Schlagwort: Bergische Morgenpost

Die Bergische Morgenpost und Online-Leserkommentare

In der Onlineausgabe des Lokalteils der Bergischen Morgenpost kann man, wenn die Redaktion das einrichtet, als Leser seinen Kommentar zu einzelnen Beiträgen abgeben. Das ist wohl als interaktives Beteiligungsverfahren gedacht, als Tribut an die vielfältigen Möglichkeiten des Internets, als Möglichkeit, Leser über ihre eigene Aktivität, ihr Mitmachen und ihre Bewertungen an den Lokalteil und die Zeitung zu binden, den Kommentierenden womöglich als Abonennten zu gewinnen. Der kommentierende Leser liefert der Redaktion so ein unmittelbares Feedback. Die Redaktion, sollte man als unbedarfter Leser der Zeitung annehmen, folgt mit der Möglichkeit von Leserkommentaren einem durchdachten Konzept. Sie fungiert als Moderator der Kommentarspalte, garantiert eine gewisse Text- und Inhaltsqualität, verhindert, daß es auf ihrer Seite zu ähnlichen, nicht nur sprachlichen, Entgleisungen kommt, wie wir das aus einer Reihe von sozialen Netzwerken bereits kennen, und gestaltet, ordnet, erläutert und korrigiert den Reigen der Leseräußerungen. Die Auswertung der Kommentare, der Themen, der Positionen, des sprachlichen Niveaus liefert der Redaktion Hinweise und Informationen über den Online-Leser, das ach so unbekannte Wesen, seine Vorlieben und Merkmale, seine Einstellungen oder Sympathien, und kann mithin helfen, die redaktionelle Linie abzusichern, zu verändern, zu konturieren. Online-Leserkommentare sind, so verstanden, ein wertvoller und nicht zu unterschätzender Input in die Redaktion.  So sollte man meinen. Allein: Die Wirklichkeit ist, wie meist, viel profaner. Profan, welch schönes Wort. Zunächst bedeutet es ungeheiligt, vor dem Heiligen, weltlich, wird aber heutzutage meist im Sinne von alltäglich, banal oder trivial verwendet. Also, noch einmal: Die Online-Leserkommentare der Bergischen Morgenpost folgen keinem Konzept, keiner klugen Idee der Zeitungsmacher. Die Kommentarspalte wird nach Gusto eingerichtet, wie’s gerade paßt. Mal ja, mal nein. Mal ist Leserbeteiligung gefragt, mal nicht. Wer gerade den Hut aufhat in der Redaktion. So trivial ist die Redaktionswirklichkeit, so banal, so simpel. Kein Konzept, keine übergeordnete Idee, keine Vorstellung von Stilfragen oder Niveauvorgaben, keine Auseinandersetzung mit den Inhalten der Leserkommentare, keine Einordnungen. Kommentare werden beispielsweise gelöscht mit einem dürren Verweis auf die Kommentarregeln, die natürlich wiederum an anderer Stelle zu finden sind. Kein Hinweis an die Leser, inwiefern der Inhalt des Kommentars nicht mit der Redaktionslinie übereinstimmt. Auch keiner darauf, daß etwa die sprachliche Ebene des Textes der Redaktion nicht genügt. Einfach gelöscht. Von wegen Moderation der Kommentarspalte. Die Redaktion hat mit Moderation nichts am Hut. Die Leser sollen kommentieren. Sonst nichts. Basta. Dann wird gelöscht oder nicht gelöscht. Je nachdem. Auf keinen Fall aber wird erklärt, erläutert. Wo kämen wir denn auch hin, machte die Redaktion ihr Handeln verständlich? Ganz konkret. Die Morgenpost hat am fünfundzwanzigsten November einen Beitrag veröffentlicht, der über die Absicht einer Kirchengemeinde berichtet, am Jahrestag der Abschiebung einer Bürgers dieser Stadt erneut eine Mahnwache vor dem Rathaus durchzuführen. Und die Redaktion hat die Online-Kommentarfunktion geöffnet. Über den Kommentar eines Lesers, der, in fehlerhaftem Deutsch, Asylanten schlechthin zu Kriminellen und Betrügern erklärt, entspann sich eine rege Kommentardebatte, in deren Verlauf die Redaktion vier Kommentare mit dem oben beschriebenen Hinweis löschte. Die Kommentare sind in ihrer Folge nun nicht mehr wirklich zu verstehen. Mehr noch. Mittlerweile hat die Redaktion alle Kommentare gelöscht. Ohne jeden Hinweis. Ohne jede Erklärung. Wer im Online-Archiv der Bergischen Morgenpost nach diesem Beitrag und den Kommentaren sucht, findet nur noch den Beitrag. Der aktive Leser, der der Aufforderung der Redaktion nachkommt und einen Kommentar zum Beitrag schreibt, kann sich nur düpiert vorkommen. Lesermißachtung. Erst soll er schreiben. Dann, nach kurzer Zeit, sind alle Kommentare verschwunden. Auch die, die nicht gegen die Kommentarregeln verstoßen. Welch ein Irrsinn. Welch ein unbedachter Umgang mit dem Leser. Qualitätsjournalismus.

