Monat: Juli 2021

Bosbach: Wahlkampf für Maaßen

Morgen, am heiligen Sonntag, wird Hans-Georg Maaßen, rechtslastiger CDU-Bundestagskandidat mit Nähe zu Nazipositionen gemeinsam mit dem CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach aus Bergisch Gladbach auftreten. Der Star-Pianist Igor Levit hatte die Ankündigung des Treffens zwischen Maaßen und Bosbach auf seinem Twitter-Account geteilt und bundesweit bekannt gemacht. “Ich bin erschüttert und zornig. Aber leider in diesem Fall nicht wirklich überrascht.“ Es ist kein Linksradikaler, kein Sozialdemokrat, niemand aus der Antifa, der so seine Bestürzung beschreibt. CDU-Urgestein Ruprecht Polenz antwortet den Wahlkampfauftritt mit dem rechtsextremen Provokateur. SPD-Mitglied Lauterbach twittert: „Das ist eine Blamage für die ganze CDU. Maaßen ist zu nah an Nazi-Position.“ Dem Unions-Kanzlerkandidaten attestierte er zugleich, er sei wohl zu kraftlos, um derartiges zu unterbinden. Oder kann man sich vorstellen, daß Laschet diese öffentliche Verbrüderung billigt? Ein Pröbchen Maaßen gefällig? „Ich bin vor dreißig Jahren nicht der CDU beigetreten, damit heute 1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen.” Dieser Mann geht mit rassistischen Bemerkungen hausieren. Macht sich Merkel-Kritiker Bosbach auf seine alten Tage mit dem Maaßenschen Rassismus gemein? Maaßen hatte auch gefordert, Redakteure der Tagesschau einer Gesinnungsprüfung zu unterziehen. Ein eindeutiger Angriff auf die Pressefreiheit. Von einem ehemaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes. Unglaublich. Anders als Bosbach kritisierte der CDU-Ministerpräsident des Saarlandes, Tobias Hans, diese Position scharf. Hat Bosbach seinen politischen Kompass komplett verloren? Maaßen fällt immer wieder mit rechtsextremen, antisemitischen und verschwörungsgläubigen Äußerungen auf. CDU-Chef Armin Laschet lehnt es ab, innerparteilich gegen Maaßen vorzugehen oder dessen Positionen öffentlich zu kommentieren. Es wird Zeit für eine klare Position in der CDU: Maaßen ist nicht tragbar für Demokraten. Maaßen ist nicht tragbar für Christdemokraten.

https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/bundestagswahl/id_90547584/bosbach-trifft-maassen-blamage-fuer-die-ganze-cdu-.html

„Hol die Kameltreiber“

Niklas Arndt, bundesdeutschen Radfahrer, wurde beim Olympischen Zeitfahren heute, hinter einem Fahrer aus Algerien und einem aus Eritrea liegend, vom Radsporttrainer Patrick Moster mit diesem rassistischen Satz „angefeuert“. Es wird Zeit, einen solchen Trainer zu feuern. Sigmar Gabriel hatte seinerzeit Recht: Pack.

