Monat: November 2022

Revolution

Weniger als eine Revolution wird nicht reichen. Früher war ich sicher, daß der Satz umfassend gültig ist, Gesellschaft, Politik, Kultur betrifft. Heute bin ich sicher, daß er vielleicht nur, aber ganz sicher für den Weltfußball gilt. Wenn die FIFA nicht zerschlagen wird, wenn die weltweite Fußballgemeinde sich nicht eine vollkommen andere, nicht korrupte, nicht reaktionäre, nicht totalitäre Struktur und Organisationsform gibt, die Frieden und Menschenrechte achtet, demokratisch organisiert ist, gerecht handelt, nachhaltig, ökologisch, die Diktaturen und Autokraten ächtet, die Demokratie und weltweit sozialen Frieden fördert, ist der Weltfußball erledigt. Fußball wird weiter gespielt werden, auf den staubigen afrikanischen Plätzen, in den Favelas, auch in deutschen Siedlungen bis hin jeweils zu den nationalen Superligen. Ohne allerdings auch nur einen Funken von Restanerkennung. Soll die FIFA doch um das Wohlwollen und die Kohle der Putins, der Emire, der Xis oder argentinischer Putschgeneräle, alles schon gehabt, buhlen. Den Fußball verraten können sie nicht für immer. Und gegen alle Fans. Also: Revolution.

Die Blödheit der Binde

Heiliger Bimbam, wie blöd und scheuklapprig kann man eigentlich sein als Fußballweltverband? Auf die Menschenrechte laut Satzung verpflichtet, untersagt der Verband, wer ist das eigentlich genau? seinen Mitgliedern, beim Weltturnier mit einer Armbinde aufzulaufen, auf der zu lesen ist „One Love“. Da fällt mir nichts zu ein.

Christdemokratischer Genderblödsinn

Einige Tage sind es schon her, daß die CDU im Thüringer Landtag einen Antrag eingebracht und diesem mit den Stimmen der dortigen AfD zur Mehrheit verholfen hatte. Genau in jenem Landtag, in dem die Christdemokraten Arm in Arm mit nämlichen Nationalchauvinisten und Rechtsextremisten einem heutzutage kaum mehr bekannten Freidemokraten mit Wurzeln aus Aachen und spitzen Cowboyschuhen zu einer eintägigen Ministerpräsidentenschaft verholfen hatten. Dieser Herr, Kümmerlich oder so ähnlich, wurde vom rechten Verbund gewählt aus Angst vor einer weiteren Amtszeit eines Ministerpräsidenten aus der Reihen der Partei Die Linke. „Gendern? Nein Danke! Regeln der deutschen Sprache einhalten – keine politisch motivierte Verfremdung der deutschen Sprache!” So ist der Entschließungstext in schlechtem Deutsch überschrieben. Man kann die Furcht nachgerade riechen, die immer noch dort in der Thüringer Landeshauptstadt, in Erfurcht herrscht vor Sozialdemokraten, Linken, Liberalen und was sonst noch so alles in der gesellschaftlichen Mitte des politischen Zirkus angesiedelt ist und sich mühsam durch dieses Wortungetüm der Gegengenderentschließung auf uns zubewegt. Gendern. Uh. Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Genderns. Es wird uns alle mitreißen und uns von den Höhen teutonischer Dichtkunst, derer sich doch vor allem die konservativen Politiker allenthalben befleißigen, in den Orkus gleichmacherisch-sozialistischer Gendersprache zu schmettern. Was hat der Landtag nun wirklich beschlossen? Das verrät uns das Ergebnis dichterischer Walkkunst leider auch nicht wirklich. Ein Gesetz ist es nicht. Überhaupt nichts, was rechtsverbindlich sein könnte. Niemand wird ermächtigt, keiner wird angehalten, es gibt nach der Entschließung keine Berechtigung und keine Verpflichtung. Es ist wie mit dem freidemokratischen Ministerpräsidenten: Man weiß gar nicht, ob es den wirklich jemals gegeben hatte. Der Landtagsbeschluß stellt fest und fordert auf. Festgestellt wird das Narrativ vom natürlichen Sprachwandel, der der Mehrheit der Bevölkerung von ganz allein einleuchte. Davon unterscheide sich “ideologischer“ Sprachwandel, von einer “politischen Bewegung” herbeigeführt. Zum Sprachwandel berechtigt sei “ausschließlich der Rat für deutsche Rechtschreibung“, nicht etwa die Bevölkerung, also die Gesellschaft samt ihrer Strömungen. So. Basta. Beschlossen und Verkündet. Jedenfalls für Thüringen. Die Landtagspräsidentin solle nunmehr in der Innen- und Außenkommunikation des Parlaments “keine grammatisch falsche Gendersprache” mehr verwenden und die Landesregierung aufrufen, das entsprechend auch in Behörden, Schulen, Gerichten, Universitäten und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk durchzusetzen. Das hatte doch seinerzeit schon mit dem Ministerpräsidenten nicht geklappt. Man kann nicht mit den Rechtsaußen der Gesellschaft irgendetwas beschließen in der Hoffnung, die Bürgerinnen und Bürger hätten ihren Verstand und ihren Anstand an der Garderobe abgegeben und folgten dem rechten Blödsinn jetzt widerspruchslos. Und die Landesregierung geriete in erhebliche Verlegenheit, wollte sie Richterinnen, Journalisten, Hochschullehrern, Pfarrerinnen oder Schriftstellern oktroyieren, wie sie reden, schreiben oder verkünden sollen. Das darf gottlob niemand. Niemand.