Tam-Tam

Nun muß nicht jede Partei einen ausgewiesenen Sozialwissenschaftler in den Reihen ihrer örtlichen Gliederungen haben oder einen Experten für statistische Untersuchungen. Wenn man als lokale Partei aber dafür stadtbekannt ist, sich aufzublasen und zu blähen schon für genuin politische Aktivitäten zu halten, wäre eine Rückversicherung bei einem Experten für sozialwissenschaftliche oder statistische Untersuchungen schon ganz hilfreich. Damit ein Rest von Glaubwürdigkeit bleibt, wenn man die Menschen in der Kommune befragt. Eine statistische Untersuchung, hier die als Befragung getarnte Verteilung von Postkarten, vor allem durch den örtlichen Edekamarkt an die Wermelskirchener Wahlbevölkerung durch die WNK, steht und fällt mit der Fragestellung. Wenn man wirklich herausfinden will, was Wähler zu bestimmten lokalen Themen und Problemstellungen denken, dann kann man etwa offene Fragen stellen und damit den Befragten die Gelegenheit geben, gänzlich ohne Vorgaben differenziert zu antworten. Oder man sieht mehrere unterschiedliche Antwortmöglichkeiten vor, zwischen denen sich die Angesprochenen wirklich entscheiden können. Fragt man indes danach, ob man für die Schaffung und den Erhalt von fußläufig erreichbaren Lebensmitteläden im Stadtzentrum und den Stadtvierteln sei, kann einem schon der gesunde Menschenverstand, also ein Verstand weit vor sozialwissenschaftlicher Spezialkompetenz samt Grundwissen in der Auswertung statistischer Verfahren, vor der Befragung sagen, daß, abgesehen von den Voten wirklicher Idioten, kaum Neinstimmen zu erwarten sein werden. Warum auch? Und genauso verhält es sich auch mit zwei weiteren Fragen: Ist man für oder gegen die Beseitigung der Industrieruine Rhombus? Wer könnte wachen Sinnes mit Nein stimmen? Neben den bereits genannten Idioten doch bestenfalls die ein, zwei Exemplare aus dem Messiefreundeskreis “Wir lieben das Marode des Zerfalls”, die man hier in Wermelskirchen finden dürfte, wenn überhaupt. Die Postkartenwurfaktion entpuppt sich also bereits beim ersten Hinsehen als irgendetwas, jedenfalls nicht als eine Befragung. Wo die Antwort keinen Sinn hat, stiftet auch die Frage keinen. Die nicht unter Betreuung stehenden Bürger dieser Stadt können nur mit Ja antworten. Ähnlich verhält es sich mit der Frage, ob man für oder gegen den Erhalt des Lochesplatzes als zentralen Kirmes-, Park- und Veranstaltungsplatzes sei. Die nun von der WNK präsentierten “Ergebnisse” unterstützen diese These. Mehr als neun von zehn “Befragten” antworten mit Ja. Erwartungsgemäß. Nun kann man das alles aber nicht als sozialwissenschaftliche Schwäche werten, sondern eher als demagogische Stärke. Die Mitglieder und Verantwortlichen der WNK, soweit ich sie kenne, sind allesamt durchschnittlich bis überdurchschnittlich kluge Menschen. Denen ist das alles völlig klar und einsichtig, was ich hier schreibe. Aber es geht ja auch nicht um Klugheit, sondern um Politik und Moral. Und in dieser Hinsicht gilt die Feststellung, daß auch die größte Klugheit einzelner die Gruppe der WNK nicht davon abhalten konnte, einen vermeintlichen Coup, einen Wahlkampfcoup zu landen. Frage das Selbstverständliche, das Nicht-Entscheidbare und du bekommst ein hohes Ergebnis. Zwei weitere Fragen gab es noch. Eine nach der Verlegung des Wochenmarktes auf den historischen Marktplatz und eine nach der Ansiedlung eines XXL-Supermarktes auf dem Rhombusgelände. Hier handelt es sich um die einzigen Themenstellungen, bei denen die Ja-Nein-Auswahl sinnvoll ist. Irgendwie war es ja allen Beobachtern klar, daß sich eine Mehrheit gegen den Markt auf den Marktplatz aussprechen würde, weil es dort zuwenige Parkmöglichkeiten gibt und die schiefen Ebenen keinen optimalen Standort bieten. Zudem war es absehbar, daß die Umfrage der WNK eine wenn auch dünne Mehrheit für die Ansiedlung eines Edekamarktes auf dem Rhombusgelände ergeben würde. Sonst hätten sich die WNK-Befrager ja wenige Tage vor der Kommunalwahl öffentlich ein Eigentor attestieren müssen. Und was zuvor schon klar war, ist hernach auch eingetreten. Knappe Mehrheit gegen den Markt auf dem Markt und knappe Mehrheit für den XXL-Markt auf Rhombus. Mit anderen Worten, die Befragung, die keine war, ist bloßes Wahlkampftamtam. Dem Befragungstamtam folgt das Auswertungstamtam. Tamtam mit bunten Balkengrafiken. Tamtam mit der jedenfalls in sozialwissenschaftlicher Hinsicht frechen Behauptung, die “Befragung” sei repräsentativ, weil ja fast alle Wermelskirchener Bürger die Möglichkeit gehabt hätten, an der Befragung teilzunehmen. Tamtam. Aufgeblasenes Tamtam. Eine Stichprobe ist dann repräsentativ, wenn von ihr auf die Grundgesamtheit geschlossen werden kann. Wenn sie also mit Blick auf die Fragestellung die Meinung der Gesamtheit ausdrückt. Nicht umsonst steht und fällt die Wissenschaft der Statistik mit der Kunst der Stichprobenbildung. Das lernt man in jedem Statistik-Proseminar. Die WNK hat keine Stichprobe gezogen. Das kann sie vermutlich auch gar nicht. Das könnte keine Partei am Ort. Aber sie bläst sich  auf. Mal wieder. Der Statistikfachmann der WNK, Dr. Werner Güntermann, versteigt sich gar zur Behauptung in der Presse, weil sich eintausendachtundachtzig Bürger unter Angabe ihres Namens beteiligt hätten, “sei das Ergebnis ein repräsentatives Meinungsbild”. MuhahaDoktortiteltamtam. Erst dieses Zitat in der Bergischen Morgenpost hat mich darauf gebracht, mir die Auswertungsdaten von der WNK zu besorgen. Ich wollte nämlich nicht glauben, was ich dort gestern habe lesen dürfen. Irgendein Praktikant, so meine erste Vermutung, hat kenntnislos schreiben dürfen. Aber nein, weit gefehlt. Der Chef war’s. Persönlich. Aus seiner Feder stammt die vollkommen kritikfreie Würdigung der “Befragung”. Die Morgenpost als Wahlkampfbüttel für die WNK. Auch auf lokaler Ebene wird die Presse als vierte Gewalt begriffen. Über Politik und staatliche Macht, über Parteien und Politiker wird berichtet, die Presse kritisiert, wenn Kritik notwendig ist, stellt richtig, wenn Politik und Politiker falsch liegen, Öffentlichkeit wird herstellt, wo Geheimniskrämerei stattfindet. In diesem Sinne fällt die Hälfte der hiesigen Presse als Teil der vierten Gewalt aus, jedenfalls vor der Kommunalwahl. Schade.

