Am kommenden Sonntag, dem einunddreißigsten Januar, führt der Stadtspaziergang unter Leitung des Journalisten und Stadthistorikers Armin Himmelrath über den Stadtfriedhof zu Gräbern von Personen, die während der Zeit des Nationalsozialismus wichtig waren. Die Runde führt vorbei an den Ruhestätten von Opfern und Tätern, von Mitläufern und Menschen, die Widerstand geleistet haben. Gräber von Persönlichkeiten aus dieser Zeit erzählen vom Leben dieser Menschen. Anlaß für diesen Stadtspaziergang ist der nationale Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Die Stadtspaziergänger treffen sich am kommenden Sonntag am Haupteingang des Stadtfriedhofs um halb Zwölf an der Berliner Straße. Armin Himmelrath ist Vorstandsmitglied des Vereins Bergische Zeitgeschichte. Ausrichter des Stadtspaziergangs ist die Volkshochschule Bergisch Land.
Schlagwort: Stadtspaziergang
Geschichte in Geschichten
Geschichte lebt. Sie ist geronnene Vergangenheit. Aber sie kann zum Leben erweckt werden, wenn sie spannend erzählt, wenn sie in Geschichten vermittelt wird. Wenn sie sinnlich ist, wenn man sich die Menschen in der Zeit vorstellen kann, sie anschauen, wenn man ihre Orte aufsuchen kann, ihre Häuser, Schulen oder Straßen, wenn sie buchstäblich begreifbar und begehbar gemacht wird. Ein Stadtspaziergang unter der Leitung des Journalisten und Wermelskirchenkenners, Armin Himmelrath, am vergangenen Sonntag aus Anlaß des neunten Novembers war eine solche nachgerade lustvolle Geschichtsentdeckung. Trotz des schwierigen Themas. Wermelskirchen unterm Hakenkreuz, hieß das Ganze. Ein Stadtspaziergang rund um die Kattwinkelsche Fabrik mit einem besonderem Schwerpunkt auf dem Alltag und dem Leben von Kindern und Jugendlichen im Nationalsozialismus. Anderthalb Stunden feiner Geschichtsunterricht. Ein Spaziergang, während dessen man dem Leben von Gertrud, Ingeborg oder Christine näherkam. Eine Ortsbegehung, während der man etwas über die Reichsjugendflagge erfahren konnte und warum sie vor der Dörpfeldschule hing. Und auf den sadistischen Lehrer Scheier traf. Und auf ukrainische Mädchen, die hier als Zwangsarbeiterinnen schuften mußten. Und um ihre Jugend betrogen wurden. Eine Stadtwanderung, auf der man Stolpersteine besichtigen konnte, das alte Rathaus, das längst nicht mehr besteht und Parkplätzen weichen mußte, und das Gefängnis der Kleinstadt. Kinder spazierten mit und Jugendliche, Erwachsene ohnehin. Armin Himmelrath ist ein wahrer Quell spannender und anrührender Geschichten, die soviel über unsere Heimatstadt und ihre Geschichte erzählen. Mit Hilfe historischer Fotos oder anderer Dokumente, Zeugnisse, Freischwimmerausweise, Presseartikel tauchte man ein in den Alltag vor sechzig, siebzig Jahren. Ein gelungenes Unternehmen, für das der Volkshochschule Bergisch Land sowie dem Stadtführer höchstes Lob gebührt. Eine Unternehmung, die laut nach Fortsetzung ruft.
Heute: Wermelskirchen unterm Hakenkreuz
Wermelskirchen unterm Hakenkreuz. Unter diesem Titel veranstaltet die Volkshochschule Bergisch Land heute einen Stadtspaziergang für Familien mit Kindern. Das besondere Augenmerk liegt auf der NS-Zeit mit besonderem Blick auf Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus. Treffpunkt ist der Lehrerparkplatz am Gymnasium, Stockhauser Str., Wermelskirchen, um halb Drei. Der Journalist und Wermelskirchenkenner, Armin Himmelrath, leitet den Stadtspaziergang.