Impfzwang

Christian Lindner, Wortführer, hat sich für die Rechte Ungeimpfter ausgesprochen. Sie dürften Geimpften gegenüber nicht benachteiligt werden. Und es müsse eine “politische Garantie” geben, dass ein neuer Lockdown ausgeschlossen werde. Die liberale Bürgerrechtspartei, jedenfalls früher, unter anderen Führern, kämpft für das Recht auf verschwurbelt-wissenschaftsfeindlichen Populismus, auf das Recht des einzelnen, seine Gesundheit über die Impfung der vielen anderen in der Gesellschaft zu sichern, selber aber unbehelligt zu bleiben von der kleinen Spritze. Die öffentliche Antwort folgt auf dem Fuße. Niemand geringeres als der Weltärztepräsident übte scharfe Kritik an der Haltung der FDP. Wer wie die Liberalen eine Impflicht “durch die Hintertür” vermute und mehr Rechte für Geimpfte ablehne, bediene “einen primitiven Populismus” und verstehe “den Begriff der Freiheit nicht richtig”. Frank Ulrich Montgomery: “Es gibt keinen Grund, Geimpften und Immunen ihre Grundrechte weiter vorzuenthalten, nur weil ein paar ewige Skeptiker sich der Impfung entziehen.” Als Kind wurde ich gegen die Pocken geimpft, wie alle anderen Menschen auch. Die Pocken sind ausgerottet, weltweit. Niemand fragte seinerzeit nach der genauen Zusammensetzung der Impfstoffe, niemand nach den Folgen der Impfung. Hauptsache, man war vor den Pocken gefeit. Es folgten später Impfungen gegen Masern, Diphtherie, Tollwut und Polio. „Schluckimpfung ist süß – Kinderlähmung ist grausam.“ Wer erinnert sich? Später dann, als ich beruflich nach Lateinamerika mußte, gab es eine Gelbfieberimpfung, ohne die man in viele Länder dort nicht einreisen darf. Impfzwang. Alles ohne das Tamtam, das heute veranstaltet wird von ach so besorgten Zeitgenossen, die indes keine Besorgnis haben, sich mit zwielichtigen Gestalten von Rechtsaußen zusammenzutun im Kampf gegen den kleinen Piekser. Nein. Ich habe die verschwurbelten, wissenschaftsfeindlichen, verblödenden Tiraden und Verschwörungserzählungen gegen Ärzte, medizinische und andere Wissenschaften, gegen Politiker und politische Parteien, gegen Institutionen der Demokratie und in der Demokratie gründlich satt. Das nicht einmal mehr auf Groschenromantiefstniveau befindliche Geseiere von den Gatesschen Chips, die bei der Impfung implantiert werden, oder den Reptiloiden, die in Berlin und Washington die Fäden ziehen, nicht hingegen in Moskau, von der Merkeldiktatur, der verlorengegangenen Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik, von den Fake News. Ich habe das alles satt. Und frank und frei bekenne ich: Ich bin für Impfzwang. Ich bin für Sanktionen gegen jene, die sich weigern und auf den Gesundheitsschutz aus der zweiten Hand spekulieren, darauf, daß sich genügend Impfwillige in der Gesellschaft finden. Trittbrettfahrer ist ein verharmlosender Begriff, wie Abstauber oder Schnorrer. Schmarotzer wäre zutreffender, weil das Parasitäre in dieser Haltung besser anklingt, den eigenen Vorteil von anderen geliefert zu bekommen und selbst nichts tun zu müssen für das eigene Wohlergehen. In den allerseltensten Fällen ist die Ablehnung des Impfens gleichsam ein religiöses Dogma, wie die Ablehnung der Bluttransfusion bei den Zeugen Jehovas. Es ist immer gedankliche Armut, zumeist gepaart mit Bequemlichkeit, beseelt von einer nachgerade modischen egomanischen Gesellschaftsfeindlichkeit, gewürzt von politischer Ahnungslosigkeit und völlig fehlendem Geschichtsbewusstsein, zusammengerührt mit esoterischer Quacksalberei und vermengt mit masochistischer Lust an den Verschwörungsmärchen für Erwachsene. Nein. Ich bin für eine auch mental gesündere Gesellschaft. Ich bin für das Impfen. Für das Impfen aller Menschen gegen Covid-19.

Alles Gut? 