Anregung

Schön. Frau Tillmanns von der Bergischen Morgenpost liest hier noch. Nur drei Tage, nachdem ich auf die teils verschnarchten Internetpräsenzen einzelner Wermelskirchener Parteien hingewiesen habe, namentlich Büfo oder Linke, erscheint heute ein Artikel in der Morgenpost, der sich der Selbstdarstellung der hiesigen Parteien im Netz widmet. Gut so. Ich bin gerne Anreger.

Comeback?

“Wenn einer die FDP aus der Misere herausführen kann, dann ist es Christian Lindner.” So der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge im Kölner Stadtanzeiger. Ein interessantes Lob, kommt es doch von einem Professor, der für die Linke im deutschen Bundestag sitzt und standhaft gegen neoliberale Positionen anschreibt. Aber es ist wohl wahr: Wenn jemand das Zeug hat, das intellektuelle und politische, die einst bedeutsame, inzwischen aber zur radikal neoliberalen Ein-Thema-Wirtschaftspartei verkommene liberale Partei wieder auf einen Kurs zu bringen, der auch Menschen jenseits der Rechtsanwaltsberufe, Zahnärzte, Notare und Finanzdienstleister, der Versicherungsunternehmen, Banken oder Hedgefonds anzusprechen in der Lage ist, dann ist es der Jüngste aus der blau-gelben Boygroup. Kein Wunder, daß Lindner in der Bergischen Morgenpost gar als “Lichtgestalt” bezeichnet wird. Christian Lindner hat jedenfalls vor geraumer Zeit schon publiziert, daß sich die liberale Partei aus der politischen Verengung lösen und stärker die gesamte Bandbreite des politischen Liberalismus repräsentieren muß. Fraglich bleibt, ob das substanziell mehr ist als bloße Garnierung des politischen Kurses, den die FDP in den letzten Jahren, im letzten Jahrzehnt unter Westerwelle eingeschlagen hat. Und bei dieser Kursverengung waren sie alle schon dabei, auch jene, die jetzt das Sagen haben, nach Westerwelle, gegebenenfalls sogar nach Rösler. Auch Christian Lindner. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Dieser große Satz des russischen Philosophen und Staatenlenkers Gorbatschow kennzeichnet eben nicht nur die Honeckers dieser Welt, sondern womöglich auch die Lindners. Die FDP hat nun diesen Versuch in Nordrhein-Westfalen. Im Grunde sind sich alle Auguren einig: die FDP hat bei den drei anstehenden Landtagswahlen kaum eine Chance in die Landtage zurückzukehren und sich weiter an den Fleischtrögen der Macht zu laben. Sie hat fürs erste: abgewirtschaftet. Politisch und personell ist sie ausgezehrt. Blass. Bläulich-Gelblich. Und also ist das Risiko für den bis zum Dezember als Generalsekretär der Bundes-FDP agierenden Christian Lindner überschaubar. Jedenfalls das persönliche Risiko. Schafft er es, die FDP in Nordrhein-Westfalen auf ein erträgliches Maß diesseits der Zwei-Prozent-Marke zu hieven oder gar an die oder über die Fünf-Prozent-Grenze, dann wird er zum umjubelten Guru. Bleibt die FDP dort, wo sie sich jetzt nach allen Umfragen befindet, im politischen Nichts, hinter Piraten, auf Augenhöhe mit den Tierschutz- und Bibelparteien, bei den Sonstigen, dann wird es heißen, daß nicht einmal das größte politische Talent der FDP in der Lage war, in dieser kurzen Zeit das Ruder herumzureißen. Und Landesvorsitzender der FDP wird Christian Lindner bleiben. Die Machtbasis für später ist gelegt. Die FDP wird ja nicht verschwinden. Die Wähler haben sie, zu Recht, wie sich die Partei derzeit präsentiert, aus den Augen verloren. Christian Lindner ist nicht nur das große politische Talent der FDP, er ist auch das jüngste Talent. Er hat die Zeit auf seiner Seite. Auch für ein Comeback. Ein persönliches Comeback. Ein Comeback seiner Partei. Partei und Lindner müssen sich für ein Comeback allerdings häuten, die verhornte Schlangenhaut des unsozialen Neoliberalismus abstreifen. Originalton Christian Lindner: “Oskar Lafontaine hat unlängst behauptet, die Kernforderungen des Freiburger Programms würden heute nur noch von der Partei „Die Linke“ vertreten. Er hat Recht, denn tatsächlich formuliert nur noch seine Partei eine Sozialpolitik im Stil der frühen siebziger Jahre.” Da haben wir das Muster. Rückgriff auf die Freiburger Thesen der FDP. Öffnung, Erweiterung des verengten Blick auf die politische und gesellschaftliche Lage im Land. Und zugleich die Denunziation als gestrig. “Objektiv betrachtet hat Deutschland ein historisch und weltweit nahezu einmaliges Niveau an sozialer Sicherheit erreicht. Inzwischen sind Folgeprobleme erkennbar: Mitunter wirkt der Wohlfahrtsstaat wie ein Magnet, der Menschen in seiner Sphäre hält, statt sie in die Selbstverantwortung und Teilhabe an Arbeit zurückzuführen.” Christian Lindner, schauen Sie sich um im Land. Ohne bläßlich blau-gelbe Brille. Unzählige Menschen befinden sich in unserer reichen Republik in prekären Lebens- und Arbeitsverhältnissen, sind gleichwohl fleißig, leistungsbereit und arbeitsam. Das Niveau sozialer Sicherung in unserem Land ist hoch, zweifelsfrei. Gleichwohl verhindert es nicht, daß immer Menschen in immer unsichereren Verhältnissen zu Leben gezwungen sind, daß die Spaltung in Oben und Unten, in Arm und Reich zugenommen hat. Daß einige wenige von den Krisen profitiert und viele diesen Profit mit finanziellen Verlusten, sozialen Einschränkungen, mit Sorgen und Ängsten zu bezahlen haben. Zu dieser Erkenntnis verhilft ein vorurteilsfreier Blick auf die Wirklichkeit ohne ideologische Verengung. Nicht einmal “links” muß man sein, um zu einem solchen Urteil zu kommen. Man kann sogar ein Liberaler sein. Denn: “Wer Angst vor Armut, Alter, Arbeitslosigkeit oder Krankheit haben muss, der ist nicht frei”, so Christian Lindner im gleichen Text. In der Tat: Armut, Arbeitslosigkeit oder Krankheit und die Ängste, arm zu werden, die Arbeit zu verlieren, die Familie nicht mehr ernähren zu können, krank zu werden und das Ganze nicht bezahlen zu können, hindern die Menschen an gesellschaftlicher Teilhabe, an Selbstverantwortung. Das Sozialsystem ist eben kein Magnet. Mit dem Leben im Sozialsystem sind in aller Regel Einschränkungen, Deformationen, Defizite verbunden, auch an der Würde der Menschen. Selbst wenn die eigentliche Klientel einer liberalen Partei nicht die große Zahl von Arbeitnehmern und Angestellten sein sollte, kommt man mit der Denunziation dieser Menschen als nicht arbeitsam und in der sozialen Hängematte eingerichtet politisch nicht sehr weit. Das haben die Ereignisse der letzten beiden Jahre zur Genüge bewiesen.  