Schlagwort: Erika Steinbach

Loyalität, Stil und Anstand

Prof. Dr. Matthias Zimmer, Politikwissenschaftler und Bundestagsabgeordneter der CDU, hat einen offenen Brief an Erika Steinbach geschrieben und diesen am Samstag auf Facebook veröffentlicht. Hier einige Ausschnitte aus dem Schreiben an, für und über seine ehemalige Kollegin Erika Steinbach:

Offener Brief an Erika Steinbach

Liebe Erika Steinbach,

über die Medien hast Du uns wissen lassen, dass Du sowohl die CDU als auch die Fraktion verlässt. Damit ist ein langer, durchaus wechselseitiger Entfremdungsprozess an das vielleicht unvermeidliche Ende gekommen.

(…)

Du beklagst, die Politik der Kanzlerin breche Recht. Wir sind beide keine Juristen und deshalb auf die Expertise Dritter angewiesen. Das ist gerade in juristischen Fragen mitunter problematisch. Der Bundesminister des Inneren hat wiederholt in der Fraktion die Rechtsauffassung der Bundesregierung dargelegt, die der Deinen völlig entgegen steht. Diese Rechtsauffassung der Bundesregierung wird offenbar von namhaften Juristen geteilt.

(…)

Fleisch vom Fleische der CDU nennst Du die AfD. Dem kann nur ein groteskes Missverständnis entweder über das Programm der CDU oder der AfD zugrunde liegen. Die CDU war immer die Europa-Partei, die AfD will dieses großartige Friedenswerk zerstören. Für die CDU waren und sind die transatlantischen Beziehungen ein Markenkern, die AfD fühlt sich sehr viel stärker zu Putins Russland hingezogen. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Nichts von dem, für das die AfD steht, war oder ist Markenkern der CDU. Weder in der inhaltlichen Substanz noch im Stil der politischen Auseinandersetzung.

Dann sprichst Du über das Konservative. Für mich ist Konservativsein zunächst eine Haltung: Sie beinhaltet die Beachtung von Maß und Mitte, den Vorrang der Erfahrung über die Ideologie. Sie ist für mich aber auch mit der Betonung bestimmter Tugenden verbunden, die einmal leichtfertig als „Sekundärtugenden“ disqualifiziert worden sind. Dazu gehören Loyalität, aber auch Stil und Anstand.

(…)

Jetzt, gewissermaßen nach dem Ladenschluss Deiner politischen Karriere, jene Partei unter Absingen schmutziger Lieder zu verlassen, der Du diese ganze Karriere verdankst; der Kanzlerin Rechtsbruch zu unterstellen, die Dich sehr häufig in Deiner Arbeit als Präsidentin des Bundes der Vertriebenen und auch in der Fraktion unterstützt hat und ohne deren Hilfe auch das Zentrum gegen Vertreibungen nicht zu einem solch guten Ende gekommen wäre – all das kann ich persönlich nur schlecht mit meinen Vorstellungen von Loyalität, Stil und Anstand, auch nicht mit meinem Bild des Konservativen in Einklang bringen. Dankbarkeit, ich weiß es, ist keine politische Kategorie. Aber musstest Du uns das so deutlich vor Augen führen?

Nein, mit meinem positiv besetzten Bild eines Konservativen haben weder Deine Positionen noch Dein Verhalten etwas gemeinsam. Es bleibt doch ein ziemliches Geschmäckle, das auf Dein politisches Wirken rückwirkend einen dunklen Schatten wirft. Ich hoffe, dass Du mit Deinen neuen politischen Freunden der AfD, die Deinen Austritt aus der CDU hymnisch feiern, jene kongenialen politischen Partner findest, die Du bei der Union so schmerzlich vermisst hast. Nur eines will ich Dir auf die Reise mitgeben: Manchmal gibt es aus Syrakus keine Rückfahrkarte.
Mit freundlichem Gruß

Matthias Zimmer

 

