafe. Und laß uns alle endlich in Ruhe.

Mit Gesang auf Stimmenfang

Rettet die Volkslieder! Nein, keine Satire, keine Forderung aus dem Programm von Dieter Nuhr oder Volker Pispers oder Wilfried Schmickler. Auch nicht die Schnapsidee eines trunkenen Landtagshinterbänklers. Und keineswegs ein vorweggenommener Aprilscherz. J.R. hat sich dem deutschen Liedgut verschrieben. Rettet die Volkslieder, so lautet das neue Programm des (Noch-) Ministerpräsidenten im größten deutschen Bundesland. Jürgen Rüttgers will singen lassen. Die Lehrerschaft soll angehalten werden, im Unterricht wieder mehr Volkslieder zu singen,  Verlage sollen deutsches Liedgut in Büchern, CDs und PC-Spielen (?!) verbreiten. Was dahindümpelnde Umfragewerte so alles mit Politikerhirnen anstellen können. Der Mann, der einst mit der Losung “Kinder statt Inder” auf Stimmenfang ging und später gegen rumänische Arbeiter oder chinesische Investoren vom Leder zog, versucht es jetzt mit Gesang. Nun denn:

Links Heu und Klee, rechts Heu und Klee!
Die allerfettsten Weiden –
Dem Esel tut das Wählen weh,
er kann sich nicht entscheiden.
Er schnopert rechts, er schnopert links
und dreht sich dreimal um –
O Buridan, o Buridan,
was ist dein Esel dumm!

Rechts Gras und Korn, links Gras und Korn,
wie knurrt es ihm im Magen!
Und immer wieder geht’s von vorn,
er mag die Wahl nicht wagen.
So zwischen beiden bleibt er stehn
und fällt vor Hunger um –
O Buridan, o Buridan,
was war dein Esel dumm!

Links freie Presse, rechts Zensur,
links Wahrheit, rechts die Lüge –
Was stehen wir und grübeln nur
und haben’s nicht Genüge?
Wir horchen rechts, wir horchen links
und fragen fern und nah –
O Buridan, o Buridan,
wär’ doch dein Esel da!

Die Freiheit links, rechts Sklaverei,
wer könnt’ es sich verhehlen!
Wir aber stehn und stehn dabei
und wissen nicht zu wählen.
So sind wir doch weit ärger noch
und dummer noch fürwahr,
o Buridan, o Buridan,
als wie dein Esel war!

Text: Robert Eduard Prutz (1816-1872) – 1842
Musik: Oh Tannenbaum

Dauertief Guido

Passend zum Wetter: Guido Westerwelle befindet sich im Dauertief. Seit Oktober geht es abwärts. Laut ZDF-Politbarometer hat Guy d’Eau nunmehr den letzten Platz im Ranking der zehn wichtigsten Politiker erreicht. Noch nie hat ein Außenminister oder FDP-Vorsitzender so schlecht abgeschnitten. Aber auch die Werte für die Koalition und die sie tragenden Parteien sind nicht berauschend. Immer weniger Menschen sind mit der Arbeit der Bundesregierung und der der schwatz-gelben Koalition zufrieden: 36 Prozent der befragten Bürger. Guido Westerwelle und die seinen sind nicht im Dauertief, sie sind das Dauertief der deutschen Politik.

“Habense mal drei Euro?”

Gestern war sie im Radio zu hören, bei “Neugier genügt” in WDR 5: Andrea Daun. Kennen Sie nicht? Ich kannte sie bis gestern auch nicht. Andrea Daun macht sich um ihre Vaterstadt verdient. Sie sammelt Spenden fürs notleidende Solingen. Andrea Daun ruft die Bürger Solingens auf, jeden Monat drei Euro zu spenden – für Solingen. “So können wir unserer Stadt helfen, denn sie hilft uns auch, wenn wir in Not sind”, sagt Andrea Daun, “jetzt braucht Solingen Hilfe.”  Die Geldbeträge der Bürger werden auf einem Spendenkonto gesammelt und dann in Absprache mit der Stadt für gefährdete Projekte eingesetzt. “Es wird zu 100 Prozent der Allgemeinheit wieder zurückgegeben”, versichert Andrea Daun. Bemerkenswert, oder? Ich weiß, ich weiß: Die Einwände sind zahllos. Dennoch halte ich diese Aktion für ein Zeichen von Bürgersinn und Verantwortung. Na, was ist? Geht sowas in Wermelskirchen auch?