Die Besserverdienenden sind eben nicht automatisch auch die Leistungsbereiten. Boni für Bänker, die veritable Pleiten hingelegt haben, sind das Gegenteil von Prämien für Leistungsbereitschaft. Und die Leistungsbereiten sind eben nicht auch automatisch die Besserverdienenden. Wo wäre die deutsche Wirtschaft denn heute, in und nach der Krise ohne die Vielzahl fleißiger Arbeiter und Angestellter, die unter Verzicht auf Lohnerhöhungen seit Jahren die Räder rollen lassen? Zudem hat die Krise gelehrt, daß Mißbrauch von sozialen System eben nicht nur bei denen da unten stattfindet. Steuerhinterziehung oder Subventionsbetrug sind um nichts ehrbarer als die Hartz IV-Mogelei. In der Dimension eher gewaltiger. Die Gier des Geiz-ist-geil steht der Gier des Hast-Du was- Bist-Du-was der Finanzwirtschaft nach. Kurzum: Ich kann mir eine Erneuerung der liberalen Partei nicht denken ohne eine geschärftere Wahrnehmung der sozialen Wirklichkeit. Wer das soziale Leben der Menschen ausblendet, mehr noch: wer die Ängste und Sorgen der Menschen in ihrer Mehrheit als dekadent denunziert, den bestraft das Leben, an der Wahlurne. “Vierzig Jahre nach den Freiburger Thesen ist aber auch wieder – um das Wort aufzunehmen – eine ‘Reform des Kapitalismus’ dringlich.” Stand bei Karl-Hermann Flach, dem Autor der Freiburger Thesen der FDP, noch die soziale Teilhabe der Menschen an den Ergebnissen wirtschaftlichen Handelns im Vordergrund, Mitbestimmung, so ist für Lindner die Reform des Kapitalismus eine neue Balance zwischen Markt und Staat. “Der Mittelständler fühlt sich von Bürokratie und Fiskus drangsaliert – und zugleich entfesselten Gewalten ausgeliefert. Vom Staat erwartet er zu Recht den Schutz einer fairen Freiheitsordnung. Stattdessen hat sich der Schuldenstaat selbst in die Abhängigkeit der globalen Finanzmärkte begeben.” Das ist das eigentliche Feindbild der FDP, der Staat. Die Märkte gehen vor Staat. Der Staat hat die Aufgabe, die Märkte zu schützen. Mehr nicht. Der Staat aber sind wir alle. Das Volk, die Regierenden, die wirtschaftlich Handelnden, die Verwaltung, die Gesetze, die Regeln, die Politik, das Recht, die Gesetze, Parlamente. Das Gemeinwesen und seine Grundidee. Wir geben uns einen Staat, wir treten Rechte ab an den Staat, als einzelne, als Gemeinschaft, damit der Staat uns schützt, damit der einzelne geschützt wird vor Übergriffen. Wir geben uns einen Staat, damit jemand die Regeln durchsetzt, die wir uns im Gemeinwesen geben. Märkte führen nicht per se zu sozialem Ausgleich. Märkte sind in ihrer Folge eher chaotisch denn geregelt. Märkte garantieren nicht Freiheit, Demokratie, soziales Wohlergehen. Der Staat kann das. Nur der Staat. Deshalb geht Staat vor Markt. Politik vor Wirtschaft. Macht vor Geld. Jedenfalls im Prinzip. Lindner hat Recht. An dieser Stelle geht es darum, wie die Balancen beschaffen sind, zwischen Staat und Markt, zwischen Staat und Einzelnem, zwischen Politik und Wirtschaft, zwischen Markt und Bürokratie. Und da ist viel aus der Balance geraten, da hat sich vieles verkehrt. “Heute besteht diese Reform (des Kapitalismus, W.H.) in der Wiederbelebung der Sozialen Marktwirtschaft – als Regelrahmen der Märkte.” Einverstanden. Der ungezügelte Kapitalismus, vor allem die Finanzwirtschaft, braucht einen Regelrahmen, der Wirtschaft wieder vom Kopf auf die Füße stellt. Verluste dürfen nicht mehr sozialisiert, also der Gemeinschaft aufgehalst werden, während Gewinne privatisiert werden. “Wer baute das siebentägige Theben. In den Büchern stehen die Namen von Königen. Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?” Mit diesen Fragen beginnen die Fragen eines lesenden Arbeiters von Berthold Brecht. An den Gewinnen weniger ist immer auch auch die Leistung vieler beteiligt. Die Balance der Verteilung stimmt nicht. Der Kapitalismus muß reformiert werden. Gezügelt. Es muß umverteilt werden. Nach den Kriterien gesellschaftlicher Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist keine Marktkategorie. Das ist eine moralische und dann auch eine politische Forderung, Position. Gerechtigkeit ist das höherwertige Gut. Früher auch für die Liberalen. “Die Freiburger Thesen haben zu Recht den Blick dafür geschärft, dass die Verwirklichung von Lebenschancen Voraussetzungen hat: beispielsweise eine tolerante Gesellschaft, materielle Grundsicherung, individuelle Bildung und intakte natürliche Lebensgrundlagen. Ohne diese Ressourcen wird Freiheit zu einer bloß formalen Möglichkeit.” Ich stimme Christian Lindner zu. Die Freiburger Thesen haben den Blick auf die individuellen Lebenschancen geschärft, den Blick aber auch auf die Voraussetzungen für diese Lebenschancen. Es geht eben um mehr als die lediglich formale Möglichkeit zur Lebensverwirklichung, zu sozialer Sicherheit, zu individueller Bildung, einer intakten Umwelt. Ein Blick, ein Blickwinkel, der der liberalen Partei von heute verloren gegangen ist. Nur wenn Lindner es schaffen sollte, den Blick und das Handeln der FDP aus der neoliberalen Verengung zu befreien, wird die FDP eine neue Chance bekommen. Und das ist kein Programm für die wenigen Wochen bis zur Landtagswahl. Über diese Arbeit kann man schon vierzig und älter werden. “Aber in der Politik ist alles möglich.” So jedenfalls Bürgermeister Eric Weik heute in der Bergischen Morgenpost.