Stadtspaziergang
Stadtspaziergang. Das klingt wenig aufregend. Nach gelassenem Schlendern, nach Flanieren, nach sonntäglicher Gemütlichkeit. Der Stadtspaziergang indes, den Armin Himmelrath von der Bergischen Zeitgeschichte am vergangenen Sonntag im Verein mit der Volkshochschule dreißig interessierten Wermelskirchenern offerierte, war eine Stadtwanderung ins Grauen. Ins Grauen des ersten großen Krieges, des Weltkrieges. Erster Weltkrieg? Wermelskirchen? Genau. Hier, in der Idylle des Bergischen fanden keine Kriegshandlungen statt. Und dennoch war der Krieg auch in Wermelskirchen zu spüren. Fast fünfhundert Männer fielen (?) im Felde (?) fürs Vaterland (?), den herrlichen Kaiser (?). Etwa dreihundert Männer kehrten verwundet heim, krank, geschunden, als Kriegsversehrte. Das alles bei einer Bevölkerungsgröße von nur etwa fünfzehntausend Einwohnern. Nach anfänglichem Jubelpatriotismus und der Idee, der Krieg werde nur wenige Wochen dauern, bis die Männer siegreich ins Bergische zurückkämen, war der Krieg auch hier zu spüren, wie Armin Himmelrath an verschiedenen Stationen des Spaziergangs erläuterte: an der Kriegsgräber-Gedenkstätte auf dem städtischen Friedhof, am Roten Kreuz-Haus an der Berliner Straße, am Marktplatz, am Parkplatz, auf dem sich ehemals das Rathaus der Stadt befunden hatte, am Kino Film-Eck, früher Reichshallen-Lichtspiele, sowie auf dem Loches-Platz. Die Versorgungslage der Menschen war nach wenigen Monaten schon schlecht bis miserabel: Lebensmittel waren kontingentiert und nur gegen Lebensmittelmarken zu erwerben. Die Brotqualität sank kontinuierlich, der Kartoffelmehlanteil stieg beständig. Fleisch war immer schwieriger und in immer kleineren Mengen zu haben. Vorräte wurden enteignet, die Menschen genötigt, Anleihen zu zeichnen, Winterklamotten wurden requiriert, Zugverbindungen gekappt, kurzum: der Krieg fand auch hier statt. Nicht in Schützengräben oder Bunkern, sondern in Wohnzimmern und Küchen, in Schulen und Geschäften. Geschichten des Alltags machen die große Geschichte erfahrbar, sinnlich, verständlich. Beispielsweise, wenn Himmelrath das Bild von etwa zehn Männern zeigt, die am Busbahnhof vor der Bahnhofskneipe darauf warten, eingezogen, an die Front gefahren zu werden. Stolz, im Sonntagsanzug mit Weste und Uhrenkette, einem Pappkarton mit den nötigsten Utensilien neben den Beinen. Und alle tragen Bart oder Schnäuzer. Und Wochen später, als Soldaten, haben alle keine Haare mehr im Gesicht. Nach Gründen befragt, gab es die Vermutung: Läuse. Nein. Gas! Gasmasken lassen sich mit Bart oder Schnäuzer nicht tragen. Gaskrieg. Das Verbrechen im ersten Weltkrieg. Ein Spaziergang in die Geschichte der Stadt. Mit Geschichten, Bildern, alten Fotos, Zeitungen und Zeitungsausschnitten. Und einem französischen Soldatenhelm. Ein Soldat war wohl in das Feuer eines deutschen Maschinengewehrs geraten. Der Helm übersät mit Einschusslöchern. Ein schreckliches Anschauungsstück. Schlendernd lernen. Eine sehr gute Veranstaltung, unbedingt zur Nachahmung empfohlen. Danke.