Mit Händen zu greifen war die Beklemmung, die sich gestern Abend im Film-Eck ausgebreitet hatte, als im Rahmen des Kirchenkinos der Film „Wir sind jung. Wir sind stark.“ des afghanischstämmigen Filmemachers Burhan Qurbani gezeigt wurde. Ein gewaltiges Werk, das die fremdenfeindlichen Krawalle von Rostock-Lichtenhagen vom August Neunzehnhundertzweiundneunzig thematisierte und eindringliche Bilder vom hässlichen Deutschen inszenierte, vom braunen Mob, von der irren Gewalt gegen Fremde und der irren Lust an der Gewalt. Gezeigt wird eine Gesellschaft ohne Zivilität, ohne Courage, eine Gemeinschaft der Mitläufer und Mittäter. Jugendliche, noch ohne sicheren Platz im Leben, geraten ohne zielgerichtete Absichten in die von Neonazis gesteuerte Szene der gewalttätigen Fremdenfeindlichkeit und machen schließlich mit im Reigen von Wut, Gewalt, Zerstörung, Haß. Gezeigt wird Rostock-Lichtenhagen Neunzehnhundertzweiundneunzig. Verstanden wird durchaus Deutschland Zweitausendundfünfzehn, heute. Der Film hält uns mit der dreiundzwanzig Jahre alten Geschichte einen aktuellen Spiegel vor. Die Gewalt und die Bereitschaft zur Gewalt, der Fremdenhaß, die Feigheit, die Ohnmacht und die Kulturlosigkeit, das Mitläufertum und der Herdentrieb, die die Mitte der Gesellschaft bilden. Das Böse und das Banale liegen so eng beieinander. Rostock ist heute. Die Renaissance der Fremdenfeindlichkeit durch Pegida und Hooligans und Salafisten und andere Idioten ist widerwärtig und gegenwärtig. Kein Wunder, daß die Besucher das zu Beginn der Vorstellung freundlich unterbreitete Angebot zur Diskussion nach dem Film nicht in Anspruch nahmen, sondern es vorzogen, das Film-Eck hurtig zu verlassen. Schade. Schade auch, daß mal wieder ein wirklich spannender Kirchenkinoabend an den politisch Verantwortlichen der Stadt, an den Parteien vorbeiging, an Schulen, Lehrern , an allen, denen das Selfie im Film-Eck hätte nutzen können.
Schlagwort: Film-Eck Wermelskirchen
Das Theater der Schifflers
Eine Internetseite über kuriose Feiertage belehrt mich, daß heute der Welttag des Theaters begangen wird. Seit Neunzehnhundertzweiundsechzig bereits gibt es diesen Feiertag. Und aus Finnland (Wer hat’s erfunden?) soll die Idee stammen. Die stummen Nordeuropäer haben ja sogar den heißblütigsten aller Tänze okkupiert, den Tango. Also, warum sollen sie den Theatertag nicht erfunden haben. Mir geht es aber am Welttag des Theaters nicht um die Kunstformen Tanz und Theater. Mir geht es um die Kunstform Lichtspiel und ihren Ort. Um das Lichtspieltheater in Wermelskirchen. Das Film-Eck. Wer kennt es nicht? Fast alle Dellmänner und Zugereisten waren schon einmal dort. Ein Kultort. Ein Ort mit Geschichte. Ein Ort voller Geschichten. Und diese Geschichte und Geschichten kann man sich jetzt in einem Film ansehen, einem Gespräch mit Klaus Schiffler, dem Betreiber. Das Video “Das Film Eck Wermelskirchen – Ein Generationenkino überlebt…” ist eine Pretiose, ein Kleinod. Ein Kleinod über ein Kleinod. Geschaffen von Thomas Ehl und Armin Himmelrath. “Das Film Eck der Familie Schiffler ist eines der letzten schönen und gemütlichen Kinos im Bergischen Land. (…) Eine solche Kulturstätte kann nur überleben, wenn sie trotz Internet sowie unzähliger TV Sender ein Publikum findet. Aber vielleicht ist ja, neben dem besonderen Ambiente, auch die geschmackvolle Filmauswahl der Schifflers das Geheimnis, warum dieses Kino seit vielen Jahren so beliebt ist. Ganz nebenbei: Bei 5 Euro pro Person kann sich hier noch eine ganze Familie den Eintritt leisten…. Das aktuelle Programm finden Sie unter: film-eck.de.” So heißt es in der Beschreibung des Videos. Der Film von Ehl und Himmelrath macht Lust auf das Kino, nein: unser Kino. Und unser Kino macht Lust auf die Geschichten der Filmemacher. Danke.