Zu feige zum Aufstehen

VON WOLFGANG HORN

Alles gut, weil Björn Höcke bei seinem Misstrauensvotum im Thüringer Landtag nur die Stimmen seines eigenen Haufens bekommen hat, der AfD? Alles gut, weil niemand sonst bei der Abstimmung der völkisch-nationalistischen, der rechtsextremistischen Partei auf den Leim gegangen ist? Alles gut, weil sich das Fiasko vom Februar Zweitausendundzwanzig nicht wiederholt hat, als sich ein Herr Kemmerich (FDP) von der AfD hat auf den Ministerpräsidentensessel hieven lassen? Nichts ist gut in Thüringen. Rein formal ist das Misstrauensvotum abgeschmettert worden. Aber: Die CDU hat sich an der Abstimmung nicht beteiligt. Man mache sich klar: Ein Mann, der gerichtlich attestiert als Rechtsextremist bezeichnet werden darf, ein Mann, der sich öffentlich vielfach mit kruden, mit empörend-menschenfeindlichen Thesen, mit rassistischem Gedankengut hervorgetan hat, dessen Ansinnen vor allem ist, die demokratische Ordnung verächtlich zu machen, dieser Mann stellt den Antrag, im Parlament in Thüringen zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden, und die Partei, die sich ihrer eigenen Aussage nach von einer christlichen Grundüberzeugung, von einem christlichen Menschenbild leiten läßt, stimmt nicht mit NEIN. Eigentlich unvorstellbar. Björn Höcke hat es erneut geschafft, eine bürgerliche Partei öffentlich vorzuführen. Die Abgeordneten blieben sitzen, wo Aufstehen angebracht war, nahmen an einer Abstimmung nicht teil, in der ein vernehmliches Nein erforderlich gewesen wäre. Ein kläglicher Haufen, der in einer historisch bedeutsamen Abstimmung feige kneift, keine Haltung gegen demokratiefeindliche Machenschaften der völkischen Nationalisten zeigt. Wenn die Angst herrscht, daß doch jemand aus diesem Zirkel mit der AfD gemeinsame Sache machen könnte, ist es schlecht bestellt um diese Partei. In Thüringen nahmen seinerzeit die Nationalsozialisten die ersten Hürden in Deutschland. Man wird immer wieder daran erinnert. Kann es unter diesen Umständen wirklich verwundern, daß im Thüringer Süden zur Bundestagswahl auf dem CDU-Ticket dieser Herr Maaßen kandidiert, der bereits vielfach hat erkennen lassen, daß er mit einer erheblichen Sehschwäche auf dem rechten Auge ausgestattet ist? Kein Wort vom Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten zur Causa Thüringen. Kein Wort vom Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten zur Causa Maaßen. Kein Wort vom Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten zur Aufkündigung einer Vereinbarung, mit der Neuwahlen in Thüringen ermöglicht werden sollte. Eine Partei im Koma.

Einäugiger Bandit

IOC das ist das Internationale Olympische Komitee. Zuständig für die Organisation und Vermarktung der alle vier Jahre stattfindenden olympischen Spiele. Ein Sportfest, das Sportler aus aller Welt zusammenführt, das für den Frieden steht, für Völkerverständigung. So seit jeher die samtene Rhetorik der Offiziellen. Hinter dieser indes regiert seit langem der brutale Profit. Covid-19 hin, Covid-19 her: The Games musst go on. (Avery Brundage, einst IOC-Präsident in München Neunzehnhundertvierundsiebzig). Jetzt in Tokio. Wegen der stramm steigenden Infektionszahlen erstmalig ganz ohne Zuschauer. The Games musst go on. Ohne Games keine Sponsorengelder, keine weltweiten TV-Lizenzeinnahmen. Ohne Games keine Kohle. Darum geht es, um Kohle, Geld, Zaster, Cash, Penunsen. Von wegen Sport, von wegen Völkerfreundschaft, von wegen friedliche Spiele. Die Olympischen Spiele sind zum einarmigen Banditen der Herren in Grau im IOC denaturiert. Pandemie? Krankheitsrisiken? Covid-Neunzehn-Tote? Auf diesem Auge sind die grauen Herren blind. Der Blick aus dem anderen Auge reicht soeben für die Bilanzen und Bankauszüge. Der IOC-Chef, der einstige Weltklassefechter Thomas Bach, ist, nicht nur aktuell in Japan, zum Unsympathen der Sportwelt geworden. Die Zuschauer in Tokio und Umgebung sehen die Spiele ebenso wie die Menschen auf den Fidschi-Inseln, in Austin, Wermelskirchen oder Andorra, nämlich nur auf dem Bildschirm, nicht im Stadion, nicht in den Sporthallen und Schwimmarenen. Die Sportler und die sie begleitenden Trainer und Delegationen sind einem hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Weit mehr als einhundert Sportler haben sich im Notstandsgebiet Tokio bereits infiziert. Es werden ganz gewiß noch weitere folgen. Und wozu das alles? Damit sich die korrupte Szene in dieser Weltsportorganisation wieder die Taschen füllen kann? Ist es das wert? Wenn Sport nur noch aufs Ökonomische reduziert wird, vollends zur Ware wird, verliert er seine Faszinosität. Diesen Sport, diese Olympischen Spiele à la Bach brauchen wir nicht.

