Monat: Dezember 2013

Der Beginn des neuen Jahres möge gelingen

Da sage noch jemand, Facebook bilde nicht, sondern Facebook verdumme. Da wünscht die Facebookgruppe Wider die große Koalition ein frohes, neues Jahr. Wie so viele andere Herumtreiber im Netz auch.  Das allein bildet nun noch nicht. Und verdummt auch nicht wirklich. Dann aber folgt die Erklärung, das man seit altersher das neue Jahr mit Prosit Neujahr begehe. Und das Wort Prosit stamme aus dem Lateinischen und bedeute: Es möge gelingen. Vielfach wird das Prosit mit dem Guten Rutsch ins neue Jahr kombiniert. Mit diesem guten Rutsch sei ursprünglich jedoch nicht das Hinüberrutschen ins neue Jahr gemeint. Das Wort Rutsch habe seinen Ursprung im Hebräischen rosch und bedeute Anfang. Der gute Rutsch ist also der Wunsch nach einem guten Beginn des neuen Jahres. In dem Sinne: Der Beginn des neuen Jahres möge gelingen, wie der Rest des Jahres auch.

 

Old Dog

Ich hatte es gar nicht gelesen. Das kleine Schildchen, rechts an der Seite. Seit Jahren hatte ich sie nur im Urlaub getragen. Die kurze Hose. Grün war sie, abgetragen, gebleicht. Aber sie war Urlaub. Einem Freund meines Sohnes fiel das Schildchen auf. Old Dog. Das war nun, nach herzhaften Lachern, das Markenzeichen für mich, nicht mehr für die Hose. Old Dog. Nun denn. Bescherung. Heiligabend. Mein Sohn schenkt mir ein Lederarmband. Schön. Kleidsam. Für junge Handgelenke. Der Herstellername indes topt das Schildchen an der grünen Urlaubshose: Fossil.

Robinsons Listen

Parteien gehören unbedingt in die Robinsonlisten. Das sind Schutzlisten für Menschen, die keine unaufgeforderte Werbung erhalten wollen. Robinsonlisten sind Verbraucherschutz.  Vor dem Terror unerwünschter Werbung. Es gibt diese Listen für Briefpost, E-Mail, Mobiltelefon, Festnetztelefon und Telefax. Ich will, auch nicht und vor allem nicht zu Weihnachten, von Parteien zugemüllt werden mit vermeintlich guten Wünschen. Nur, weil ich eine Stimme habe und bald wieder Wahlen sind. Der CDU-Wahlkreisbetreuer hat mir eine kitschige Postkarte in den Briefkasten werfen lassen, auf der er seine Hoffnung ausdrückt, “daß wir im kommenden Jahr gut zusammenarbeiten und gemeinsam unsere Stadt nach vorne bringen” werden. Geht’s noch? Gemeinsam? Darf man in der Vorweihnachtszeit träumen, was das Zeug hält? Ohne was zu rauchen. Und wovon träumt die CDU vor Ostern? Die Stadt nach vorne bringen. OK. Aber mit einer Partei, die das Rathausdebakel zuvörderst zu verantworten hat? Die Jahrzehnte lang nichts gegen die mit PCB-Verseuchung der Realschule unternommen hat? Wo ist für die CDU vorne? Einer Partei, die eine derart verkitschte Postkarte versendet, ist ohnehin nicht zu helfen, zu trauen schon mal gar nicht. Das wird nichts werden, lieber Herr Wahlkreisbetreuer, mit der Zusammenarbeit. Die per Mail versandte Karte der WNKUWG ist nicht minder kitschig. Allerdings faselt Henning Rehse nichts von Zusammenarbeit oder die Stadt nach vorne zu bringen. Das ist dann ja schon fast wohltuend. Gleichwohl. Die Parteien, christliche zumal, sollten das Geld, das sie in teure vorweihnachtliche Wahlwerbung stecken, so verwenden, wie Papst Franziskus es empfiehlt: den Armen zukommen lassen.

