Monat: April 2023

WPF

Made my Day: WPF. Soeben gelesen in Facebook, bei Bernd Kollmann. Seine Cousine Anne aus Hückeswagen sei die Urheberin dieser Wortschöpfung, die Wermelskirchener Porsche Fahrer bedeutet. Es geht um die Heizungen in den Privathäusern. Kollmann “verstehe die schräge Diskussion auch nicht, insbesondere in dieser Hinsicht die Nebelkerzenwerferei des WPF und seiner FDP-Freunde”.

“Brisante Personalie”

Wenn sich ein Verleger müht, die Freundin/Gattin eines Ministers, dieses Ministers mit einem Arbeitsvertrag auszustatten, dürften gewiß andere als soziale Überlegungen eine wichtige Rolle spielen, persönliche Nähe vielleicht, Einfluss, Zugang zu Informationen, Abhängigkeit.

“Im Herbst 2021 (…) versuchte Döpfner offenbar eine brisante Personalie einzufädeln. Wie mehrere Quellen dem SPIEGEL bestätigten, soll der Vorstandschef darauf hingewirkt haben, dass ‘Bild’ Franca Lehfeldt einstellt: damals Journalistin bei RTL und Lebensgefährtin von FDP-Chef Christian Lindner, heute dessen Frau. Mehrfach habe er ihren Namen fallen lassen und ihre Telefonnummer intern weitergegeben. Für Chefredakteur Boie, der damals neu im Amt war, wurde es die erste Bewährungsprobe. Zunächst soll er gezögert haben, sich Döpfners Vorschlag entgegenzustellen, heißt es im Verlag. Größere Bedenken hatten seine Co-Chefs Alexandra Würzbach und Claus Strunz.”

Isabell Hülsen, Alexander Kühn und Anton Rainer, »Denver, Dallas, Döpfner«, in: Spiegel Online vom neunzehnten April Zweitausenddreiundzwanzig, zitiert nach Altpapier

Technologieoffenheit

Eine solche, breit gefasste und kritisch unterlegte Technologieoffenheit steht in krassem Gegensatz zu dem, was in der Politik, vor allem in der FDP, derzeit unter diesem Stichwort diskutiert und bestimmt auch beim Parteitag am Wochenende wieder Thema sein wird. Hier geht es oft nur darum, bereits bekannte und bekanntermaßen umweltschädliche Techniken weiter anwenden zu dürfen: um eine Art Hintertür, durch die man schlüpfen will, weil der Porsche-Motor so schön röhrt. Reduziert auf Dinge wie E-Fuels ist Technologieoffenheit bloß Schönfärberei. Gemeint ist: Ich will mir doch nicht alles verbieten lassen. Abgesehen davon, dass E-Fuels angesichts der zu erwartenden Preise dafür ohnehin kein Massenprodukt werden dürften: Solch ein Vorstoß zeugt von bemerkenswerter Rückwärtsgewandtheit. Es kann doch wohl nicht darum gehen, auf Verderb statt Gedeih am Vorhandenen festzuhalten. Weil in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig getan wurde, rennt der Menschheit jetzt beim Klimaschutz die Zeit davon. Anstatt Ressourcen darauf zu verwenden, Überkommenes wie den Verbrennermotor zu bewahren, wäre es viel besser, diese Kraft auf Zukunftstechnologien zu konzentrieren, die aus der Misere führen – und nicht weiter hinein. Das ist, nebenbei gesagt, auch eine Chance für das Hochtechnologieland Deutschland. Aber auch eine gewaltige Aufgabe.

Helmut Martin-Jung. Unter Affen, in: Süddeutsche Zeitung vom neunzehnten April Zweitausenddreiundzwanzig

Stabil kaltblütig

„Wir stärken jetzt die Kinder in unserem Land, um ihnen eine gute Zukunft zu gewährleisten. Eine lange Zeit der Vernachlässigung der Kinder wird damit beendet. 100 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen werden erlauben, dass wirklich alle Kinder in Würde aufwachsen können.“ So schön könnten Christian Lindners Worte klingen.

Denn, bitterer Scherz beiseite, diese Worte hat er so nie gesagt und (Hot Take!) er wird es auch nie. Beim erstaunlichen Lindner-Zitat handelt es sich dafür um sein leicht abgewandeltes Statement zum Sondervermögen Bundeswehr. Für die mit 12 Milliarden veranschlagte Kindergrundsicherung sieht unser Finanzminister allerdings keinen Spielraum im Haushaltsbudget. Obwohl mittlerweile mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland als armutsgefährdet gilt und die Kindergrundsicherung das sozialpolitische Projekt der Koalition sein soll.

„Für Familien mit Kindern ist bereits viel passiert“, behauptete Lindner dagegen und meint damit die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags. Bei Familien, die Bürger*innengeld beziehen, wird das eine aber verrechnet, und das andere ist als Maßnahme gar nicht für sie gedacht. Diejenigen, die das Geld mitunter am nötigsten brauchen, sehen von „viel passiert“ also genau: nichts. Wären die kleinen Racker doch nur als Panzer und Kampfjets auf die Welt gekommen – oder als nach E-Fuels dürstende Porsches, dann würde der Finanzminister sicher Sondermittel und Wege finden.

