Monat: Januar 2025

Anders sein

Die besten Filter aber sind wir Menschen selbst, der Anstand, den wir leben. Wenn Dummheit und Niedertracht drohen Land zu gewinnen, dann ist das erste und vielleicht auch das letzte Mittel, das man gemeinsam dagegen hat: anders sein.

Johan Schloemann, Mit Anstand, in: Süddeutsche Zeitung vom zweiundzwanzigsten Januar Zweitausendfünfundzwanzig

“Sie verstellen sich nicht”

Man „höre die Rede der Spitzen-, jetzt Kanzlerkandidatin dieser rechtsradikalen Partei, die auf der Klaviatur der Unsagbarkeiten ebenso spielen kann wie auf der, sich als Opfer eines Mainstreams darzustellen, der ihr ihre demokratischen Rechte verweigert. In dieser Rede hat Alice Weidel – „Al(les)ice für Deutschland“ – einen Ton angeschlagen, der nicht einmal in die Nähe des Verdachts kommen könnte, für mitte-rechts-orientierte Wählerinnen und Wähler auch nur ansatzweise akzeptabel zu sein. Es war eine ekelhafte Rede, das Gesicht der Rednerin zur Fratze erstarrt, von Hass zerfressen und in den Inhalten dümmer, als man es sich auch mit viel Fantasie vorstellen konnte. (…) Das ist vielleicht das Frappierende an der ganzen Sache – sie verstellen sich nicht. So unsagbar und unerwartbar, so wenig satisfaktionsfähig und ernst zu nehmen die Dinge inhaltlich sind, so wenig scheint das für die Sprecher ein Problem zu sein. Das bedeutet dann aber, dass die kommunizierten Inhalte für Gegenargumente, für Widerlegung oder auch nur Verunsicherung erreichbar wären. Man wird diese Leute nicht dadurch erreichen, dass man sie widerlegt – im Gegenteil, die Widerlegung stabilisiert die Distinktion. (…) Die Mechanismen der Verarbeitung politischer Inhalte und Informationen können solche Formen der politischen Selbstimmunisierung gar nicht erreichen.

Armin Nassehi, MONTAGSBLOCK /308

Rasierschaum ist keine Kritik

Da wirft eine Kreispolitikerin der Partei Die Linke dem FDP-Chef Lindner eine Rasierschaumtorte ins Gesicht. Nein, das ist keine Politik. Es ist eine körperliche Attacke auf einen Politiker, einen Mandatsträger. Das ist das Gegenteil von persönlichem Anstand und politischer Kunst. Nichts rechtfertigt derartige Angriffe, im Privaten nicht, noch auf Politiker. Man darf jedermann kritisieren. Christian Lindner zuvörderst. Wegen seines Ampel Aus- und Nachtritts. Wegen seiner spalterischen Rhetorik. Wegen der würdelosen Anbiederung an Elon Musk und Javier Milei. Wer aber nicht aushält zu hören, was andere sagen, wer den anderen nicht (aus)reden lassen will, schlimmer noch: persönlich attackiert, darf sich nicht als Demokrat bezeichnen. Punktum.

“Rolex-Liberalismus”

Gut klappt die Ansprache der treuesten Wählerschaft, die die FDP derzeit hat: Auf die Fans von Christian Lindner kann sie bauen. Der Parteichef verkörpert einen Rolex-Liberalismus. Dessen Anhänger übernehmen gerne einen gut bezahlten Job, um sich dann stolz Genuss leisten zu können. Diese hedonistische Zielgruppe ist größer, als man auf dem Lastenradparkplatz meinen könnte.

Bastian Brinkmann, Christian Lindner bewirbt sich als Schwiegersohn von Friedrich Merz – das ist zu wenig, in: Süddeutsche Zeitung vom siebten Januar Zweitausendfünfundzwanzig