Ursprüngliche Akkumulation

Michail Borissowitsch Chodorkowski ist wieder frei. Nach zehn Jahren im russischen Gefängnis wegen Steuerhinterziehung und planmäßigen Betrugs. Amnesty International sah in ihm einen politischen Gefangenen, weil er Gegner des russischen Präsidenten Putin war. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dagegen im Jahr Zweitausendelf die Verurteilung des Ex-Öl-Magnaten als nicht politisch motiviert eingestuft. Ex-Magnat. Das liest man seit gestern häufig. Ein Magnat ist eigentlich ein Angehöriger des englischen, polnischen oder ungarischen Hochadels. In einem allgemeineren Sinn, so belehrt uns Wikipedia, bezeichnet der Begriff Magnat einen Inhaber wirtschaftlicher Macht. Sehr häufig wird Chodorkowski auch als Ex-Oligarch bezeichnet. Auch hier hilft ein flotter Blick in Wikipedia. “Ein Oligarch ist ein Wirtschaftsmagnat oder Tycoon, der durch seinen Reichtum über ein Land oder eine Region weitgehende informelle Macht ausübt.“  Von einem Oligarchen spricht man, wenn er „einer von wenigen Herrschenden“ des betreffenden Landes ist. In den USA wurde der Begriff ursprünglich auf Personen angewandt, die in einer Region ihre eigenen Regeln aufstellen konnten, weil es an Vertretern der allgemeinen Rechtsordnung mangelte. Soweit die Geschichte und das Lexikon. Oligarchen sind also die schnell zu enormem, extremem, zu unglaublichem Reichtum gekommenen “Geschäftsleute”, vorwiegend aus Russland und ehemaligen Republiken der Sowjetunion stammend, die begannen, Massenmedien zu kontrollieren, politischen Einfluss auszuüben oder sich Fußballvereine im europäischen Ausland zu kaufen. Bleibt nur die Frage, wie man in den paar Jahren seit der Herrschaft Gorbatschows vom Funktionär der kommunistischen Jugendorganisation zum Ölmagnaten werden kann. 1989 übernahm Chodorkowski die Leitung einer Privatbank in Moskau, wurde Berater der russischen Regierung, später stellvertretender Minister, und hatte schon Neunzehnhundertfünfundneunzig die Möglichkeit, die Aktienmehrheit des größten russischen Ölkonzerns zu kaufen. Für schlappe Dreihundertneun Millionen Dollar. Wenige Jahre später galt er als der reichste Mann Russlands, finanzierte Oppositionsparteien und mühte sich, US-Unternehmen am Ölkonzern Jukos zu beteiligen. So führte er Verhandlungen mit den US-Ölkonzernen ExxonMobil und Chevron Texas über eine mögliche Beteiligung. Immer deutlicher wurde Chodorkowski zum Mann des Westens. Vor zehn Jahren, Zweitausenddrei, wurde Chodorkowski verhaftet und zu zehn Jahren Haft verurteilt. In nur dreizehn, vierzehn Jahren verstand es der ehemalige Jungfunktionär also, einen russischen Ölkonzern in seine Hand zu bringen, zum reichsten Mann Russlands zu werden, sich mit den Mächtigen anzulegen und ausländische Konzerne zur Beteiligung an der Verwertung russischen Öls anzuwerben. Wohlgemerkt: Bei seiner Verhaftung war Chodorkowski vierzig Jahre alt. Was soll man sagen? Ökonomisches Genie? Steile Karriere? Karl Marx hat in Anlehnung an die klassische Nationalökonomie den Begriff der “ursprünglichen Akkumulation” geprägt. Was sich so harmlos-nett und wissenschaftlich anhört, meint nichts anderes als Raub. Nicht die Sparsamkeit eines Einzelnen oder sein Fleiß machen es möglich, derartiges Eigentum anzuhäufen, sondern die gewaltsame Enteignung der Arbeitsmittel von den eigentlichen Produzenten. Handstreich. Diebstahl. Raub. Aber wegen dieser Delikte ist die Putinsche Justizverwaltung seinerzeit nicht tätig geworden. Nur wegen vermeintlicher Steuerhinterziehung. Nicht wegen des Raubs russischen Eigentums. So ist das heutzutage mit den vermeintlichen Helden der Politik. Der russische Präsident braucht vor den olympischen Winterspielen Ruhe an der internationalen Medienfront. Die Menschenrechtler aus dem Westen beteiligen sich an der Befreiung des politischen Gefangenen. Vernebelt wird der Hintergrund, hier wie dort, durch zwei harmlose Wörtchen, Magnat und Oligarch. Vernebelt durch Presse und Politik.

Tugend und Laster

Ich finde weder Tugend allein beifallswürdig und das Laster verächtlich, noch die Tugend allein verächtlich und das Laster beifallswürdig. Max Brod

Mein Radio, WDR 5, hat mich heute Morgen in Zeitzeichen mit einem klugen Beitrag von Jutta Duhm-Heitzmann unterhalten. Über den Todestag des österreichischisraelischen Schriftstellers, Übersetzers und Publizisten Max Brod. Der hatte, unter anderem, gegen die Verfügung von Franz Kafka, daß nach seinem Tod alle seine Schriften verbrannt werden sollen, Kafkas Werke veröffentlicht und dadurch das Werk eines der größten Schriftsteller des 20.Jahrhunderts gerettet.

 ZeitZeichen: Die Sendung zum Nachhören und Download (20.12.2013)