Lindner schiebt die Verantwortung stattdessen nur noch weiter von sich. Häufig seien die Bildungs- oder Erwerbsarmut der Eltern Grund für Kinderarmut, so der Finanzminister. Diesen sollte der Staat deshalb nicht mehr Geld zahlen, sondern auf Spracherwerbsförderung und Bildung der Eltern setzen, um sie in Jobs zu bringen. Übersetzt heißt das: Wir sollen uns endlich wieder darauf konzentrieren, was Menschen in Armut alles falsch machen, besonders wenn Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. FDP-geleitete Finanzpolitik: einfach stabil kaltblütig. Wie so ein Yuppie, der dem um Kleingeld bittenden Obdachlosen vorm Supermarkt nichts gibt, weil dieser sich ja Alkohol davon kaufen könnte.

Die Aussage des Finanzministers zeigt außerdem, dass er sich mit den Betroffenengruppen der (Kinder-)Armut offenbar kaum auseinandergesetzt hat (oder dies nicht möchte), denn vor allem Ein-Eltern-Familien rutschen in die Armut ab bzw. sind in ihr strukturell gefangen. 43 Prozent aller Alleinerziehenden können von ihrem Einkommen nicht leben, während aber 71 Prozent der alleinerziehenden Mütter arbeiten. In neun von zehn Fällen ist die alleinerziehende Person nämlich eine Frau, womit das Thema auch eine eindeutig sexistische Dimension hat.

Sei es bei der Armutsbekämpfung, Bildungsgerechtigkeit oder dem Schutz vor der Klimakrise, die aktuelle Debatte zeigt wieder einmal: Kinder haben in Deutschland keine Lobby. Oder höchstens eine, die gegen sie arbeitet. Die Kindergrundsicherung als echtes Sicherheitsnetz für Familien einzuführen, die es am dringendsten benötigen, wäre eine klare Absage an diesen zynischen Kurs. Eine lange Zeit der Vernachlässigung der Kinder wäre damit beendet.

Anne Wizorek, Direktnachricht: Stabil kaltblütig, in: Newsletter: Der Hauptstadtbrief vom fünfzehnten April Zweitausenddreiundzwanzig. (Anne Wizorek ist freie Beraterin für digitale Strategien und Autorin. Ihr Twitter Handle ist @marthadear.)

Gereizter Münchener Professor

Wer gereizt agiert oder reagiert, wird oft als unsouverän wahrgenommen, aber die Frage ist natürlich, ob sich bei bestimmten Themen eine gewisse Gereiztheit gar nicht mehr vermeiden lässt. Um es mit dem “Spiegel”-Kolumnisten Christian Stöcker zu sagen: “Wer nicht verwirrt oder desinformiert ist, muss langsam zwangsläufig gereizt werden. Dieses ständige mit-bräsigem-Grinsen-angelogen-Werden zermürbt auch den geduldigsten Faktenfreund.”

Der Anlass dieser Äußerung: Thomas Langkabel, der National Technology Officer von Microsoft Deutschland, hatte in einem Tweet verständnisvoll gefragt, ob in einem neuen Video zum Thema E-Fuels, das der ZDF-Mann Harald Lesch für sein Online-Format “Terra X. Lesch und Co.” produziert hat, nicht eine “leichte Gereiztheit” auszumachen sei. Diese Gereiztheit trägt allemal dazu bei, dass Lesch zu großer Form aufläuft (auch wenn sein Text oft geschnitten wurde), es empfiehlt sich, ab der elften und 17. Minute mal für längere Zeit reinzuschauen. Lesch argumentiert unter anderem, dass der bei einem Elektroauto genutzte Strom einen “Wirkungsgrad” von 70 Prozent habe, dieser bei einem mit E-Fuels betriebenen Auto aber nur bei 13 Prozent liege, schließlich müsse der Strom, mit dem man ein E-Auto direkt betreiben kann, erst einmal dafür genutzt werden, um E-Fuels überhaupt herstellen zu können. Der Begriff “Technologie-Offenheit” gehöre in diesem Kontext in die Kategorie “Verarschung”: “Wenn ich einen Prozess habe, der so viel besser ist als ein anderer, dann werde ich mich doch nicht ‘offen’ – mit offenen Augen – für den schlechteren entscheiden.” Leschs Fazit lautet: “Diese E-Fuel-Debatte, so wie sie aktuell geführt wird, (basiert) gar nicht auf wissenschaftlichen Fakten (…)”

Beziehungsweise:
“Die Diskussion über E-Fuels ist einer der charakteristischen Fälle, wo jemand versucht oder wo viele versuchen, (…) aus unerfindlichen Gründen naturwissenschaftlich grundlegende Ergebnisse einfach wegzudrücken – so ein bisschen nach dem Motto: Diese Physik, (…) wie können wir sie umgehen? Wir können wir drumrum kommen?”

Lesch, der, wenn er nicht Fernsehen macht, Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München lehrt, prangert hier also einen neuen Fall der in gewissen Kreisen ja sehr populären Wissenschaftsleugnung an. Während Lesch die Gründe dafür, dass Menschen glauben, die Physik umgehen zu können, im sarkastischen Tonfall “unerfindlich” nennt, formuliert es der schon erwähnte Christian Stöcker in seiner aktuellen “Spiegel”-Kolumne etwas anders: “(Dass) wir (…) überhaupt über ineffiziente Lösungen wie (…) E-Fuels für Autos diskutieren, (…) hat vor allem einen Grund: Es gibt Branchen, die ein großes Interesse daran haben, dass weiterhin Sachen verbrannt werden. Und es gibt Politikerinnen und Politiker, die diesen Branchen weiterhin gern zuhören und ihre Interessen vertreten.”

René Martens, Ein neuer Fall von Wissenschaftsleugnung, in: Altpapier