Update: Kleiderordnung für den Arsch

Ist es wirklich wahr? Die norwegischen Beachvolleyballerinnen müssen ein Bußgeld zahlen, weil sie in kurzen Radlerhosen angetreten sind und nicht im knappen Bikinihöschen? Die Welt ist aus den Fugen. Die Pandemie kann weltweit noch nicht besiegt werden, in vielen Regionen verhungern Kinder, in Flutkatastrophen ertrinken Menschen und werden ihre Habseligkeiten weggeschwemmt und zerstört, in Deutschland, Belgien, Österreich, China, weltweit, im Mittelmeer ertrinken Flüchtlinge, in Weißrußland und anderswo verrotten Menschen in Kerkern und Gefängnissen – und der Beachvolleyballverband will das knappe Bikinihöschen retten, das so manchen Sportlerinnenpo nicht wirklich zu bedecken vermag. Ist die Attraktivität der Sportart wirklich nur mit halbnacktem Sportlerinnenarsch zu retten? Was für ein armseliges Bild entwerfen sexistische Funktionäre vom eigenen Sport? Silke Wichert schreibt im Magazin der Süddeutschen, die Bikinihöschen seien den Norwegerinnen „zu freizügig und schlicht zu unbequem, vor allem, wenn man gerade seine Periode hat“ und legt mit dem Satz nach: Jede Frau, die schon mal versucht hat, drei Meter in Badehose zu laufen, ohne sich ständig am Po rumzunesteln, weiß ungefähr, wovon die Rede ist. Jeder Shitstorm ob der Kleiderordnung ist gerechtfertigt. Hier geht es um den Arsch, nicht um die Klamotten. Anfang des Jahres allerdings wollten zwei deutsche Beachvolleyballerinnen in Katar an einem Turnier teilnehmen. Allein: Dort durften sie nicht in den knappen Bikinihöschen ihren Sport ausüben. Das sei zu anstößig. Das arabische Emirat ist heutzutage immer noch bikinifrei. Und schließlich: deutsche Turnerinnen traten im April erstmals in langen Turnanzügen an. Nix Popo, nix Bein. Kurzum: Sportlerinnen und Sportler sollten sich kleiden können, wie sie wollen, wie es praktisch ist für den Sport, ohne Vorschriften von Verbandsfunktionären, Zensoren, Spannern, Kulturbeauftragten, Geistlichen, Sittenwächtern oder Politikern.

Update: Natürlich hat Dieter Winskowski Recht. Es handelt sich um die norwegischen Beachhandballerinnen, die Strafe zahlen mußten, weil sie ihren Po nicht mehr in Gänze zur Schau stellen wollten. Die Argumente bleiben. Selbst wenn es Beachschachspielerinnen wären, die ihren Sport in selbstgewählter Sportbekleidung ausüben wollten.