Subbotnik

Ich kann mich dunkel an eine Losung in der DDR erinnern: “Schöner unsere Städte und Gemeinden – Mach mit!” Das war, wie ich eben nachgelesen habe, eine der größten Aktionen der Nationalen Front der DDR, quasi eine staatlich gelenkte Bürgerinitiative in Form eines sozialistischen Wettbewerbs, und hatte die Verbesserung des Wohnumfeldes zum Ziel. Die DDR-Bürger waren aufgerufen, in ihrer Freizeit und an Wochenenden unentgeltliche Arbeitsleistungen vor allem bei der Verschönerung ihrer unmittelbaren Umgebung zu erbringen. Auf gut russisch: Subbotnik. Meist beteiligte man sich im Rahmen von Haus-, Wohngebiets- oder Dorfgemeinschaften, örtlichen Organisationen, Sport- oder Arbeitskollektiven. Erfolgreiche Städte und Gemeinden wurden sogar mit Urkunden, Medaillen und Geldprämien ausgezeichnet. Warum ich das jetzt schreibe? Weil ich gerade in der Bergischen Morgenpost gelesen habe, daß der Verkehrs- und Verschönerungsvereinen Stadt, Dhünn und Dabringhausen, der  Sauerländische Gebirgsverein und die Stadtverwaltung die 38. Aktion “Wermelskirchen putzmunter, saubere Stadt” ausgerufen haben. Am Samstag, dem  24. März, werden sich also wieder viele Helfer am großen Frühjahrsputz in der Innenstadt und anderen Stadtteilen beteiligen. “Doch diesmal”, so schreibt Gundhild Tillmanns in der Morgenpost,  “steht die Aktion unter einem besonders brisanten Vorzeichen: Das bürgerschaftliche Engagement, sich selbst auch aktiv um eine saubere und schöne Umgebung zu kümmern, soll und muss angesichts leerer kommunaler Kassen Schule machen.” Manfred Schmitz Mohr, VVV-Vorsitzender und Büfo-Ratsherr, wird mit den Worten zitiert, daß “noch nicht alle begriffen (haben), dass wir bei dem hohen Verschuldungstand unserer Stadt alle wieder selbst mit anpacken müssen. (…) Ich hoffe aber, dass unsere Aktion Schule macht.” Hat sie schon, Schule gemacht. WNKUWG, SPD, CDU und Grüne werden sich am “Putzmunter-Tag”, den Henning Rehse von der WNK ausgerufen hat, einem gemeinschaftlichen Unkrautjäten auf dem Rathaus-Vorplatz, beteiligen. In der Morgenpost heißt es: “Abgelehnt haben laut Rehse aber Büfo und FDP. Die Begründung: Etliche Büfo-Mitglieder seien an dem Tag bereits in den Verschönerungsvereinen engagiert, teilt Peter Scheben mit. Außerdem halte er das Arbeiten hinter dem Sperrzaun am Rathaus nicht für sinnvoll: ‘Der Bürgermeister dürfte so etwas gar nicht genehmigen’, schreibt Scheben.” Die FDP aber, vom neuen “Wir-Gefühl” beseelt, wie es neulich auf ihrem Parteitag in Wermelskirchen hieß, und in Ihrer “Durchstartphase”, hat andere Termine und beteiligt sich nicht am von Gundhild Tillmanns zu Recht beschworenen “bürgerschaftlichen Engagement”. Die WNK habe doch” genug Beute-Liberale für die Aktion”. Mit dieser Antwort soll die FDP Henning Rehse abgefertigt haben haben. Der liberale “Seitenhieb”, wie Frau Tillmanns schrieb – es ist wohl eher ein veritabler Arschtritt – , zielt auf den Parteiübertritt der einstigen Führungsmitglieder Anja und Werner Güntermann aus der FDP in die WNK. WNK und FDP werden wohl doch nicht mehr wirklich Freunde fürs Leben. Naja, die Republik wird bald nicht mehr von der FDP (mit)regiert, da wird man es ertragen können, wenn die FDP auch beim Subbotnik “Stadtentrümpelung” schon kneift. Wir-Gefühl hin, Wir-Gefühl her. Apropos Subbotnik: Von der DDR lernen, heißt siegen lernen, oder?