Kirchenkino
Kirchenkino, das klingt ein wenig nach Bekehrung und Belehrung, nach Freudlosigkeit, nach illustrierter Bibel. Kirchenkino scheint eher mit Anstrengung und Mühe und Schwere zu tun zu haben als mit Neugier und Lust und Filmleidenschaft. Ein bißchen Gestriges schwingt in dieser Wortkombination mit, etwas Verstaubtes, Überlebtes. Gottlob aber haben wir sowas in der kleinen Stadt, ein Kirchenkino. Ursprünglich, vor zehn, elf Jahren, in der Tat als pädagogisches Projekt für Jugendliche entstanden, ist das Wermelskirchener Kirchenkino schon längst mehr. Ein Treffpunkt für Erwachsene mit Interessen. Ein Fixpunkt für Menschen mit politischem oder sozialem Gewissen. Für solche, denen nicht gleichgültig ist, was um sie herum geschieht. Und dazu muß man kein guter Christ sein. Bekanntlich. Kirchenkino ist zudem eine Chance, die längst verloren geglaubte gemeinschaftliche Rezeption von Medienangeboten wiederzubeleben, jedenfalls in Grenzen, auch eine Gelegenheit, sich mit anderen auszutauschen über das Gesehene. Mitunter ist sogar ein Gespräch möglich mit den Machern und Urhebern der Filme in der Reihe Kirchenkino im Wermelskirchener Film-Eck. Alles spricht für das Kirchenkino. Und gestern Abend war mal wieder ein solcher Abend. “Auf der Suche nach dem letzten Juden in meiner Familie. Vom Umgang mit Familiengeheimnissen.” Der Titel dieses Films von Peter Haas und Silvia Holzinger und der Anlaß des Holocaust-Gedenktages am siebenundzwanzigsten Januar versprachen schwere Kost, sozusagen die ganze Last der Geschichte in sechsundsechzig Minuten. Aber: Sehen durften die zahlreichen Zuschauer zwar einen ernsten Film, in dem sich eine große Sippe auf die Suche nach dem Jüdischen in der Familie macht, das mit der Ermordung des Großvaters Eduard Haas im Konzentrationslager Buchenwald verloren gegangen zu sein scheint. Aber auch einen Film, der ganz im Heute angesiedelt ist, der generell die Frage nach der Familie stellt, den Wurzeln, die der einzelne hat, dem Zusammenhalt, auch den Beschädigungen durch Verwandtschaft, dem “Monströsen” in der Familie, wie es Filmautor Peter Haas formuliert. Ein bewegender Film, anregend, nachdenklich, aber auch witzig und unaffektiert, ein persönliches Dokument, das den Zuschauer auf die Reise in die eigene Familiengeschichte bringt. Kirchenkino in Wermelskirchen. Am sechsundzwanzigsten Februar geht es weiter. Mit einer Liebesgeschichte um acht Uhr abends. Einem Drama. Mit großen Gefühlen in einer Zeit und an einem Ort der Gefühllosigkeit. My Beautiful Country. Die berührende Liebe zwischen einem albanischen Kämpfer und einer serbischen Witwe im Kosovokrieg. Wermelskirchen und das Kosovo. Nach der schmählichen Ausweisung von Shiret, Jeton und Mehmet Duda gibt es eine feste Verbindung vom Bergischen ins Kosovo. Laßt uns das Kirchenkino nutzen. Und genießen.