Monat: April 2011

Beatifikation

Beatifikation, das ist die Seligsprechung. Nach dem Kirchenrecht der katholischen Kirche ist die Seligsprechung die feierliche Erklärung,  daß Gott einen verstorbenen Christen in die Gemeinschaft der Seligen aufgenommen habe. Der Verstorbene muß dafür ein besonders vorbildliches Leben geführt haben. Die Seligsprechung gilt als Vorstufe zur Heiligsprechung. Üblicherweise kann ein solcher Seligsprechungsprozess frühestens fünf Jahre nach dem Tod in Gang gesetzt werden. Morgen wird der vorletzte Papst, Johannes Paul II., selig gesprochen werden. Dazu hatte Papst Benedikt der XVI., Joseph Ratzinger, der amtierende “Heilige Vater” und engster Mitarbeiter von Karol Wojtyla, die vorgesehene Frist enorm verkürzt, nämlich auf nur drei Monate. Eigentlich kann es mir,  bin ich doch kein Katholik, vollkommen gleichgültig sein, ob die Kirche ihre eigenen Regeln einhält, verletzt oder dehnt. Karol Wojtyla war ein charismatischer Papst. Ein Papst, der eine entscheidende Rolle im erfolgreichen Kampf gegen den Kommunismus in Polen gespielt hat. Ein erzkonservativer Kirchenführer, der sich unerbittlich gegen sämtliche Reformbestrebungen innerhalb der Kirche gestellt hat. Aber auch das müssen die Katholiken mit sich ausmachen. Ich habe zwar Zweifel daran, daß ein Mensch, und sei er Papst, Wunder vollbringen kann. Ein Wunder nämlich ist die zweite Voraussetzung für die Seligsprechung. Gleichwohl: Sollen die katholischen Gläubigen doch von Wundertätigkeit des Karol Wojtyla überzeugt bleiben. Was mich jedoch berührt und nicht gleichgültig läßt, ist die Tatsache, daß der polnische Papst eng und freundschaftlich verbunden war mit Marcial Maciel, dem Ordensgründer der Legionäre Christi. Dieser Orden galt als fundamentalistisch und besonders konservativ. Seit den sechziger Jahren gab es öffentliche Kritik an Marcial Maciel und seinen Legionären. Er solle drogenabhängig gewesen sein und Knaben mißbraucht haben. Diese Vorwürfe wurden später bestätigt. Mehr noch: Nach seinem Tod stellte sich heraus, daß der eifrige Verteidiger des Zölibats Kinder in Spanien, Mexico und der Schweiz gezeugt hatte. Mit einer anderen Frau hatte er zwei weitere Kinder. In vielen Ordenshäusern der Legionäre wurden Jungen sexuell mißbraucht. Wohlgemerkt: Das alles sind nicht nur irgendwelche Gerüchte, sondern bestätigte Ergebnisse von Untersuchungen kirchlicher und staatlicher Stellen. Papst Benedikt XVI. schrieb am 1. Mai 2010, also genau ein Jahr vor der Seligsprechung von Karol Wojtyla: “„Das sehr schwerwiegende und objektiv unmoralische Verhalten von Pater Maciel, das durch unbestreitbare Zeugenaussagen belegt ist, äußert sich bisweilen in Gestalt von wirklichen Straftaten und offenbart ein gewissenloses Leben ohne echte religiöse Gesinnung.“ Und morgen also wird Karol Wojtyla selig gesprochen, Papst Johannes Paul II.,  der Marcial Maciel noch gelobt und gefördert hatte, als dessen sexuelle Übergriffe an minderjährigen Kindern bereits bekannt gewesen waren. In der Amtszeit des polnischen Papstes wurden sexuelle Übergriffe gegen Kinder und Jugendliche durch katholische Würdenträger, wurden Mißbrauchsverbrechen vertuscht und verschwiegen. Eine vorbildliche Lebensführung kann ich darin nicht erkennen. Statt des Papstes sollte die Kirche einen anderen Polen selig sprechen. Janusz Korczak war Schriftsteller, Mitarbeiter beim polnischen Rundfunk, Arzt und Leiter eines von ihm selbst gegründeten jüdischen Waisenhauses. Zudem Herausgeber einer Kinderzeitung und Dozent an polnischen Hochschulen. Als die Nazis in Warschau das Ghetto errichtet hatten, wurde das jüdische Waisenhaus dorthin umgesiedelt. Korczak und die Kinder lebten fortan unter unerträglichen Bedingungen. Am Mittwoch, dem 5. August 1942, wurde Waisenhaus Korczaks in das KZ Treblinka verbracht. Janusz Korczak wurde mehrfach die Gelegenheit geboten, sein eigenes Leben zu retten. Aber er lehnte alle diese Angebote entschieden ab und ging gemeinsam mit “seinen” Kindern in den Tod.

