Übrigens: Gestern war meteorologischer Sommeranfang. Der höchste Sonnenstand über der Nordhalbkugel wird zwar erst zum kalendarischen Sommeranfang am 21. Juni erreicht. Aber Hand aufs Herz: Der Sommer hängt uns doch schon angesichts der aktuellen Chaoswochen zum Halse raus. Viele Sommermetaphern und -empfindungen kommen uns nicht nur furchtbar antiquiert und deplaziert vor, sie sind auch klimatologisch höchst fragwürdig geworden. Und zwar keineswegs auf der spekulativen Ebene. Evidenz dafür ist ausreichend vorhanden.
Die Klimazonen auf dem Planeten verändern sich, weil sie von Natur aus veränderlich sind. Aber wie lange sollen sich Meteorologen, die wie kaum eine zweite Forschergilde öffentlich Gehör finden, hinter einem ominösen statistischen Rauschen verstecken, nur weil sie das Offenkundige – den beschleunigten Klimawandel – als politische Korrektheit und deswegen als unangemessene wissenschaftliche Interpretation betrachten? Die meteorologische Expertise steckt selbst in einem Tiefdrucksumpf. Sie täte auch deshalb gut daran, ihre verquasten klimatologischen Sprachregularien aufzugeben, weil sie mit zweideutigen Ausflüchten die antiwissenschaftlichen Ressentiments nur mehr schürt. Dass die AfD im Gleichklang mit dem amerikanischen Präsidentschaftsbewerber Trump ausgerechnet nach dem historischen Triumph des Pariser Weltklimavertrags selbst die seriösesten Aussagen zum globalen Wandel attackieren, ist mehr als ein Wink, dass die Menschen zwar viel übers Wetter, aber wenig genug über den Klimawandel wissen.
Joachim Müller-Jung, Klimawandel. Der unglaubliche Eiertanz der Meteorologen, in: Frankfurter Allgemeine von zweiten Juni Zweitausendsechzehn