Monat: Juli 2014

Doktorin sein und bleiben

Meine – und ihre – neue Botschafterin im Vatikan, die ehemalige Bundesforschungsministerin, Annette Schavan, war niemals Doktorin. Wegen absichtlicher Täuschung in ihrer Dissertation wurde ihr der Doktortitel von der Universität aberkannt. Damit wird rückwirkend, wie es in einer dpa-Meldung heißt, ein rechtswidriger Verwaltungsakt aufgehoben. Frau Schavan war mithin niemals Doktorin. Und dennoch behauptet sie, nach der gleichen dpa-Meldung, in ihrem offiziellen Lebenslauf als neue Botschafterin beim Heiligen Stuhl, sie habe Neunzehnhundertachtzig zum Dr. phil “(gültig bis 2014)” promoviert. Wie war das mit dem achten Gebot? Dieses achte Gebot verpflichtet die Christen immer und unbedingt auf die Wahrheit und richtet sich gegen alle Formen der Lüge. Botschafterinnen am Heiligen Stuhl  nicht ausgenommen.

Schavan_pdf

Das Problem in den oberen Etagen

Die Probleme in den Fernsehsendern liegen deutlich in den oberen Etagen. Die liegen da, wo die Redakteure selber nicht mehr frei sind, was sie machen können, wo sie einen inneren Druck auf sich selbst ausüben, der aber ein Druck von oben ist und der die berühmte Schere im Kopf und die Vorstellung, was man alles nicht machen sollte, so in die Redaktionen hinein puscht, dass dann echte Defizite dabei herauskommen.

Filmregisseur Dominik Graf im Gespräch mit Sigrid Fischer, Deutschlandfunk

Waldmeister

Weltmeister. Fühlt man gar nicht so im Alltag. Beschwert nicht und erleichtert nichts. Aber wie bin ich es geworden, am Sonntag Abend? Ich habe gebrüllt und geschrieen. Vor Angst und Sorge und Enttäuschung und Hoffnung. Den Schiedsrichter habe ich beschimpft, wahlweise als parteiischen Lakaien der FIFA oder als italienischen Büttel der Argentinier. Weil er selbst die übelsten Fouls der südamerikanischen Tretertruppe übersehen hat. Tretertruppe. Das habe ich meiner Gattin am Sonntag wohl mehrmals erklärt, ob sie es nun hören wollte oder nicht, daß nämlich die Argentinier sich seit jeher als gemeine Tretertruppe erwiesen haben, die auf alles treten, was sich in einem weißen Trikot bewegt, nur weil wir ihnen den Ball nicht abgeben. Hat irgendjemand schon einmal ein faires und sauberes Spiel der Gauchos gesehen gegen eine überlegene Mannschaft aus Schland? Gauchos. Sie merken, warum ich das hier schreibe? Waren es nicht die Gauchos, die argentinischen, die Zweitausendundsechs nach dem verlorenen Spiel gegen die Deutschen eine miese Schlägerei angefangen haben? Haben sie nicht am Sonntag einen unserer Helden mittels eines üblen Schulterchecks gegen dessen Kopf aus dem Spiel genommen? Haben sie nicht ebenfalls am Sonntag einem anderen unserer Helden eine heftig blutende Gesichtsverletzung beigebracht? Haben wir das nicht alles befürchtet, daß sich die Tretertruppe der Gauchos als unfaire Verlierer erweist? Aber ja. Wir Kenner, die wir alt genug sind und erfahren im Umgang mit diesen Kickern aus der Pampa, wir ahnten es,  wir wußten es. Das war schon Neunzehnhundertneunzig so. Und später erst recht. Dreckige Spiele, allesamt, die gegen Argentinien. Tja. Soweit ein sonntagabendlicher Einblick in eine kleine und armselige Fußballerseele. Und dann die Heimkehr der Helden. Müde, kaputt, vermutlich noch ziemlich trunken, jedenfalls besoffen von Gefühlen. Ein kleines Tänzchen. So gehen die Gauchos, nämlich gebückt und krumm nach der Niederlage, und so gehen die Deutschen, aufrecht und siegestrunken. Gemessen an dem, was ich am Sonntagabend so alles von mir gegeben habe, eine ziemliche Harmlosigkeit. Zudem seit Jahren Teil der Fußballkultur, wenn es so etwas geben sollte. Jedenfalls nichts Neues, nur weil es jetzt von Weltmeistern aufgeführt wurde, das Tänzchen. Und die Kritiker? Waldmeister. Langweilige Waldmeister. Ahnungslos. Überkorrekt. Weit weg von der Fußballersubkultur. Waldmeister.

Blech mit Pathos

Tom Bartels. Wenn in den Freudentaumel über den Sieg der deutschen Nationalmannschaft  doch mitunter die Stimme von Tom Bartels ans Ohr gedrungen sein sollte, konnte es einen nur schütteln. Wie kann ein einzelner Mann so viel Blech mit solch hohlem Pathos von sich geben? Beim Europameisterschaftsspiel Spanien gegen Irland vor zwei Jahren lagen die tapferen Iren Nullzuvier zurück, als zwanzigtausend irische Fans das Lied “Fields of Athenry” anstimmten. Tom Bartels schwieg. Viele Minuten lang. Und die Zuschauer konnten sich der Emotion hingeben. Zurückhaltung gilt als vornehm in der deutschen Sprache. “Alle, die sich zurücknehmen können und nicht selber inszenieren, sind für mich Vorbilder”, sagte Bartels seinerzeit. Nichts ist davon geblieben, gar nichts. Bartels redet und redet und redet und redet und redet. Schade.

 

Was, wenn ich am Sonntag Weltmeister werde?

Was, wenn ich am Sonntag Weltmeister werde? Ich, der ich nicht einmal ein schwarzrotgoldenes Fähnchen habe, keinen deutschlandfarbenen Pariser für die Autospiegel, nicht einmal ein Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft im Schrank? Den vierten Stern kann ich mir dann auf die Hemden sticken lassen. Gut. Ich war schon Papst. Das ist noch nicht einmal so lange her. Also wird mir der Weltmeistertitel der Kicker vermutlich auch keine Mühe machen. Ich werd’s mit Fassung tragen. Wie so viele andere auch. Tragen müssen. Bis der Taumel nachlässt. Und der Verstand zurückkommt. Bei vielen jedenfalls. Einige werden das bisschen Verstand eintauschen, für immer, gegen Schwarzrotgold und Ruhm und irgendwas. Ein bisschen Schwund ist immer, selbst beim größten Sieg. Und wenn Argentinien den Pokal holt? Messi und die Maria? Uns bleibt das Siebeneins. Für immer. Das beste Spiel des Turniers. Vielleicht das beste Spiel aller Turniere. Weltmeister der Herzen. Das ist was. In Schwarzrotgold. Wir Teutonen sind dann eben kein Weltmeister, nur Vize. Der beste Zweite aller Zeiten.