Schwarz-Gelb

Wer glaubt, aus diesem Blog eine deutliche Aversion gegen schwarz-gelb herauslesen zu können, der irrt sich gewaltig. Ich bin eindeutig für schwarz-gelb. Jedenfalls, wenn es sich um gelbe Trikots und schwarze Hosen sowie schwarz-gelbe Stutzen handelt, also um Fußball. Die schwarz-gelbe Borussia aus Dortmund ist Deutscher Fußballmeister. Und der 1. FC Köln hat den Dortmundern vorzeitig zu dieser Meisterschaft verholfen. Fehlt nur noch, daß der FC in den beiden noch ausstehenden Spielen den Klassenerhalt endgültig absichert. Gratulation an Jürgen Klopp und Gratulation auch an Volker Finke. Und prost.

Die öffentlich-rechtliche Hochzeit

Wahrscheinlich gehört es zur Chronistenpflicht auch öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, über eine Hochzeit bei britischen Royals zu berichten. Vermutlich ist durch den öffentlich-rechtlichen Sendeauftrag sogar die Stunden währende Übertragung gedeckt. Ob sich aber ARD und ZDF gestern einen Gefallen getan haben, als sie über viele Stunden hinweg parallel die gleichen Bilder ausgestrahlt und sich nur in der Kommentierung voneinander unterschieden haben, das wage ich dann doch zu bezweifeln. Mit Gebührengeldern (nahezu) identische Programme auszustrahlen, das haben die beiden Systeme bislang weitgehend vermieden. Beispielsweise wird bei Sportereignissen von Weltgeltung, etwa den Fußballweltmeisterschaften, sorgsam darauf geachtet, daß man im Wechsel berichtet, heute die ARD, morgen das Zweite. Private Sender sollen sich am öffentlichen Hype orientieren dürfen, für öffentlich-rechtliche Anstalten gelten andere Regeln. Gottlob. Wohltuend die Programmentscheidung bei Phönix. Dort gab es gestern den Themenschwerpunkt: Es lebe die Republik.

Blowing in the Wind

Es gibt einen Zickzackkurs, der nach vorne führt. Beim Segeln. Wenn der Wind von vorne bläst. Dann muß man kreuzen. Man fährt immer hoch am Wind und muß mehrere Wendemanöver durchführen, abwechselnd auf Backbord-Bug und Steuerbord-Bug segeln, um sich auf diese Weise dem Ziel zu nähern. Die SPD segelt aber nicht. Schon mal garnicht unter der Führung eines Kapitäns, der die Idee von einem klaren Kurs des Tankers hat. Die SPD taumelt. Im Zickzack. Von einem Kurs zum nächsten. Mal hierhin, mal dorthin. Und vom Ziel hat die Führung der SPD offenbar nicht einmal eine ungefähre Vorstellung. Nur der Wind, der bläst der SPD immer ins Gesicht. Bis kurz vor Ostern hieß die Parole: Parteiausschluß von Thilo Sarrazin. “Wer uns empfiehlt, diese Botschaft in unseren Reihen zu dulden, der fordert uns zur Aufgabe all dessen auf, was Sozialdemokratie ausmacht: unser Bild vom freien und zur Emanzipation fähigen Menschen.” So Sigmar Gabriel vor Monaten. “Und wer uns rät, doch Rücksicht auf die Wählerschaft zu nehmen, die Sarrazins Thesen zustimmt, der empfiehlt uns taktisches Verhalten dort, wo es um Grundsätze geht – und darüber jenen Opportunismus, der den Parteien sonst so häufig vorgeworfen wird.” Seit Gründonnerstag gilt ein anderes Motto: Doch kein Parteiausschluss von Sarrazin. Weil der Genosse eine ausgesprochen dürre und wohlfeile Erklärung abgab. Was gilt denn nun, Frau Nahles?  “Taktisches Verhalten und feiger Parteienopportunismus”? “Die Aufgabe des Bildes vom freien und zur Emanzpation fähigen Menschen”? Die Grundsätze der Partei? Und wenn ja, welche? Ich war nicht für den Ausschluß von Sarrazin aus der SPD. Weil eine Partei auch Narren aushalten muß. Und ein Parteiausschluß nicht vor einer Debatte schützt, die in und außerhalb der SPD auch mit kruden Argumenten geführt wird. Aber wenn ein solches Verfahren angestrengt wird, kann es nicht kurze Zeit danach auf derart erbärmliche Weise abgeblasen werden. Frau Nahles und Herr Gabriel haben der SPD keinen guten Dienst erwiesen. Die SPD sendet die Botschaft einer schlingernden Partei und einer nicht zu eindeutiger Kommunikation fähigen Führung.

