Kategorie: Politik

Antikonstitutionelle Putschisten

Jenseits der deutschen Medien fand ich heute einen Kommentar aus den USA sehr lesenswert, demzufolge Trump das US-Militär von der bisherigen Neutralität zugunsten der Verfassung nun im “Kern politisch” ausrichten möchte. Ein Kommentar dazu:

David Frum, ein ehemaliger Redenschreiber von Präsident George W. Bush, hat auf Bluesky Alarm geschlagen. Er warnte davor, dass Trump 2021 versucht habe, die Macht zu ergreifen, was jedoch scheiterte, da er sich nur auf einen gewalttätigen Mob stützte. Das Militär und das FBI blieben der Verfassung treu. Diesmal, mit der Zustimmung des republikanischen Senats, hat Trump antikonstitutionelle Putschisten beim FBI, im Verteidigungsministerium und im Pentagon installiert.

Dirk Specht auf seiner Facebookseite

Gruppenvergewaltigungsnebelkerzen

Der ORF-Podcaster Florian Aigner postete zu der Äußerung am Freitag: “Friedrich Merz spricht im Bundestag von ‘täglich stattfindenden Gruppenvergewaltigungen aus dem Milieu der Asylbewerber heraus’. Eine aufgeklärte, faktenorientierte Medienlandschaft dürfte ihm in dieser Situation eigentlich nur noch zwei Optionen offen lassen: Belege liefern oder zurücktreten.”
Da ist was dran. Wenn weniger als einen Monat vor der Bundestagswahl sich der derzeit aussichtsreichste Kanzlerkandidat im Bundestag wie ein Telegram-Gruppen-Onkel aufführt – dann wäre das doch eigentlich ein Thema, an dem kein Journalist vorbei kommt.

Eine Friedrich-Merz Formulierung, die am heutigen Montag schon in Vergessenheit zu geraten droht, stellt Küppersbusch ebenfalls heraus:
“(Merz) erbricht (…) nebenher rechtsextreme Lügen ins Parlament. Seine ‘tägliche Gruppenvergewaltigung im Asylbewerbermilieu’ überrumpelte selbst die Krawatten­hooligans von der AfD.”

Um es mit “Monitor”-Redaktionsleiter Georg Restle zu sagen:
“Zu einem der miesesten Punkte der aktuellen Debatte gehört, dass man Menschen einredet, mit Maßnahmen wie einem Verbot des Familiennachzugs für Flüchtlinge, denen im Herkunftsland Tod oder Folter droht, könnten furchtbare Verbrechen wie die von Magdeburg oder Aschaffenburg künftig verhindert werden.”

René Martens, in: Altpapier vom dritten Februar

Rasierschaum ist keine Kritik

Da wirft eine Kreispolitikerin der Partei Die Linke dem FDP-Chef Lindner eine Rasierschaumtorte ins Gesicht. Nein, das ist keine Politik. Es ist eine körperliche Attacke auf einen Politiker, einen Mandatsträger. Das ist das Gegenteil von persönlichem Anstand und politischer Kunst. Nichts rechtfertigt derartige Angriffe, im Privaten nicht, noch auf Politiker. Man darf jedermann kritisieren. Christian Lindner zuvörderst. Wegen seines Ampel Aus- und Nachtritts. Wegen seiner spalterischen Rhetorik. Wegen der würdelosen Anbiederung an Elon Musk und Javier Milei. Wer aber nicht aushält zu hören, was andere sagen, wer den anderen nicht (aus)reden lassen will, schlimmer noch: persönlich attackiert, darf sich nicht als Demokrat bezeichnen. Punktum.

Geklauter Kniefall

Auf den ersten Blick machte mir das Foto den Eindruck, eine allenfalls leidlich gelungene Persiflage aus dem Hause der Postillonsmacher zu sein, die das überbordende und kaum einhegbare Ego des bayerischen Ministerpräsidenten aufs Korn nehmen, wozu der sich an der historisch einmaligen Geste des Kniefalls von Bundeskanzler Willy Brandt in Warschau vergeht und einen dürren Abguss liefert, allenfalls eine physische Kopie. Sozusagen die traurig-bedeutungslose Geste jenseits aller Wahrhaftigkeit. Wie gesagt, der erste Blick.

Nur: auf den zweiten Blick verflüchtigen sich die vermuteten Satireproduzenten aus dem Internet. Der Ministerpräsident höchstselbst und seine Entourage sind verantwortlich für die mißratene Geste und ihre Verbreitung in den Netzen.

„Selbstverliebtheit gepaart mit Größenfantasien war immer schon seine ärgste Schwäche. Inzwischen aber hat sie Ausmaße angenommen, die ins Groteske reichen“, schreibt Sebastian Beck heute in seinem Beitrag „Markus Söder. Der grotesk Selbstverliebte“ in der morgigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung über den geklauten Kniefall.

Irre! Und erwartbar.“ Und widerlich.

„Irre! Und erwartbar.“ So der lakonische Kommentar von Armin Nassehi zu einer Meldung von Natalie Amiri auf X/Twitter: „Geht schon los: Der neue Justizminister Syriens, Shadi Alwaisi, teilte mit, dass es keine Richterinnen mehr geben werde und die Gerichte nur noch von Männern geleitet würden. Richterinnen müssen ihre bestehenden Fälle an männliche Richter abgeben.“ Und Düzen Tekkal postet: „Aber lasst uns nur weiter so tun, als wenn die Dschihadisten reformistisch agieren würden. Woher kommt diese Obsession auf Islamismus aus dem Westen? In Syrien droht das selbe wie in Afghanistan, wenn wir weiter dabei zuschauen, wie die demokratischen, kurdischen und syrischen Kräfte, die das ändern könnten, vernichtet werden.“

Noch ist es keine wirklich Befreiung. Es könnte vielleicht in den Prozess einer solchen münden. Aber aus den unklaren und gewiß nicht stabilen politischen, gesellschaftlichen und militärischen Umständen in Syrien jetzt schon schließen zu können, daß sich Hunderttausende einst geflohene Syrerinnen und Syrer umgehend und umstandslos auf den Weg zurück in die alte Heimat machen oder mit einem Ticket und ein wenig Handgeld dazu zu motivieren wären, wie es der -natürlich- Spahn-Vorschlag suggeriert, kann nur das Ergebnis eines allzu stattlichen Wunschdenkens sein. 

Oder: Es geht gar nicht um die Syrer, bei derartigen Vorschlägen. Es geht um unser Land, um die Menschen, die hier leben. In Wahlkampfzeiten – und nicht nur in diesen – regiert beim Thema Flucht und Vertreibung das Ressentiment. Die angenommene Wahrheit. Eine vermutete Gewaltbereitschaft wird allen Menschen islamischen Glaubens unterstellt. AfD, CDU, FDP und BSW erklären Migration und Flucht zum Top-Thema. Kein Wunder, daß dann in diesem Überbietungswettbewerb nur Stunden, nachdem der Diktator nach Moskau geflohen ist, die ersten „Remigrations“-Floskeln öffentlich werden.

Das alles ist nicht nur irre und erwartbar. Es ist auch widerlich.

Ein drittes Mal


„Für die FDP war es eine Existenzfrage, dem deutschen Volk von Zeit zu Zeit vorzuzeigen, dass sie zum Regieren unerlässlich notwendig waren. Deswegen haben sie den Kanzler Ludwig Erhard verlassen. Deswegen haben sie anderthalb Jahrzehnte später mich verlassen. Und das würden sie ein drittes Mal wieder tun, wenn sie einer neuen Koalition angehören würden.“ (Helmut Schmidt)