Beatifikation, das ist die Seligsprechung. Nach dem Kirchenrecht der katholischen Kirche ist die Seligsprechung die feierliche Erklärung, daß Gott einen verstorbenen Christen in die Gemeinschaft der Seligen aufgenommen habe. Der Verstorbene muß dafür ein besonders vorbildliches Leben geführt haben. Die Seligsprechung gilt als Vorstufe zur Heiligsprechung. Üblicherweise kann ein solcher Seligsprechungsprozess frühestens fünf Jahre nach dem Tod in Gang gesetzt werden. Morgen wird der vorletzte Papst, Johannes Paul II., selig gesprochen werden. Dazu hatte Papst Benedikt der XVI., Joseph Ratzinger, der amtierende “Heilige Vater” und engster Mitarbeiter von Karol Wojtyla, die vorgesehene Frist enorm verkürzt, nämlich auf nur drei Monate. Eigentlich kann es mir, bin ich doch kein Katholik, vollkommen gleichgültig sein, ob die Kirche ihre eigenen Regeln einhält, verletzt oder dehnt. Karol Wojtyla war ein charismatischer Papst. Ein Papst, der eine entscheidende Rolle im erfolgreichen Kampf gegen den Kommunismus in Polen gespielt hat. Ein erzkonservativer Kirchenführer, der sich unerbittlich gegen sämtliche Reformbestrebungen innerhalb der Kirche gestellt hat. Aber auch das müssen die Katholiken mit sich ausmachen. Ich habe zwar Zweifel daran, daß ein Mensch, und sei er Papst, Wunder vollbringen kann. Ein Wunder nämlich ist die zweite Voraussetzung für die Seligsprechung. Gleichwohl: Sollen die katholischen Gläubigen doch von Wundertätigkeit des Karol Wojtyla überzeugt bleiben. Was mich jedoch berührt und nicht gleichgültig läßt, ist die Tatsache, daß der polnische Papst eng und freundschaftlich verbunden war mit Marcial Maciel, dem Ordensgründer der Legionäre Christi. Dieser Orden galt als fundamentalistisch und besonders konservativ. Seit den sechziger Jahren gab es öffentliche Kritik an Marcial Maciel und seinen Legionären. Er solle drogenabhängig gewesen sein und Knaben mißbraucht haben. Diese Vorwürfe wurden später bestätigt. Mehr noch: Nach seinem Tod stellte sich heraus, daß der eifrige Verteidiger des Zölibats Kinder in Spanien, Mexico und der Schweiz gezeugt hatte. Mit einer anderen Frau hatte er zwei weitere Kinder. In vielen Ordenshäusern der Legionäre wurden Jungen sexuell mißbraucht. Wohlgemerkt: Das alles sind nicht nur irgendwelche Gerüchte, sondern bestätigte Ergebnisse von Untersuchungen kirchlicher und staatlicher Stellen. Papst Benedikt XVI. schrieb am 1. Mai 2010, also genau ein Jahr vor der Seligsprechung von Karol Wojtyla: “„Das sehr schwerwiegende und objektiv unmoralische Verhalten von Pater Maciel, das durch unbestreitbare Zeugenaussagen belegt ist, äußert sich bisweilen in Gestalt von wirklichen Straftaten und offenbart ein gewissenloses Leben ohne echte religiöse Gesinnung.“ Und morgen also wird Karol Wojtyla selig gesprochen, Papst Johannes Paul II., der Marcial Maciel noch gelobt und gefördert hatte, als dessen sexuelle Übergriffe an minderjährigen Kindern bereits bekannt gewesen waren. In der Amtszeit des polnischen Papstes wurden sexuelle Übergriffe gegen Kinder und Jugendliche durch katholische Würdenträger, wurden Mißbrauchsverbrechen vertuscht und verschwiegen. Eine vorbildliche Lebensführung kann ich darin nicht erkennen. Statt des Papstes sollte die Kirche einen anderen Polen selig sprechen. Janusz Korczak war Schriftsteller, Mitarbeiter beim polnischen Rundfunk, Arzt und Leiter eines von ihm selbst gegründeten jüdischen Waisenhauses. Zudem Herausgeber einer Kinderzeitung und Dozent an polnischen Hochschulen. Als die Nazis in Warschau das Ghetto errichtet hatten, wurde das jüdische Waisenhaus dorthin umgesiedelt. Korczak und die Kinder lebten fortan unter unerträglichen Bedingungen. Am Mittwoch, dem 5. August 1942, wurde Waisenhaus Korczaks in das KZ Treblinka verbracht. Janusz Korczak wurde mehrfach die Gelegenheit geboten, sein eigenes Leben zu retten. Aber er lehnte alle diese Angebote entschieden ab und ging gemeinsam mit “seinen” Kindern in den Tod.
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