Scharia-Polizei. Ein sensationeller Marketingcoup Wuppertaler Salafisten. Ein Haufen junger Antiaufklärer in rot-weißen Warnwesten mit der Aufschrift Scharia-Polizei dreht ein erbarmungswürdiges Minivideo, wie sie junge Menschen, die sich abends in der Stadt vergnügen wollen, tanzen, Party feiern, spielen, trinken, was auch immer, auf salafistisch-korrekte, freudlos-asketische Lebensführung hinweisen und das Viertel, in dem sie sich nächtens rumtreiben, großtuerisch als schariakontrolliertes Gebiet ausweisen. Und die Aufregung in den Medien nimmt stündlich zu. “«Scharia-Polizei» in Wuppertal sorgt weiter für Empörung”, heißt es beispielsweise in der Westdeutschen Zeitung. “Wo in Deutschland die ‘Scharia-Polizei’ marschiert”, titelt etwa Die Welt. Haltet doch bitte den Ball flach. Daß hierzulande tagtäglich Antiaufklärer unterwegs sind mit kruden Heilsbotschaften, mit paradiesischen Versprechungen, mit im Wortsinn höllischen Strafandrohungen bei Gott nicht genehmer Lebensführung, das kann doch weiß Gott (?!) niemand ignorieren. Nur die Marketingwucht ist bei den salafistischen Aufklärungsgegnern größer. Die haben halt Medienkompetenz und wissen, welchen teuflischen Zauber man veranstalten muß, um in die Schlagzeilen zu kommen oder in die Hauptnachrichtensendungen. Man stelle sich vor, die Antiaufklärer beispielsweise der Zeugen Jehovas nähmen sich das salafistische Herbstkarnevalstreiben zum Vorbild und wären fortan nicht mehr eher stumm und geduldig, wenn sie wortlos ihren Wachturm anpreisen, und ließen sich weder durch Ihre freundlich-desinteressierte Verneinung, noch durch aggressiv-lautstarke Körpersprache von Ihrer Haustüre vertreiben. Und zudem trügen sie rot-weiße Warnwesten mit der Aufschrift: Jehova-Polizei. Da würden Sie aber toben und flugs nach der Polizei rufen, der richtigen. Es kommt auf die Kostüme an. Mummenschanz ist aber beides. Die Warnwestenverkleidung wie das trügerische Biederzivil. Die einen haben aber mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Und die anderen verkaufen ihre Heilslehre eben stiekum. Gegenaufklärung ist sie allemal, die Religion.
Schlagwort: Religion
Opium des Volkes
Ich bin nicht sicher, ob ich es für einen Fortschritt halten soll, wenn sich Christen, Muslime, Juden, Anglikaner, Buddhisten, Satanisten, Hinduisten, Zeugen Jehovas, Adventisten, Sonnenanbeter, Hussiten, Quäker, Baptisten, Druiden oder Rosenkreuzer jeweils eigene sozialdemokratische Plattformen geben.
(Aus: Vorwärts)
Karl Marx war es, der in seiner Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie Religion als „das Opium des Volkes“ bezeichnete. Alle Religionen. Große wie kleine. Bekannte und Unbekannte. Nette oder Garstige. Soziale wie Gemeine. Koks und Schnee. Für die Nase, nicht den Kopf.
Nachtrag zur Bosbachschen Kirchtumspolitik
“Ich wäre jetzt richtig enttäuscht gewesen, wenn ich von Wolfgang Bosbach zum Thema Minarettverbot nichts gehört hätte. Aber auf den guten Mann ist Verlaß. Kaum ist das Ergebnis der Volksabstimmung in der Schweiz bekannt, sondert er seine geistigen Ergüße ab”, schreibt am 30. November der Dwarslöper, N.Burgmann, in seinem Blog. Und zitiert Thomas Wieczorek (aus seinem Buch “Die Dilettanten: Wie unfähig unsere Politiker wirklich sind”):
“Ein Bosbach”, sagt man in der Bundestagslobby, ist der Abstand zwischen zwei Talkshows.” Tatsächlich: Wo andere atmen, da quasselt Bosbach. Über Gott und die Welt und wieder über Gott. Mal greift er die türkische Presse scharf an, mal stellt er die Zustimmung zur Erbschaftssteuer in Frage. Mal will er Bundeswehreinsätze im Innern, mal die Abschaffung des Doppelpasses, mal eine Art Videoüberwachung für alle, weil niemand das Recht habe, unerkannt durch die Stadt zu gehen. Normalerweise ist das rechtslastige Polizeistaatpropaganda, aber bei Bosbach ist alles halb so wild, denn der hat die Lizenz zum Quatschen.”
Nicht wirklich freundlich, das Urteil, aber lesenswert.
Kirchtumspolitik
Die Schweizer haben sich entschieden: Fürs Minarett-Verbot. Volksentscheid hin, Volksentscheid her: Wer gläubigen Menschen verbietet, ein Gotteshaus zu errichten, handelt ausgespochen dumm. Und vergeht sich an den Menschrechten, zu dem auch das Recht zur freien Religionsausübung gehört. Bei uns jedenfalls darf ein Grundrecht nicht per Mehrheitsentscheid ausgehebelt werden. Vielleicht werden ja europäische Gerichte diese Fehlentscheidung noch korrigieren. Der Schweizer Kirchtumsentscheid aber ruft nun sogleich auch deutsche Kirchtumspolitiker auf den Plan. Wolfgang Bosbach, Innenpolitikfachmann der CDU im Deutschen Bundestag, Vorsitzender des Bundestagsinnenausschusses und direkt gewählter Abgeordneter unseres Wahlkreises, kam das Schweizer Fehlurteil offenbar wie gerufen. Man müsse das Schweizer Kirchtumsurteil ernst nehmen. Spiegel-Online zitiert: “Das Ergebnis der Volksabstimmung sei Ausdruck einer auch in Deutschland weit verbreiteten Angst vor Islamisierung, sagte Bosbach der ‘Berliner Zeitung’.” Islamisierung. Das ist das Zauberwort. Auch Bosbach spricht sofort von Islamisierung. Keine Rede vom Recht auf die Ausübung der islamischen Religion. Keine Rede vom Recht auf islamische Gotteshäuser. Sofort ist die Keule der Islamisierung zur Hand. Islamisierung sagen, Überfremdung meinen. Wer es ernst meint mit der Integration von Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund und anderer religiöser Überzeugung, kann ihnen den Bau einer Moschee nicht verwehren – und zur Kirche gehört auch der Kirchturm, zur Moschee das Minarett.