Katar gegen Ecuador

Unsystematisches Gegrummel zur Fußballweltmeisterschaft

Ich bin mir gar nicht so sicher, daß ich mir das Fußballweltmeisterschaftsspiel zwischen Katar und Ecuador, das während einer Weltmeisterschaft, sagen wir in: Brasilien stattgefunden hätte oder in Polen mit Ungarn oder den Vereinigten Staaten von Amerika angesehen hätte im Fernsehen. Noch wesentlich jünger, vor vielen Jahren, gewiß. Da war jede Fußball-WM ein Ereignis mit Wucht, eines, von dem ich möglichst viel, möglichst alles mitbekommen wollte. Katar gegen Ecuador ist am kommenden Samstag das Eröffnungsspiel der diesjährigen Winterweltmeisterschsft im Wüstensand. Und von überall her ertönt der Ruf nach Boykott. Diese WM darf man sich nicht ansehen, wegen des Skandals eines völlig korrupten Vergabeverfahrens. Die schlechteste WM-Bewerbung aller Zeiten wurde belohnt. Die Spiele finden im Winter statt, weil der Sommer dort in Katar mit seinen fünfzig Grad doch zu heiß ist fürs Kicken. Sie finden dort statt, wo es wirklich keine Fußballtradition gibt. In einem sehr kleinen Land, kleiner als Schleswig-Holstein, am Rande einer Wüste, das touristisch kaum etwas zu bieten hat. Fußballfans, die die Spiele besuchen wollen, müssen sich mit äußerst rückständigen kulturellen und sozialen Umständen abfinden. Eine kleine, unendlich reiche Männergesellschaft regiert das Land nach islamistischem Gutdünken; die Arbeit wird von asiatischen Arbeitssklaven erledigt, denen alle sozialen Rechte genommen werden; Frauen werden Menschenrechte vorenthalten; Homosexuelle werden verfolgt. Kurzum: Der Wüstenstaat ist noch nicht in der Moderne angekommen. Ob das jemals gelingen kann mit der Ausrichtung eines Welt-Fußballturniers, bleibt fraglich. Der Boykott der Fernsehübertragungen wird Katar ebenfalls nicht zur Turboentwicklung verhelfen können. Die Spiele von Bayern München beispielsweise wurden von niemandem bis jetzt als sanktionsreif bewertet. Dabei ist einer der potentesten Finanzpartner des bundesdeutschen Abonnementsmeisters Katar und seine Fluggesellschaft. Die Spiele der englischen Profiliga sind auch völlig frei von Boykottüberlegungen, obwohl es dort, jenseits des Kanals sowie in Spanien, Frankreich oder Italien doch nur so wimmelt von Vereinen, die mit dem Kapital aus den schmuddeligen Öl- und Gasgeschäften im Nahen Osten zunächst saniert und hernach auf die Erfolgsspur gebracht worden sind. Durchaus vergleichbare Umstände werden schließlich mit ganz unterschiedlichen Ellen gemessen. Meine Lust am Boykott, noch selten wirklich ausgeprägt, wird nicht angefacht. Aber: Katar gegen Ecuador? Das wäre auch unter Bolsonaro oder der PIS-Partei kein Bringer. Das muß man nicht boykottieren. Das sieht man sich einfach nicht an. Als Teil eines Boykotts würde ein derartiges Spiel allenfalls noch geadelt. Zu dieser Begegnung kommt es nur, weil es der FIFA, dem Welt-Fußballverband, stets um die Steigerung der Anzahl der Teilnehmerländer an diesem Großereignis ging und geht. Mehr, mehr, mehr Mannschaften, mehr, mehr, mehr Geld. Und dann? Katar gegen Ecuador. Nein, ich boykottiere diese WM nicht. Aber ich schaue mir auch nicht mehr jedes Spiel an. Mal sehen. Vielleicht grummele ich einfach weiter …

Damage in the mind

Eine Fußballweltmeisterschaft im Wüstenstaat Katar ist eine mentale Schwäche, eine Geisteskrankheit, das Produkt von unermeßlichem Reichtum, von Gier, von Korrumpierbarkeit, kultureller Rückständigkeit und der Phantasie von Allmacht, der Glaube, daß Geld Berge versetzen könne. Das macht der Film des ZDF-Journalisten Jochen Breyer deutlich, der noch im Archiv des ZDF zu besichtigen ist: Geheimsache Katar. Unbedingt sehenswert.
In dieser Dokumentation geht es darum, wie die Fußball-WM in den Wüstensand gesetzt wurde, welche Uhrengeschenke an Karlheinz Rummenigge welche Rolle spielten bei der Vergabe des Turniers an diesen arabischen Kleinstaat,, was homosexuelle Besucher in dem Staat erwartet, der nur äußerlich modern ist, was Architektur angeht, Technik, kulturell aber noch ein paar Jahrhunderte hinterher hinkt. Das Wort von der Damage in the mind ist übrigens die Zuschreibung des katarischen Weltmeisterschaftsbotschafters an Homosexuelle. Frauen habén letztlich nicht die Rechte, die Männer sich gegriffen haben. Fürs Arbeiten hält man sich Quasi-Sklaven, meist aus Asien. Die Unsicherheit bleibt: kann man sich ab dem zwanzigsten November der WM zuwenden? In Ruhe Fernsehfußball schauen? Sicher ist das nicht. So wenig, wie allein der Fernsehboykott als psycho-hygienisch gelten kann.