Monat: Dezember 2024

Verfassungsschutz in Thüringen ordnet Anschlag von Taleb A. rechtsextremem Spektrum zu

Anzeichen für psychische Erkrankung nicht zu übersehen

“Selbst wenn sich eine psychische Störung herausstellen sollte, lässt sich an den Beiträgen des mutmaßlichen Täters im Internet eine gewachsene Radikalisierung mit Extremismusbezügen nach rechts in den letzten Jahren feststellen”, so der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

„Im Kern hat er Ideologeme dieser globalen digitalen Vergemeinschaftung im Bereich des Rechtsextremismus geteilt: der angebliche sogenannte große Austausch, die angebliche Islamisierung, andere Elemente der klassischen Verschwörungsideologie, und dass man annimmt, alles sei gesteuert. Presse sei gesteuert, politisches Handeln. Das sind so Chiffren in diesem Milieu. Und wir sehen bei ihm stark und über Jahre hinweg, wie er an diesem Diskurs, an dieser digitalen Vergemeinschaftung teilgenommen hat, wie er diese Inhalte übernommen hat, bei X, ehemals Twitter, retweetet, aber auch eigene Inhalte beigesteuert hat – insbesondere im Kontext antiislamischer Agitation.“ So der Radikalisierungsforscher Hans Goldenbaum. Magdeburg stehe in einer Reihe mit den Taten von Halle und Hanau. Dass gerade die Akteure, denen der Tatverdächtige anhing, von einem migrantisch islamistischen Anschlag sprechen, sollte aus Sicht des Forschers nicht verwundern. Es zeige, wie abgedichtet der rechtsextreme Diskurs gegen die Realität sei. 

„Wir sehen sehr starke paranoide Züge, eine wahnhafte Wahrnehmung verfolgt zu werden: in Deutschland nicht unbedingt nur vom saudi-arabischen Geheimdienst, sondern auch vom deutschen Staat, vom deutschen Geheimdienst, der deutschen Polizei. Das sind sehr klare paranoische, verschwörungsideologische Elemente, wie wir sie zum Beispiel auch beim Täter von Hanau hatten.“

„Das sind Taten, bei denen wir merken, dass der Täter in welcher Form auch immer ein geschlossenes Weltbild hat, ein extremistisches Weltbild hatte. Und die Möglichkeit eines psychischen Ausnahmezustands, von psychischer Labilität, psychischer Störung. Meistens müssen mehrere Faktoren der Ideologie, der psychischen Konstitution und auch emotionaler, psychischer Momente zusammenkommen.“

„Also er war offenbar Unterstützer, Sympathisant der AfD, aber dass er sich mit den Leuten getroffen hat, das denke ich nicht. Das wäre auch unwahrscheinlich von der Täterstruktur her. Was man aber sagen kann ist, dass er im digitalen Raum sehr wohl stark vernetzt war. Und das ist ein Phänomen, das wir in den letzten Jahren zunehmend beobachten, weshalb wir in allen extremistischen terroristischen Gewaltformen eine stärkere Einzeltäterproblematik haben. Dass Menschen online eine Gemeinschaft finden, die sie bestätigt, an deren Diskursen sie partizipieren können, wo sie teilweise auf Menschen stoßen, die sie unmittelbar zur Tat motivieren und wo sie dann aufgrund von individuellen Faktoren irgendwann zur Tat schreiten.In diesen digitalen Räumen dichten sie sich, genau wie beim Tatverdächtigen jetzt in Magdeburg, mehr und mehr gegen Einflüsse von außen ab, gegen andere Informationen. Dort kommen auch andere Akteure ins Spiel, auch rechtsextreme Akteure, auch Akteure aus der AfD.“

Geklauter Kniefall

Auf den ersten Blick machte mir das Foto den Eindruck, eine allenfalls leidlich gelungene Persiflage aus dem Hause der Postillonsmacher zu sein, die das überbordende und kaum einhegbare Ego des bayerischen Ministerpräsidenten aufs Korn nehmen, wozu der sich an der historisch einmaligen Geste des Kniefalls von Bundeskanzler Willy Brandt in Warschau vergeht und einen dürren Abguss liefert, allenfalls eine physische Kopie. Sozusagen die traurig-bedeutungslose Geste jenseits aller Wahrhaftigkeit. Wie gesagt, der erste Blick.

Nur: auf den zweiten Blick verflüchtigen sich die vermuteten Satireproduzenten aus dem Internet. Der Ministerpräsident höchstselbst und seine Entourage sind verantwortlich für die mißratene Geste und ihre Verbreitung in den Netzen.

„Selbstverliebtheit gepaart mit Größenfantasien war immer schon seine ärgste Schwäche. Inzwischen aber hat sie Ausmaße angenommen, die ins Groteske reichen“, schreibt Sebastian Beck heute in seinem Beitrag „Markus Söder. Der grotesk Selbstverliebte“ in der morgigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung über den geklauten Kniefall.

Irre! Und erwartbar.“ Und widerlich.

„Irre! Und erwartbar.“ So der lakonische Kommentar von Armin Nassehi zu einer Meldung von Natalie Amiri auf X/Twitter: „Geht schon los: Der neue Justizminister Syriens, Shadi Alwaisi, teilte mit, dass es keine Richterinnen mehr geben werde und die Gerichte nur noch von Männern geleitet würden. Richterinnen müssen ihre bestehenden Fälle an männliche Richter abgeben.“ Und Düzen Tekkal postet: „Aber lasst uns nur weiter so tun, als wenn die Dschihadisten reformistisch agieren würden. Woher kommt diese Obsession auf Islamismus aus dem Westen? In Syrien droht das selbe wie in Afghanistan, wenn wir weiter dabei zuschauen, wie die demokratischen, kurdischen und syrischen Kräfte, die das ändern könnten, vernichtet werden.“

Noch ist es keine wirklich Befreiung. Es könnte vielleicht in den Prozess einer solchen münden. Aber aus den unklaren und gewiß nicht stabilen politischen, gesellschaftlichen und militärischen Umständen in Syrien jetzt schon schließen zu können, daß sich Hunderttausende einst geflohene Syrerinnen und Syrer umgehend und umstandslos auf den Weg zurück in die alte Heimat machen oder mit einem Ticket und ein wenig Handgeld dazu zu motivieren wären, wie es der -natürlich- Spahn-Vorschlag suggeriert, kann nur das Ergebnis eines allzu stattlichen Wunschdenkens sein. 

Oder: Es geht gar nicht um die Syrer, bei derartigen Vorschlägen. Es geht um unser Land, um die Menschen, die hier leben. In Wahlkampfzeiten – und nicht nur in diesen – regiert beim Thema Flucht und Vertreibung das Ressentiment. Die angenommene Wahrheit. Eine vermutete Gewaltbereitschaft wird allen Menschen islamischen Glaubens unterstellt. AfD, CDU, FDP und BSW erklären Migration und Flucht zum Top-Thema. Kein Wunder, daß dann in diesem Überbietungswettbewerb nur Stunden, nachdem der Diktator nach Moskau geflohen ist, die ersten „Remigrations“-Floskeln öffentlich werden.

Das alles ist nicht nur irre und erwartbar. Es ist auch widerlich.