Das stumme Waldmädchen

Silvana, welch schöner weiblicher Vorname. Waldmädchen. Das derzeit bekannteste Waldmädchen, Silvana Koch-Mehrin von der FDP, trägt auch (noch) den Vornamen Doktor. Aber damit dürfte es bald vorbei sein. Dann wird der schmückende Doktortitel wohl entzogen werden, weil die Vorzeigeblondine für ihre Dissertation geklaut hat, geistiges Eigentum anderer. Die als wenig arbeitsam angesehene EU-Parlamentarierin hat es sich auch mit ihrer Doktorarbeit leicht gemacht. Wie weiland der adlige Schnösel aus und von und zu Guttenberg. Die Vizepräsidentin des Europaparlaments hat nicht ganz soviel geklaut wie der Ex-Minister, aber immerhin lassen sich jetzt schon auf einem Viertel der Seiten ihrer Dissertation Plagiate finden. Die Marktliberalen, für die Eigentum nachgerade spirituellen Status hat, scheinen das geistige Eigentum gering zu schätzen, so lange es das geistige Eigentum anderer ist. Da kann geklaut werden, was das Zeug hält. Die geistig-politische Wende ist vor nicht zwei Jahren vom politischen Ziehvater des Waldmädchens, vom FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle, ausgerufen worden. Welch ungeheure Anmaßung. Und unser Waldmädchen schweigt, bleibt stumm. Ganz gegen ihre sonstige Art. Schon 1810 ist die Oper  “Silvana, das stumme Waldmädchen” von Carl Maria von Weber uraufgeführt worden. Geschichte ist bisweilen hintersinnig.

Kein Gott, kein Kaiser noch Tribun…

Als “nicht mehr zeitgemäß” bezeichnen die Grünen das Unterhaltungsverbot an Karfreitag. Und der Deutsche Bühnenverein assistiert: “Will man Ernst machen mit der christlichen Tradition des Karfreitags, muss man zu einer einheitlichen Lösung kommen, die für Radio und Fernsehen genauso gilt wie für alle öffentlichen Veranstaltungen.” Jeder solle nach seiner Facon selig werden. Es wird hohe Zeit, daß dieses große Wort des Preußenkönigs Friedrich II. von 1740 (!) auch im säkularen Deutschland Wirklichkeit wird. Wer feiern will, möge feiern. Ruhe und Besinnung für jene, die der Ruhe und Besinnung bedürfen. Niemand möge dem anderen vorschreiben, wie er die Tage vor Ostern zu verbringen hat. Niemand möge dem anderen verbieten, wonach diesem ist. Kein Gott, kein Kaiser, noch Tribun…

