Monat: Oktober 2012

Verlogen

Je ärmer, desto glaubwürdiger. Das ist die Formel der Zeit. Wie weit darf ein Sozialdemokrat, mehr noch gilt das selbstredend für Politiker der Linken, wie weit also darf sich ein sich als links verstehender Politiker mit seinem persönlichen Wohlstand von denen entfernen, deren Interessen er politisch in den Parlamenten vertreten möchte? Unternehmer dürfen natürlich wohlhabend sein, reich sogar, Manager, Anwälte, Berater, Finanzdienstleister, Geschäftsführer, Bänker, Verbandsmitarbeiter aus Industrie und Handel ebenfalls. Konservative und Liberale zeichnet überdurchschnittlicher Wohlstand aus, Linke, Gewerkschafter, Sozialdemokraten schmäht er, sie haben gefälligst arm zu bleiben. Um ihrer Glaubwürdigkeit willen. Der (alte) Porsche von Klaus Ernst (Die Linke) war es vor Jahresfrist oder das Vermögen des Oskar Lafontaine, die Rednerhonorare von Peer Steinbrück sind es heute. Ein verlogenes Argument, das auch nur in einer verlogenen Gesellschaft mit einem verlogenen Politikbetrieb und einer verlogenen Publizistik Bedeutung erlangen kann. Konservative und Liberale bezeichnen sich gerne als bürgerliche Kräfte im Politikbetrieb. Bürgerlich soll in der politischen Geographie rechts von der Mitte angesiedelt sein. Links hingegen sei kein Platz für Bürgerlichkeit. Politik ist immer auch Kampf um Semantik. Den aber haben die Konservativen und Liberalen bereits verloren. Konservative und Liberale waren es zuvörderst, die die hohen Einkünfte des SPD-Kanzlerkandidaten mit hohlem Moralin kritisierten.  Wenn zentrale Werte einer bürgerlichen Gesellschaft Leistung und Leistungsbereitschaft sind, wenn sich diese bürgerliche Gesellschaft neben anderem durch Gleichheit vor dem Gesetz und Chancengleichheit auf dem Markt auszeichnet, dann vergehen sich die Kritiker am Vermögen des Peer Steinbrück an eben diesem Begriff der bürgerlichen Gesellschaft. Und jetzt, da der Kanzlerkandidat der SPD seine Einkünfte öffentlich gemacht hat, macht sich betretenes Schweigen breit. Denn Transparenz und Öffentlichkeit der Einkünfte und Nebeneinkünfte aller Abgeordneten, das hatten die Seehofers und Dörings und Dobrindts  nicht im Sinn. Die vermeintlich Bürgerlichen scheuen Transparenz und Öffentlichkeit, wenn’s ums Geld geht. Konservative und Liberale haben verlogen-durchsichtig argumentiert, geheuchelt, um des billigen Punktgewinns willen. Das Armutspostulat ist ein Rohrkrepierer. Und Verlogenheit und Heuchelei sind weder bürgerliche noch linke Tugenden. Ob Nebeneinkünfte für Parlamentarier sinnvoll sind, statthaft, ob sie beschränkt werden sollen, finanziell oder zeitlich, oder untersagt, das ist eine andere Debatte. Eine, die ansteht, die wichtig ist dafür, ob Politiker sich weiter von ihren Wählern entfernen oder nicht, eine, die zu mehr politischer Hygiene führen kann.