“Wo ein Glied leidet, leiden alle mit.”

Der Hamburger Morgenpost ist zu danken, daß ein wörtliches  Zitat des Münchener Erzbischofs Reinhard Marx aus einem Gottesdienst zu den Skandalen um den Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche nicht unkommentiert und mithin vollkommen mißverständlich bleibt. Welch ein Glück für die Kirche. Nicht auszudenken, welche Gedanken die Menschen des Landes ohne diese dankenswerte Interpretationshilfe der Zeitung hätten beschleichen können. Danke, Hamburger Morgenpost.

Schwarz-Gelb kneift

Der Bundesverteidigungsminister und Freiherr mit den zehn Vornamen war dazu bereit: Nämlich live im deutschen Fernsehen seine Aussage vor dem Kunduz-Ausschuß des Deutschen Bundestages zu machen. Die Mehrheit aus CSU, FDP und CDU hat den Mut des Freiherrn zu Guttenberg nicht und deshalb heute die fernsehöffentliche Befragung verhindert. Der vorgesehene Termin, der 22. April, lag der Verhinderungsmehrheit wohl zu sehr in der Nähe der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern – es ist ja auch erst fünf Jahre her -, wie Joschka Fischer seinerzeit über viele Stunden im Visa-Untersuchungsausschuß befragt wurde. Vor laufenden Kameras. Bis zu sechs Millionen sahen damals zu – eine Sternstunde sowie der Quotenrenner fürs deutsche Parlament. Armselig und kleinkariert, wie die schwarz-gelbe Mehrheit heute die Öffentlichkeit ausschließt, nur weil ihr das Thema nicht in den Wahlkampfendspurt paßt.

Klimawandel: Neue Eiszeit

“Er sollte besser mal zwei Wochen Urlaub machen.” Er ist Guido Westerwelle. Der Ratgeber ist nicht etwa Frank-Walter Steinmeier. Nein, es ist der hessische FDP-Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn. Westerwelle sei, so zitiert Spiegel Online den Hessen, in den vergangenen Wochen zu stark eingespannt gewesen. “Er hatte viel um die Ohren, und es ist nicht alles glücklich gelaufen.” Hahn rät eine Verschnaufpause an: “Handy aus und weg.” Ich wäre sogar für eine Kur. Im dekadentesten aller Kurhäuser. Aber nicht nur für den überforderten Vorsitzenden der Liberalen. Ein Kurkandidat wäre auch Wolfgang Kubicki, FDP-Chef in Schleswig-Holstein. Den zitiert Spiegel Online mit einem Rundumschlag gegen die eigene Partei und den Koalitionspartner: “Wir haben Protagonisten in der Partei, die – weil sie keinen Arsch in der Hose haben – immer behaupten, die anderen seien schuld. Ich sehe es ja im Bundesvorstand. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Andreas Pinkwart fordert eine breitere Aufstellung, aber niemand hindert ihn doch, sich öffentlich zu äußern – wenn auch nicht immer glücklich.” Über die Stellvertreterin Westerwelles, Cornelia Pieper, – “Meine besondere Freundin im Bundesvorstand” – befindet er: “Also, ich finde, wir sollten jeden Tag beten, dass Guido Westerwelle nichts passiert.” Das nennt man Parteiklima. “Wir werden die Union nicht schonen, das ist jetzt klar. Wir halten uns an keine Schmusekursabsprachen, die die andere Seite schon lange nicht mehr einhält. Auf unseren Erfolg folgen weitere Schritte, definitiv. Das Verhältnis zur Union würde deutlich rauer. Das bekäme insbesondere die CSU zu spüren, bei der wir jede Hemmung fallen lassen würden. Feuer frei von jedem.” Sowas nennt man Koalitionsklima. Die Süddeutsche Zeitung kommentiert: “Hier hat der feine Jurist, der die bekannt steuer-optimierende liechtensteinische Regierung beraten hat, den Jargon der Straßenbanden in die Politik eingebracht.” Für die CSU hat Kubicki den folgenden Satz im Köcher: “Und warum nicht auch mal den CSU-Chef Horst Seehofer fragen: Hat Ihre Abneigung gegen die Kopfpauschale auch damit zu tun, dass Ihre Familienplanung etwas aus dem Ruder gelaufen ist?” Der Generalsekretär der CSU, Dobrindt, kontert eilig: “Dem Kubicki ist wohl die Schweinegrippe aufs Gehirn geschlagen. Für solche politischen Quartalsspinner wie Kubicki kann sich die FDP nur schämen.” Tja, wir haben sie gewählt. Die ganze Bande. Diese ganze Bande von Kerlen, die sich nicht einmal zu benehmen weiß. Politikunfähig, machtversessen, selbstgefällig, rauhbeinig und – schamlos. Tja, wir haben sie gewählt. Wir sollten uns schämen. Und, was die Kur angeht: Nehmt bitte noch Andreas Pinkwart mit und Christian Lindner und Ingo Wolf. Und kuriert Euch richtig aus. Wir haben keine Eile.