Steinbach

Im September Zweitausendundzehn haben wir hier aus dem Blog von Michael Spreng zitiert, aus dem Sprengsatz. Schon vor mehr als sechs Jahren also hat man aus der Feder eines konservativen Publizisten lesen können, daß Erika Steinbach nicht konservativ ist, sondern reaktionär. Weiter schrieb Spreng seinerzeit: “Sie lässt all die Tugenden vermissen, die einen wirklich Konservativen ausmachen: Haltung, Wahrhaftigkeit, Anstand, Stil, gutes Benehmen. (…) Konservativ hat etwas mit Haltung zu tun, mit Prinzipienfestigkeit, mit Mut. Konservativ ist man nicht, indem man es behauptet, sondern indem man es im besten Sinne vorlebt. Dazu gehören die klassischen Sekundärtugenden: Standfestigkeit, Treue, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit.” Und nun ist Erika Steinbach aus der CDU ausgetreten. Mit Getöse. Daß diese Frau, auch noch Menschenrechtssprecherin der CDU-Bundestagsfraktion, die CDU aus eigenen Stücken verlässt und nicht schon vor Jahren von ihr ausgeschlossen wurde, sagt mehr über die Partei aus als über Frau Steinbach.

“Geistesverwirrung”

“Sprengsatz” ist Blog des konservativen Publizisten Michael Spreng überschrieben. Heute hat er mal wieder gesprengt. Unter dem Titel “Die Geistesverwirrung in der CDU” schreibt er unter anderem:

Es ist eines der absurdesten Missverständnisse der letzten Zeit, zu glauben, Erika Steinbach sei konservativ. Und noch absurder ist es, an ihrem Beispiel eine Diskussion darüber zu führen, ob die CDU noch konservativ ist. Denn Erika Steinbach ist nicht konservativ, sie ist reaktionär. Sie lässt all die Tugenden vermissen, die einen wirklich Konservativen ausmachen: Haltung, Wahrhaftigkeit, Anstand, Stil, gutes Benehmen.

Wie kann im Ernst über den Verlust des Konservativen in der CDU diskutiert werden am Beispiel einer Frau, die Geschichtsfälscher verteidigt, die Polen eine Mitschuld am Ausbruch des 2. Weltkrieges geben wollen? Wie konnte im Ernst Frau Steinbuch zur konservativen Symbolfigur hochgeschrieben werden, die dem polnischen Deutschland-Beauftragten Wladyslaw Bartoszewski, einem Auschwitz-Überlebenden, öffentlich einen “schlechten Charakter”  unterstellt?

Die Diskussion in der CDU (und in den befreundeten Medien) kann nur als Ausdruck einer Geistesverwirrung betrachtet werden. Da die Beteiligten selbst nicht mehr wissen, was konservativ ist, glauben sie, Erika Steinbach und der unselige Thilo Sarrazin seien konservativ. Damit werten sie eine der drei entscheidenenden Grundrichtungen der CDU/CSU dramatisch ab, machen sich gewissermaßen selbst und ihre Partei billig und schlecht, indem sie die Diskussion im falschen thematischen und personellen Kontext führen.

Konservativ hat etwas mit Haltung zu tun, mit Prinzipienfestigkeit, mit Mut. Konservativ ist man nicht, indem man es behauptet, sondern indem man es im besten Sinne vorlebt. Dazu gehören die klassischen Sekundärtugenden: Standfestigkeit, Treue, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit. Genau deshalb ist die CDU/CSU nicht mehr konservativ: ihre Politik ist nicht prinzipientreu, nicht standfest, nicht verlässlich. Und Schwarz-Gelb, die Partnerschaft mit der FDP, spricht allen Prinzipien von partnerschaftlicher Treue, von Stil und gutem Benehmen Hohn. Die CDU/CSU hat die konservativen Tugenden verloren, das ist ihr Problem.

Gut gegeben. Nur: Haltung, Wahrhaftigkeit, Anstand, Stil, gutes Benehmen, Standfestigkeit, Treue, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit, all dies sind keineswegs nur konservative Tugenden.  Es sind bürgerliche Werte, zu denen sich etwa Liberale oder Sozialdemokraten ebenso bekennen, sie ebenso vorleben können, wie Konservative es sollten. Konservative haben auf derartige Charaktereigenschaften keineswegs einen Alleinvertretungsanspruch.