Mühe an Gründonnerstag

Morgen, an Gründonnerstag oder dem Tag der Sündenvergebung, dies absolutionis, macht sich die SPD in Berlin Mühe mit einem SPD-Mitglied. Mit Thilo Sarrazin. Geht es nach Andrea Nahles, der Generalsekretärin, wird Sarrazin aus der SPD ausgeschlossen. Und viele werden beipflichten. Ich nicht. Der Führung der SPD, soweit man von einer solchen sprechen kann, wird es nicht gelingen, die SPD von allen Narren mit Mitgliedsbuch per Ausschlußverfahren zu befreien. Sarrazin ist ein Narr. Mit kruden Thesen. Einer, der die Wissenschaft mit seinem Buch vergewaltigt und die Leser heillos unterfordert hat. Einer, dem mehr öffentliche Beachtung zukam, als seine Stammtisch-Thesen von vorgestern verdient hätten. Und einer, über den der Gang der Geschichte hinweggehen wird, ohne daß es zu bemerkenswerten Hinterlassenschaften kommen wird. Aber das Ausschlußverfahren wird der SPD mehr schaden als dem Noch-Genossen Sarrazin. Und entschieden ist der Vorgang noch lange nicht. Was, wenn der beabsichtigte Ausschluß am Ende am Parteiengesetz scheitern sollte? Viel Rumor um Nichts? Fast nichts. Eine Parteiführung, die sich, mal wieder, selbst beschädigt. Mit einem Gründonnerstagsei. Ach, ja, nach dem Handbuch des deutschen Aberglaubens soll ein Gründonnerstagsei als Gegenzauber zum Aufspüren von Hexen in den Gottesdienst mitgenommen werden.

Verzweifelte Selbstbeschäftigung

“Für Ende April 2011 hat die nordrhein-westfälische Landesanstalt für Medien (LfM) zum „Wedding Event“ eingeladen, in ihre Räume im Düsseldorfer Medienhafen. Die „Hochzeit des britischen Thronfolgers Prinz William von Wales mit Kate Middleton“, so die LfM, werde „ohne Zweifel das gesellschaftliche Ereignis des Jahres sein“. Die LfM möchte da nicht zurückstehen und gemeinsam mit BBC World News und dem britischen Generalkonsulat „bei typischem englischen Cream Tea“ die Möglichkeit bieten, „in einem angemessenen Ambiente die Zeremonie in London mitzuerleben und neue Kontakte zu knüpfen“. Dieser „Event“ verweist, wie viele eher skurrile Projekte der Landesmedienanstalten, symbolhaft auf den Zusammenhang zwischen realer Bedeutungslosigkeit und verzweifelter Selbstbeschäftigung, der wiederum für den Zustand der deutschen Medienpolitik insgesamt kennzeichnend ist.” Lutz Hachmeister und Thomas Vesting, gestern im Blog Carta unter der Überschrift: Das Elend der deutschen Medienpolitik.

5000 Taler…

5000 Euro am Tag erhält der Mann, der einst als Monatssatz für Hartz IV-Empfänger 132 Euro für ausreichend hielt. Friedrich Merz heißt der Mann, der Käufer für die marode West-LB finden soll und für seine Bemühungen mehr als fürstlich entlohnt wird. Ja, genau, der Friedrich Merz, der einst als CDU-Hoffnungsträger gestartet war und dessen politische Ambitionen dann an der Machtfestigkeit der Kanzlerin zerschellten. Friedrich Merz zog sich in seinen Anwaltsberuf zurück und die schwarz-gelbe Landesregierung unter Pinkwart und Röttgers schusterte dem Abgehalfterten diesen lukrativen Job zu, damit er nicht dem Armutsrisiko anheim fällt. Nein, nein, keine billige Neiddebatte. Aber man muß doch sagen dürfen, daß die Maßstäbe in unserer Gesellschaft augenscheinlich ins Rutschen gekommen sind, wenn jemand am Tag das bekommt, was einem Hartz IV-Bezieher im Jahr nicht zukommt. Albert Lortzing schien das geahnt zu haben, als er 1842 das Libretto für den “Wildschütz” schrieb, in dem es unter anderem heißt: “Fünftausend Taler! Fünftausend Taler! Träum’ oder wach’ ich? Zittre und zag’ ich? Wein’ oder lach’ ich? Götter, was mach’ ich? Wahr bleibt es ewig doch, das Glück ist kugelrund, vor kurzem war ich noch ein rechter Lumpenhund; nicht sehr viel mehr als Mensch und Christ, und nun auf einmal – Kapitalist! Dir dank’ ich, ew’ges Fatum, jetzt meines Glückes Statum!”