Christian Lindner im Olymp

Jetzt hat er’s geschafft, der Christian Lindner. In den Olymp. Geadelt auf ewige Zeiten. Von Georg Schramm und Urban Priol. Damit steht er gleichberechtigt neben den Großen dieser Republik, neben Merkel und Westerwelle, neben zu Guttenberg und Steinbrück und Niebel. Die Großmeister des deutschen Kabaretts, Schramm und Priol, haben den FDP-Generalsekretär in ihr Programm aufgenommen. Heute, in Neues aus der Anstalt, wurde er zitiert, der neue FDP-Grande aus Wermelskirchen. Mit dem denkwürdigen Satz: “Wir müssen aufpassen, dass die Demokratie insgesamt nicht Schaden nimmt durch solche Vorwürfe, die da konstruiert werden.” Gratulation, Herr Lindner.

Bambis dummes Zeug

Christian Lindner hat mal wieder gesprochen. In ein ZDF-Mikrophon. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Ist Christian Lindner doch der Generalsekretär der FDP. Und wenn dieses politische Talent aus Wermelskirchen vor eine Kamera tritt und ein Statement abgibt, geht das mal gut  – und mal daneben. Diesmal hat er sich schützend vor seinen Chef gestellt, Guido Westerwelle. Der wird von der Presse heftig kritisiert für die Zusammensetzung seiner Begleitdelegationen bei Auslandsreisen. Weil der Eindruck der Vetterleswirtschaft entstanden ist. Und was sagt der alerte Generalsekretär? “Wir müssen aufpassen, dass die Demokratie insgesamt nicht Schaden nimmt durch solche Vorwürfe, die da konstruiert werden.” Wie bitte? Die Demokratie Schaden nimmt? Durch Kritik von Medien und Bürgern? Mit Verlaub, Herr Lindner, Sie reden dummes Zeug.  Die Demokratie nimmt Schaden, wenn der Eindruck in der Öffentlichkeit entsteht, in der Politik werde geklüngelt. Die Demokratie nimmt Schaden, wenn die Armen gegen die Ärmsten ausgespielt werden. Die Demokratie nimmt Schaden, wenn einzelne oder Gruppen gegen jede Regel begünstigt werden. Die Demokratie nimmt Schaden, wenn ein Generalsekretär einen solchen Unsinn über unsere Medien verbreitet. Wie schrieb die Süddeutsche Zeitung? “Das allerdings hat mit gutem oder schlechtem Stil nichts mehr zu tun. Es ist einfach nur dummes Geschwätz.” Si tacuisses, philosophus mansisses.