Der Kleinmut des Herrn Rehse

Vermutlich geschieht es auf Millionen von Facebookseiten täglich. Daß nämlich einzelne Mitglieder einer Gruppe vom Administrator  der Gruppe ausgeschlossen werden. Etwa, weil ihre Postings den Regeln nicht entsprechen. Nun hat ein stadtbekannter Kommunalpolitiker, Henning Rehse von der WNK UWG, Facebook als Plattform nutzen wollen und deshalb dort eine eigene Gruppe aufmacht, eine öffentlich zugängliche Gruppe, die Facebookgruppe Wermelskirchen. Um Austausch und Debatten über kommunale Vorgänge zu initiieren. Regeln, wer dort wann was veröffentlichen kann, gab es jedenfalls bis gestern nicht. Und dort veröffentlicht Henning Rehse häufig seine und die Positionen seiner Partei, der WNK UWG zu unterschiedlichen kommunalen Problemen, zur Parkplatzsituation in Wermelskirchen, zur Inklusion, zum Radverkehr auf der Telegrafenstraße usw. Und bisweilen wird an diesen Positionen auch Kritik geübt. Wenn man Austausch haben will, Debatten, kommt man an Kritik vermutlich nicht ganz vorbei. Und: Kritik, Debatten, das Ringen um richtige Positionen sollte einem Kommunalpolitiker nicht fremd sein, der schon so lange zur öffentlichen Person in Wermelskirchen geworden ist.  Henning Rehse jedoch kann mit Kritik nicht wirklich umgehen. Zweimal hat er klammheimlich ein Mitglied aus dieser Gruppe ausgeschlossen, mich nämlich. Vermutlich, weil ihm meine Beiträge als Antworten auf die WNK-Positionen nicht passen. Gesagt hat er das aber nicht. Weder mir, noch der Gruppe. Wie sehr darf man denn von der Position von Henning Rehse abweichen, um in der Gruppe Wermelskirchen noch veröffentlichen zu dürfen? Diese Regel gibt es nicht in der von Rehse administrierten Gruppe. Wenn dort nur WNK-Positionen gelitten sind, sollte Henning Rehse dies auch kenntlich machen. Zumal in einer Gruppe, die als Tiel den Stadtnamen trägt. Ich bin ganz sicher, daß viele Mitglieder dieser Gruppe nicht wissen, daß man bei abweichenden Meinungen ausgeschlossen werden kann. Ich habe heute auf meiner Facebookseite folgendes gepostet.: “Henning Rehse ist ein mutiger Mann. Mehr noch: Henning Rehse ist ein mutiger Kommunalpolitiker. Furchtlos und tapfer hat er in facebook eine Gruppe gegründet, Wermelskirchen. Zum Austausch über kommunale Themen. Und regelmäßig postet er in dieser Gruppe, was sich die ebenso furchtlose WNK über kommunale Angelegenheiten so ausgedacht hat. In diesem Forum für Zivilcourage und Mut wurde bislang schon der eine oder andere Strauß ausgefochten. Denn nicht alle Gruppenmitglieder sind immer einer Meinung mit Henning und seinen Kombattanten. Müssen sie ja auch nicht sein. Henning Rehse wollte ja Austausch und nicht Bekehrung der Bekehrten. Jetzt aber hat Rehse seine eigene Courage verlassen. Zweimal hat er ein Gruppenmitglied klammheimlich aus der Gruppe ausgeschlossen. Ohne irgendeine Nachricht an das Mitglied, ohne irgendeine Begründung, ohne die Gruppe zu informieren. Sehr weit scheint es mit den Rehseschen Vorstellungen von offenem Austausch, demokratischem Streit, politischer Auseinandersetzung nicht gediehen zu sein. Schade. Er, Rehse, kann und darf das als Administrator der Gruppe. Aber so lange er den Vorgang nicht begründet und öffentlich macht, kann man eigentlich nur den Schluß ziehen, das er es an Mut, Zivilcourage, Umgangsformen und Anstand mangeln läßt. Eigentlich schade für jemanden, der doch in der Stadt ein großes Rad drehen will. Aber offenbar so ganz ohne Gegenwind.” Ein Kommunalpolitiker, der Menschen auf seine Facebookseite einlädt, ohne ihnen zugleich zu sagen, daß bestimmte Meinungen dort nicht erwünscht sind, führt diese an der Nase herum. Ein Kommunalpolitiker, der Gegenwind, Kritik, abweichende Meinungen mit Ausschluß aus der Gruppe beantwortet, ist feige. Ein Kommunalpolitiker, der den Ausschluß kritischer Mitglieder nicht einmal persönlich darlegt und begründet, verfügt  nicht über ein Mindestmaß von Anstand und Umgangsformen. Ein Kommunalpolitiker, der sich hinter der Maschinerie von Facebook versteckt, statt mit offenem Visier Kritik entgegenzutreten, hat kein persönliches Format. Schade.

Gott mit Dir, Du Land der Bayern …

Interessant. Da tritt der Pressesprecher der bayerischen CSU, Dr. Hans Michael Strepp, heute zurück, obwohl er doch, nach eigenem Bekunden, nicht bei der Heute-Redaktion des ZDF angerufen hatte, um eine Berichterstattung des Zweiten über den Parteitag der bayerischen SPD zu verhindern. Also nochmal. Strepp hat nicht den Versuch gemacht, auf die Berichterstattung des Mainzer Senders Einfluß zu nehmen. Sagt er. Und deswegen tritt er zurück? Logisch? Nein, das folgt nicht einmal bayerischer Logik, die sich uns Saupreußen oft entzieht. Das ist lediglich mit einem in CSU-Logik sozialisierten Gemüt zu begreifen. Strepp, das hat mir heute mein Radio erzählt, WDR 5 und Deutschlandfunk, Strepp galt und gilt als besonnener Medien-Strippenzieher. Und der soll in einem telefonischen Alleingang versucht haben, die Mainzer Heute-Redaktion zu beeinflussen, so ganz ohne daß sein Chef, der Partei-Intellektuelle und Generalsekretär, Alexander Dobrindt, der mit der schwarzen Hornbrille, etwas von diesem Vorhaben wußte? Muhahaha. Einen “Abgrund von Landesverrat” hatte schon einmal ein bedeutender CSU-Mann bei einem Medium ausgemacht, beim Spiegel. Und hat dessen Redaktionsräume durchsuchen und die Zeitschriften beschlagnahmen lassen sowie den Chefredakteur hinter Gittern gebracht, vorübergehend – und mußte hernach zurücktreten, weil er Parlament und Öffentlichkeit dreist belogen hatte. Nachtrag: Strepp ist nun weg, aber Seehofer und Dobrindt bleiben: im ZDF-Verwaltungsrat der eine, im ZDF-Fernsehrat der andere. In der Partei sollten sie bleiben, aus den Mediengremien aber verschwinden. Alle Politiker.