Unke und Stunk

Huch! Was man mit einem kleinen, einem winzigen Sätzchen so anrichten kann. Da hatte ich doch, als ich neulich das Bild der örtlichen FDP auf dem Dabringhauser Karnevalszug veröffentlicht hatte, die folgenden neun Worte eingefügt: Die Wermelskirchener FDP braucht einen Rettungsschirm. Das verstehe ich. Und schon gibt es Stunk. In der Bergischen Morgenpost von heute schreibt Gundhild Tillmanns, ohne ihren Lesern allerdings anzugeben, wo sie meinen Blog finden können, leider: “Auf Ortsebene ist die FDP mit ihrem Auftreten auf dem Rosenmontagszug in Dabringhausen neue Wege gegangen. Und schon erntet sie Häme: ‘Die Wermelskirchener FDP braucht einen Rettungsschirm’, schreibt der Wermelskirchener Wolfgang Horn jetzt in seinem Internet-Blog. Tatsächlich hatte die FDP den ‘(finanziellen) Rettungsschirm für Wermelskirchen’ auf dem Karnevalszug thematisiert. Und der designierte Partei-Chef Horst Walter Schenk verwahrt sich denn auch gegen die Darstellung von Wolfgang Horn: ‘Die FDP Wermelskirchen braucht keinen Rettungsschirm!”‘, betont Schenk im Gespräch mit der BM.” Mann, Mann, ihr blau-gelben Spaßbremsen. Macht doch keinen Stunk aus Karnevalsunke. (Ein schönes altes Wörtchen im übrigen, Unke. Es meint nicht nur die Kröte, sondern auch Schwarzseherei. Nicht mal Blau-Gelb-Seherei:) Et es, et wor doch Fasteloovend. Und wer antritt mit der launigen Formel vom “Rettungsschirm für Wermelskirchen”, der darf sich nicht so protestantisch-unkarnevalistisch anstellen und sogar “verwahren” wie der designierte FDP-Vorsitzende Schenk, wenn man ihm das Motto vom “Rettungsschirm für die FDP” entgegenhält. Das ist alles andere als Häme, Frau Tillmanns. Bestenfalls Spott. Wobei auch Häme, also Schadenfreude, eine große Rolle spielt im rheinischen Karneval. Was soll eigentlich der Ex-Bundespräsident sagen? “Wir brauchen einen Rettungsschirm für Wermelskirchen.” So. Das ist jetzt die korrekte Wiedergabe des Textes auf dem Mottowagen der Wermelskirchener FDP. Das kann zudem jeder Besucher meines kleinen Blögchens lesen, das Bild ist nämlich ausreichend groß. Nur mit dicken blau-gelben Pads auf den Augen wird man an dieser Aufgabe scheitern. Damit müßte den blau-gelben Stunkern jetzt genug Genugtuung beschieden sein. Aber wenn ich mich dann entscheiden müßte, hielte ich einen Rettungsschirm für die FDP dennoch für angebrachter als einen für unsere Stadt. Die wird auch noch bestehen, wenn die FDP längst das Zeitliche gesegnet hat.  Im übrigen: Die blau-gelben Funker hätten hier doch schon längst kommentieren können. Aber vermutlich lesen die hier nicht. Frau Tillmanns aber riskiert offenbar immer mal wieder einen Blick in dieses kleine Meisterwerk, obwohl doch die Wogen der Kommunalpolitik schon länger nicht mehr so hoch schwappen. Chapeau. Und Dank für die Treue. Sie haben doch meine Telefonnummer und können  mich erreichen. Mit Ihnen und den Herren Schenk und Manderla hätte ich nämlich auch gerne gesprochen, wenn eine Veröffentlichung über Themen meines Blog in der Lokalpresse geplant ist.

