Monat: August 2022

Präzise kritisieren und verbessern

Vielleicht ist das der eigentliche Skandal, den es aufzuklären gilt: dass diejenigen, die das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für eine unverzichtbare, großartige Institution halten, es nicht scharf genug kritisiert haben, wenn es erkennbar seinem Anspruch und Auftrag nicht nachkam.
Vielleicht ist das der eigentliche Skandal, dass diejenigen, die an dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hängen, ihn allzu oft bloß kategorial gegen alle politisch-motivierten Anfechtungen verteidigt haben, anstatt ihn konkret und präzis zu kritisieren und zu verbessern. Vielleicht ist das das eigentliche Versäumnis, aus purem Entsetzen über die destruktiven Ambitionen der Gegner das eigene Unbehagen, die eigene Skepsis, die eigene Unzufriedenheit unterdrückt zu haben.

Caroline Emcke, Was ARD und ZDF jetzt brauchen, in: Süddeutsche Zeitung

Verantwortungsverweigerung

Der Expertenrat für Klimafragen hat dem Klimaplan von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) laut Spiegel-Online mehrheitlich ein vernichtendes Urteil ausgestellt. Wissings Sofortprogramm sei »schon im Ansatz ohne hinreichenden Anspruch«, stellten die vom Bund mit der Prüfung beauftragten Expertinnen und Experten am Donnerstag fest. Das im Juli kurz vor Fristablauf von Wissings Ministerium vorgelegte Programm würde bis Zweitausenddreißig gut dreizehn Megatonnen (Millionen Tonnen) CO₂ einsparen. Dann würde der deutsche Verkehrssektor in diesem Zeitraum aber immer noch zweihunderteinundsechzig Megatonnen mehr ausstoßen als erlaubt. Daher stellt der Bericht schon im ersten von eigentlich drei vorgesehenen Prüfschritten fest, dass das Papier »nicht die Anforderungen an ein Sofortprogramm erfüllt«.

Tempolimit

Realsatire. Wenn die (politische) Realität die satirische Überhöhung weit hinter sich läßt. Etwa, wenn man lesen darf, daß sich die FDP in Düsseldorf für ein Tempolimit ausgesprochen hat. Für Radfahrer soll das Tempo in der Landeshauptstadt auf zehn Stundenkilometer beschränkt werden. Das kannst Du Dir nicht ausdenken.

Auf dem rechten Auge klar

Es ist schwierig, mit einem neuen Auge, also einer neuen Linse im rechten Auge, der alten und diesig-verschleierten Linse im Linken und zwei verschiedenen Brillen, die nunmehr allenfalls das Bild des linken Auges ein wenig verbessern, von der neuen Linse im rechten aber so gar keine Ahnung haben. Einfach gucken, das geht gut. Lesen ist schwieriger, schreiben auch. Ich werde also, bis das zweite Auge ebenfalls mit einer künstlichen Linse ausgestattet sein wird, vermutlich viel weniger zu Papier oder zur Tastatur bringen. Gleichwohl: Ich bin froh, daß es jetzt alsbald wieder besser werden wird mit mir und den Buchstaben.

Konzerndeppendeutsch

Dass “gute Unternehmenskultur” wichtig sei und “Wertekodizes gelebt werden müssen”, sagt Wildermuth auch. Dieses Konzerndeppendeutsch weist auf ein weiteres Problem hin: Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss sich vieles ändern, auch die Sprache der Hierarchinnen und Hierarchen.

René Martens, Schon wieder eine medienhistorische Zäsur, in Altpapier

Rechtsnorm: Sprache nach Merz

“Weder einzelne Sprecher noch Kommentatoren und Moderatorinnen haben das Recht, von den allgemein anerkannten Regeln des Gebrauchs der deutschen Sprache abzuweichen.”

Markige, aber das Mark des Journalismus exakt verfehlende Rechtsnorm á la Friedrich Merz. Der christdemokratische Spitzenmann träumt doch nicht wirklich davon, Journalistinnen und Journalisten das “Recht” absprechen zu können, so zu formulieren, wie sie das wollen und für angemessen halten, oder?

Wir brauchen

“Wir brauchen solidarisch finanzierten Journalismus, der sich am Gemeinwohl orientiert, der Bürgerinnen und Bürger eben nicht primär als Konsumenten adressiert, sondern als Bürgerinnen und Bürger. In Zeiten von sozialen Medien, Desinformation, Polarisierung und Kommerzialisierung brauchen Bürgerinnen und Bürger Orte der Information und Selbstverständigung. Wenn es die heute nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Aber dann würde man sie eben auch ganz anders bauen, inklusive der Gremien.”

Leonard Novy, Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik im Interview mit der Tageszeitung taz (Johannes Drosdowski), gefragt nach der Berechtigung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks, zitiert nach Altpapier