Sechzehn

Das Rechtsgutachten zur PCB-Belastung der Realschule zwingt zu sofortigem Handeln. Schon vor 16 Jahren hätte die Schule komplett saniert werden müssen.” Dieser schlanke Satz ist in der heutigen Ausgabe der Bergischen Morgenpost zu lesen. PCB steht für Polychlorierte Biphenyle. Und das sind “giftige und krebsauslösende organische Chlorverbindungen. (…) PCB zählen inzwischen zu den zwölf als ‘dreckiges Dutzend’ bekannten organischen Giftstoffen, welche durch die Stockholmer Konvention vom 22. Mai 2001 weltweit verboten wurden”, wie uns Wikipedia zu berichten weiß. Also nochmal: Offenbar ist die Realschule in Wermelskirchen derart mit hochgiftigen Chlorverbindungen verseucht, daß seit sechzehn Jahren die Verwaltung der Stadt und die politische Mehrheit im Rat zwingend und unmittelbar hätte tätig werden müssen. Sechzehn Jahre lang sind Schüler, Lehrer, Theaterbesucher, Schauspieler, Sportler und Besucher der Schule einer enormen Gesundheitsgefährdung, einer realen Vergiftungsgefahr ausgesetzt worden. Und: Sechzehn Jahre lang sind die Bürger dieser Stadt an der Nase herumgeführt worden. Zeitsprung ins Jahr 1996. Der Bürgermeister heißt Heinrich Niehaves. Gestellt wird er von der stärksten Partei im Rat, der CDU. Und die Abspaltungen von der CDU gibt es auch schon, nämlich die UWG und die WNK. Friedel Burghoff  und seine Mitstreiter des heutigen Bürgerforums sind noch eifrige und eilfertige CDU-Gesellen. Damit haben wir sie beieinander. Jene, die vor sechzehn Jahren hätten tätig werden müssen. Eine CDU-geführte Verwaltung, eine CDU-geführte politische Mehrheit im Rat der Stadt. Sechzehn Jahre Nichtstun, sechzehn Jahre Gefährdung, sechzehn Jahre Ausreden, sechzehn Jahre Ignoranz, sechzehn Jahre Beschwichtigung, sechzehn verlorene Jahre. Und jetzt, ganz plötzlich nach sechzehn Jahren, wird die CDU wieder aktiv in Sachen Realschule. Die CDU fordert, Arm in Arm mit WNK UWG,  den Abriß der Realschule samt Sporthalle und den sofortigen Neubau einer Sekundarschule. Volker Schmitz und Henning Rehse, der CDU-Fraktionsvorsitzende und der einst verlorene Sohn der CDU, heute Sprachrohr der WNK, schmiegen sich öffentlichkeitswirksam aneinander und üben den Gleichschritt. Nur: Wie das Ganze angesichts des ohnehin prekären Stadthaushaltes finanziert werden soll, verraten die Brüder im Geiste der Öffentlichkeit nicht. Dabei wäre es doch gewiß ein Leichtes gewesen, sich einmal beim Stadtverbandsvorsitzenden der CDU zu informieren, bei Dr. Andre Benedict Prusa, der in der Verwaltung der Stadt die Stelle des fürs Bauen zuständigen Dezernenten bekleidet. Bei ihm, dem noch amtierenden CDU-Chef in der Stadt hätten die beiden schmusenden Partei- bzw. Fraktionschefs, Schmitz und Rehse, sicher in Erfahrung bringen können, daß ein solcher Abriß und Neubau nicht für weniger als dreißig Millionen Euro zu haben sein wird. Haben die beiden Chefturtler von CDU und WNK das Finanzdesaster um den Bau der Pestalozzischule nur verdrängt oder schon vergessen? Vergessen und Verdrängen scheinen Kernkompetenzen für Kommunalpolitiker zu sein. Wenn richtig ist, was die SPD in einer Stellungnahme formuliert, daß nämlich der Ausbau bestehender Schulgebäude für die Hälfte, nämlich etwa fünfzehn Millionen Euro zu haben wäre, dann kann man den Vorstoß der konservativen Anführer nur als Augenwischerei bezeichnen. Sparen, Haushaltsdisziplin, Haushaltssicherung, die Tugenden der schwäbische Hausfrau, das alles zählt auf einmal nicht mehr. Wer sich öffentlich zu Wort meldet und Abriß und Neubau fordert, ohne der Öffentlichkeit auch nur eine Zahl zu präsentieren, ist politisch nicht mehr ernst zu nehmen. Die Stadt muß an allen Ecken und Enden sparen und CDU und WNK geben mal so eben locker dreißig Millionen Euro aus. Nicht ihre, unsere. Das verstehe, wer will.

Tanya Tagaq

Tanya Tagaq. Eine Inuitsängerin. Throatsinging nennt sich diese Art der Musik. In gewisser Weise Obertonsingen. Einer der Kommentare auf Youtube lautete: I’m scaring my family with Tanya Tagaq. Ach so: Der Titel lautet übrigens “Qimmiruluapik“. Macht die Lautsprecher laut.