Nachtrag (18:06 Uhr): Sieh an, Sieh an! Die Bergische Morgenpost hat dann doch einen Link gesetzt zu diesem kleinen Blog. Danke.

“Unser” Christian

“Unser Christian” heiratet. Diese Formulierung samt Possessivpronomen hat die Lokaljournalistin Gundhild Tillmanns in ihrem Beitrag in der Bergischen Morgenpost  verwendet. Es geht um den aus Wermelskirchen stammenden Generalsekretär der FDP, Christian Lindner, der in dieser Woche von seinem Freund, Bürgermeister Eric Weik, mit der Journalistin Dagmar Rosenfeld vermählt wird. Christian ist fortan also “unser” aller Christian. Gundhild Tillmanns Begeisterung über dieses gesellschaftliche Großereignis ist mit Händen zu greifen: Ein Heiratsantrag auf einer Serviette in einem Restaurant auf Fuerteventura, das Traugespräch mit dem Bürgermeister, die vorgezogene Hochzeitsreise auf der “Queen Mary”. Die Morgenpost schlüpft in die Rolle der örtlichen “yellow Press”. Selbst vor einer weiteren Peinlichkeit scheut das Wermelskirchener Gesellschaftsblatt nicht zurück: “Ob Lindner und Rosenfeld wie weiland in dem Kino-Film ‘Untergang der Titanic’ in memoriam Leonardo DiCaprio und Kate Winslet die berühmte Liebesszene am Schiffsbug nachgespielt haben, ist nicht überliefert.” Originalton Tillmanns. Im Gesellschaftsblatt assoziiert man mit dem Untergang der Titanic Winslet und DiCaprio. Im seriösen Journalismus wohl eher den Niedergang der Partei Christian Lindners. Einerlei. Christian Lindner heiratet. Gut so.  Eric Weik traut. Gut so. Alles kein Grund für mediokre Schmachtfetzen in der lokalen Presse. “Unser” Christian wird Christian Lindner bleiben – für Werner Güntermann, Heinz Jürgen Manderla, Patrick Engels, für die Mitglieder und Freunde der FDP. Für alle anderen bleibt er Christian Lindner, ohne “unser”. Ich gratuliere dem Brautpaar und wünsche beiden ein Fest, an das sie noch lange denken werden. Möglichst ohne Lokaljournalisten.

Zitieren will gelernt sein

Gestern Morgen, auf der Autobahn zwischen Burscheid und Leverkusen, im Stau. Das Handy klingelt. Frau Tillmanns ruft mich an, von der Bergischen Morgenpost. Sie lese ja immer noch regelmäßig meinen Blog und auch das, was ich beispielsweise im Blog von Petra Weber geschrieben hatte zum Thema Polizeistation in Wermelskirchen. Das freue mich, antwortete ich. Ob sie, fragt Frau Tillmanns mich, zitieren dürfe, was ich so zu diesem Thema geschrieben hätte? Na klar, das dürfe sie. Mein Blog ist öffentlich, der Blog “Petraswelt” auch. Und heute Morgen die Überraschung: Im Artikel der Bergischen Morgenpost mutiere ich zum langjährigen SPD-Mitglied. Frau Tillmanns hätte nur ihren eigenen Artikel aus dem August letzten Jahres korrekt abschreiben müssen, um entscheidende Fehler zu vermeiden. Damals wurde ich noch als langjähriges Mitglied der DKP bezeichnet, was zwar richtig war, aber auch damals schon Jahrzehnte her. Mehr als zwei Jahrzehnte lang war ich kein Mitglied irgendeiner Partei. Ich bin also nicht aus Politikverdrossenheit ausgetreten, wie Frau Tillmanns schreibt, ich war niemals drin, in der SPD. Mitglied der SPD, Gastmitglied wohlgemerkt, bin ich seit der vergangenen Bundestagswahl. Also erst seit etwa einem Jahr. Und also auch nicht seit der Kommunalwahl, wie Frau Tillmanns fälschlicherweise schreibt. Auch das aber hätte sie aus ihren eigenen Artikeln korrekt zitieren können. In einem Kommentar auf einen Beitrag von Petra Weber in ihrem Blog hatte ich geschrieben: “Nicht die Medien machen das Thema. Die Menschen sind es, denen das Thema auf den Nägeln brennt.” Im Artikel von Frau Tillmanns wird daraus: “”Das ist das Thema, das den Menschen unter den Nägeln brennt.” Also, ein Zitat ist das nicht, sondern eher eine sachlich zwar richtige, dennoch aber eine freie Wiedergabe. Am 21. Oktober habe ich hier geschrieben: “Mit feigem Schweigen, mit dem Verweis auf andere Instanzen werden Parteien den Nöten der Menschen in unserer Stadt  nicht gerecht. Sicherheit ist eines der Grundbedürfnisse der Bürger. Und wenn sie diese Sicherheit gefährdet glauben, ist es Aufgabe der Parteien, den Menschen zu erläutern, daß und inwiefern die Sicherheit gewährleistet werden kann.” In der freien Übersetzung von Frau Tillmanns wird daraus: “Nun mahnt er aber ‘seine’ SPD und nicht nur die, sondern alle Parteien vor Ort an, die jetzt seiner Meinung nach ‘dazu schweigen und ignorieren, was die Menschen da draußen umtreibt’: Und das seien nun mal das Sicherheitsbedürfnis der Menschen und die Angst vor der geplanten Schließung der Polizeiwache. “Das ist das Thema, das den Menschen unter den Nägeln brennt”, beobachtet Horn.” Und wiederum: Kein Zitat, eine freie Übersetzung. Inhaltlich nicht wirklich falsch, aber eben kein Zitat. Die Anführungszeichen suggerieren wörtliche Rede, sind indes freie kreative Leistung von Frau Tillmanns. Aus dem Satz: “Eine SPD, die den Qualm in der Stadt nicht sieht, nicht riecht, die versagt. Weil sie sich die Chance nimmt, mit den Bürgern über das zu sprechen, was sie umtreibt.” macht Frau Tillmanns ihren eigenen Satz und garniert ihn mit Anführungszeichen, die ein Zitat von mir deutlich machen sollen: “Es ist Qualm in der Stadt. Eine SPD, egal welche Partei, die den Qualm in der Stadt nicht sieht, nicht riecht, die versagt, weil sie sich die Chance nimmt, mit den Bürgern über das zu sprechen, was sie umtreibt”. Hat man zwischenzeitlich in der Journalistenausbildung darauf verzichtet, die Bedeutung von Anführungszeichen, von wörtlichen Zitaten zu lehren? Darf man als wörtliches Zitat kennzeichnen, was eine eher freie Übersetzung des Journalisten, der Journalistin ist? Ich bin da anderer Meinung. Ein wörtliches Zitat ist und bleibt ein wörtliches Zitat. Sätze, die so gekennzeichnet sind, müssen sich im Original auch so finden lassen. Man kann einen Originaltext aber auch raffen und zusammenfassen oder mit eigenen Worten wiedergeben. Dieses Verfahren aber hat Frau Tillmanns nicht gewählt. Aber was kann ich erwarten? Wenn Frau Tillmanns schon aus ihren eigenen Artikeln nicht korrekt zitieren kann, wie soll sie das denn dann aus fremden Texten tun? Schade. Die lokale Presse ist mir zu wichtig, um mit dem Achselzucken des Bedauerns über diese Fehlleistung hinwegzugehen.

