Monat: Juni 2021

Vier Sätze gegen Schelte

Irgendwie geht mir die vielerorts zu lesende Löw-Schelte auf den Senkel. Erstens: Man kann ein Achtelfinale bei einer Europameisterschaft gegen einen gleichwertigen oder besseren Gegner, der zudem Heimrecht hatte, verlieren und mithin aus dem Turnier ausscheiden. Mit oder vor uns bereits die Segel streichen mußten auch Frankreich, amtierender Weltmeister, Portugal, amtierender Europameister, Niederlande, gefühlter Welt- und Europameister seit Jahrzehnten, Rußland, Polen, Wales, Österreich, allesamt gute Mannschaften. Zweitens: Haben die Kritiker vergessen, wie der deutsche Rumpelfußball vor der Ära Klinsmann/Löw anzusehen war? Rumpelfußball war die durchgängige Medienbezeichnung für das, was deutsche Mannschaften auf grünem Rasen anrichteten. Gleich unter welchem Trainer nach Beckenbauer, Vogts, Ribbeck oder Völler. Drittens: Noch niemals zuvor sind derart viele junge und Nachwuchsfußballer zum Kreis der Nationalmannschaft gestoßen wie unter Bundestrainer Löw. Und niemals zuvor ist derart viel dafür getan worden, daß sich Deutschlands Fußball nicht nur durch Kampfkraft, Einsatz und große Lungen, sondern auch durch Spieleleganz und taktische Variabilität auszeichnet. Viertens: Wieviele Weltmeistertrainer hat es denn in Deutschland schon gegeben? Löw ist einer von nur Vieren. Neben Herberger, Schön und Beckenbauer. So furchtbar schlecht kann er mithin nicht gewesen sein. Sieht man einmal von den mehr als achtzig Millionen potentiellen Bundestrainern ab, die alles besser machen als Löw, Bierhoff, Spahn, Merkel, Drosten oder Lauterbach.

Logorrhoe

Leute. Bitte. Sagt dieser TV-Plaudertasche, sie möge auch Pausen einlegen im Sprechdurchfall. Das ist akustische Umweltverschmutzung. Ich möchte eine Clean-Feed-Tonspur bei der TV-Übertragung. O-Töne aus dem Stadion, kein Kommentar. Alle paar Minuten Statements von Experten.

Konten

Als “Organisierte Verantwortungslosigkeit” bezeichnet Markus Feldenkirchen heute in Spiegel-Online die UEFA, den Europäischen Fußballdachverband. Am vergangenen Samstag waren 22.000 Fans im Londoner Wembley-Stadion beim Spiel von Italien gegen Österreich. Heute sollen es 40.000 Menschen sein, die das EM-Achtelfinale zwischen England und der deutschen Mannschaft im Stadion sehen werden und am Finaltag sogar 60.000 Zuschauer. Dabei ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen auf dem höchsten Stand seit dem 5. Februar. Im Vergleich zum Samstag der Vorwoche verdoppelte sich die Zahl der Neuinfizierten fast. Dabei sind 32,2 Millionen Briten bereits vollständig geimpft, gut 60 Prozent aller Erwachsenen, weit mehr als hier in Deutschland. Es geht nur noch um Kohle, Geld, Money, Zaster. Nicht um Sport. Nicht um geilen Fußball. Nicht um Menschenrechte. Nicht um sonstiges Gesülze von Fußballverbänden, Politikern oder Regierungen. Es geht jedenfalls nicht um die Menschen, allenfalls um Konten.

Verlängerung

So ein Europameisterschaftsspiel mit Verlängerung hat den entscheidenden Nachteil, daß das unerträgliche Dauer-Gequatsche von Kommentatorinnen und Kommentatoren auch verlängert wird, um mehr als dreißig Minuten. Auch das Geschrei wird verlängert.

Der geschwätzige Gast

Tom Bartels ist heute bei mir zu Besuch, in meinem Wohnzimmer. Aber er redet in einem fort. Fast ohne Pause. Ein schlechter Gast. Er läßt mir keinen Raum für den eigenen Gedanken, die eigene Beobachtung. Die Unterhalter heute Abend sind eigentlich die beiden Mannschaften, Belgien und Portugal. Wegen dieser Fußballer schaue ich Das Erste. Nicht wegen Tom Bartels. Fußballkommentatoren können und sollen das Spiel nicht ersetzen. Nicht im Fernsehen. Vielleicht im Radio. Bartels‘ Job ist der Kommentar. Nicht der Wortschwall.

Gesichert

„Super den Ball gesichert.“ Ob der heutige Kommentator des Europameisterschaftsspiels zwischen Dänemark und Rußland, Tom Bartels, wirklich davon ausgeht, daß Fernsehzuschauer zu solcher Einsicht ohne seine Hilfe nicht fähig sind?