Stuttgart 21 in Wermelskirchen?

“Stuttgart 21 auch bei uns”. Bei uns in Wermelskirchen. So eine reißerische Überschrift aus der Bergischen Morgenpost. Viel weniger reißerisch ist dann der Artikel. Unser Bürgermeister stammt aus Stuttgart und wäre er heute dort, befände er sich auf der Seite der Bahnhofsbefürworter. Das ist sein gutes Recht. Auch als schwäbischer Dellmann. Als Bürgermeister äußert er sich aber auch zum Bürgerprotest und kommt zu erstaunlichen Einsichten. Das Stuttgarter Bahnhofsprojekt sei zwar seit Jahren bekannt, “den Bürgern aber nicht ausreichend kommuniziert worden. Und das ist auch unser Problem in Wermelskirchen, vor allem bei unpopulären Entscheidungen.” “Doch Weik”, so schreibt die Morgenpost weiter, ” sieht die Verantwortung für diese weit verbreiterte (Original der Bergischen Morgenpost, W.H.) Reaktion von Bürgern auch bei der Verwaltung und der Politik: ‘Wir haben ein ganz großes Problem, unsere Themen und Entscheidungen auch zu kommunizieren. Dagegen müssen wir etwas tun.'” Gut gebrüllt, Löwe. Verquaste Verwaltungssprache, unverstehbares Politikerdeutsch, semantische Täuschungsversuche, all dies trägt nicht unwesentlich zur Entfernung von Bürgern und Politik bei. “Professionelles Know-how von PR-Agenturen”, wie Eric Weik es für wünschenswert hält, ist indes kaum eine gute Lösung. Glatt gestrichene Public- Relations-Phrasen wären nur eine weitere Form der Uneigentlichkeit, der Täuschung.  Politiker, lokale Parteien, Bürgermeister, Stadtverordnete oder Kommunalbeamte müssen wieder lernen, die Sprache der Bürger zu sprechen, die Dinge offen und einfach formuliert auf den Punkt zu bringen, sich öffentlich so zu äußern, daß man sie ohne Übersetzer zu verstehen in der Lage ist, Interessen hinter vermeintlichen Verwaltungs- oder Politikzwängen offenzulegen – kurzum: mit den Bürgern in das Gespräch auf Augenhöhe einzutreten. Das wäre schon genug. “Stuttgart 21” in Wermelskirchen? Ach iwo. Das war doch nur der Überschriftentrick von Frau Tillmanns. Und wenn schon: Ein bißchen Protest müsse die Politik gelegentlich auch mit starkem Rücken aushalten, zitiert sie den Bürgermeister. Stimmt. Und freuen sollte sich die Politik, wenn sich die Bürger einmischen, wenn sie ihre Meinung sagen, wenn sie sich Gehör verschaffen gegen Parteien, Verwaltungen oder Politiker. Denn nichts ist gesünder für die Demokratie als muntere Bürger, die sich selbstbewußt zu Wort melden. Stuttgart 21 in Wermelskirchen? Ach iwo. Schade.