Kategorie: Sport

Verfolgte Unschuld

Mittlerweile sind sie fast alle von Kopf bis Fuß tätowiert, als wollten sie nackt in den Krieg ziehen und den Feind mit besonders aggressiver Körperbemalung in Angst und Schrecken versetzen. Oder zum Lachen bringen, man weiß es nicht genau. Aber dann wird im Spiel ständig gequengelt und der Schiri bedrängt und gejammert, gemeckert und geheult. Vor allem, wenn sie sich nach einem klaren Foul mit einem Ausdruck der Fassungslosigkeit als verfolgte Unschuld inszenieren, die völlig grundlos auf dem elektrischen Stuhl gelandet ist.

Frank Goosen hat die feine Beobachtung männlichen Verhaltens beim Fußball auf seiner Facebookseite eingestellt

Fußballgott 

Der Fußballgott hat gestern auf der ganzen Linie versagt. Nein, ich meine nicht die xte Meisterschaft für den FC Bayern München. Auf dem Platz war es die Mannschaft von Borussia Dortmund, die kläglich an der Riesenchance scheiterte, einmal die Serienmeisterschaft für die Bayern zu durchbrechen. Zudem ist mir der FC Bayern München ziemlich egal. Mehr noch. Mein Interesse am Profifußball läßt beständig nach. Von Leidenschaft ist seit geraumer Zeit nicht mehr zu reden. Versagt hat der Fußballgott, als er die Kommunikation des Meistervereins auf dem Niveau einer Kreisklassenmannschaft hat durchgehen lassen. Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic waren und sind für mich keine Sympathieträger. Für nichts. Aber daß sie gestern, als die Meisterschaft noch nicht einmal in trockenen Tüchern war, geschasst worden sind, zeigt nicht mehr, als daß es sich beim Münchener Verein um den Serienmeister der Arroganz handelt. Die Kommunikationsabteilung in München ist gestern jedenfalls nicht Deutscher Meister geworden.

Bleiern

Über Jahre hat man sich den den Blick auf die Fußball-Bundesligatabelle abgewöhnt. Die Spannung war dahin. Jedenfalls, wenn es um die oberen Tabellenregionen ging, die Meisterschaft. Der Kampf um die Plätze für internationale europäische Pokal-Wettbewerbe ist allenfalls ein schaler Ersatz für die Hauptfrage jeglichen Sports: Wer wird Erster, wer gewinnt die Meisterschaft? Müdes Gähnen ist Folge der Dauer-Meisterschaft des FC Bayern. Ein Abonnementsmeister ist der Tod des Wettbewerbs. Dauersieger entwerten den Sport, richten sich gegen den Grundgedanken, immer wieder neu die Kräfte miteinander messen zu müssen mit realistischen Chancen, daß der Sieger nicht vorhergesagt werden kann. Der FC Bayern als Dauermeister spricht gegen jede Idee des Sportes, gegen jede Idee des freien Spiels der Kräfte, gegen jede Marktidee. Eine große Anzahl von Kindern weiß nicht, daß auch andere Mannschaften einmal Deutscher Fußballmeister waren. Das ist so ähnlich wie bei den gefühlt ewigen Kanzlerschaften von Helmut Kohl oder Angela Merkel. Die Hoffnung der Fußballfans richtet sich auf den kommenden Samstag. Kann Borussia Dortmund den hauchdünnen Vorsprung vor dem FC Bayern sichern, Deutscher Fußballmeister werden und damit die bleiernen Zeiten totaler Übermacht aus München (zeitweilig jedenfalls) beenden? Ich wünsche es mir und den vielen Fußballfreunden im Land.

Sport-Soap

Im Grunde kann es mir ja gleich sein, mit welchem Trainer der FC Bayern München wieder mal Deutscher Fußballmeister werden wird. Ob dem Trainerteam Julian Nagelsmann vorsteht oder Thomas Tuchel, die Münchener Kicker können aus eigener Kraft noch Deutscher Meister werden, Deutscher Pokalsieger und nach den grandiosen Spielen in der Championsleague sogar Europas Fußballkrone erringen. Mir erschließt sich nicht, warum die Vereinsmeier in München in dieser Lage den Trainer in die Wüste schicken, um den zu verpflichten vor nur wenigen Jahren die Münchener die weltweit höchste Ablösesumme für einen Fußballlehrer gezahlt haben. Man spricht von zwanzig bis fünfundzwanzig Millionen Euro. Und jetzt dürfte eine ähnlich hohe Entschädigung fällig werden, haben die Verantwortlichen den jungen Trainer doch mit einem höchstdosierten Vertrag bis Zweitausendsechsundzwanzig ausgestattet. Geld spielt wohl keine Rolle. In München so wenig wie bei den Scheichs, die sich mehr und mehr in europäischen Fußballvereinen breit machen. Ehrlich gesagt: Für mich ändert sich, leider, nichts mehr. Mit dem großen Geld ist endgültig ein Geist in den Profifußball eingezogen, der Identifikation mit einem Verein oder dem ganzen Verband zusehends schwerer macht. Profifußball rührt mich nicht mehr. Ich nehme zur Kenntnis, wer gewinnt und wer verliert. Aber ich fiebere nicht mehr wirklich mit. Mit dem ganz großen Geld hat der Profifußball seine Anziehungskraft verloren. Ein Spektakel, das keine innere Begeisterung zu entfachen in der Lage ist. Eine Sport-Soap. Mehr nicht mehr.

Das letzte Wort

Jetzt reden sie zu zweit. Überwiegend. Der eine mit Kenntnissen vom Fußball, der andere mit Kenntnissen, ja, von was? vom Medienbetrieb. Ungebremst der eine, zu schnell, oft unverständlich. Wie immer und heute zum letzten Male der andere. Sie parlieren miteinander, plaudern, scherzen. Nur miteinander. Nicht mit einem, nicht für ein Publikum. An denen vorbei. Beide. Zum letzten Mal heute. Leider nur die beiden.

Revolution

Weniger als eine Revolution wird nicht reichen. Früher war ich sicher, daß der Satz umfassend gültig ist, Gesellschaft, Politik, Kultur betrifft. Heute bin ich sicher, daß er vielleicht nur, aber ganz sicher für den Weltfußball gilt. Wenn die FIFA nicht zerschlagen wird, wenn die weltweite Fußballgemeinde sich nicht eine vollkommen andere, nicht korrupte, nicht reaktionäre, nicht totalitäre Struktur und Organisationsform gibt, die Frieden und Menschenrechte achtet, demokratisch organisiert ist, gerecht handelt, nachhaltig, ökologisch, die Diktaturen und Autokraten ächtet, die Demokratie und weltweit sozialen Frieden fördert, ist der Weltfußball erledigt. Fußball wird weiter gespielt werden, auf den staubigen afrikanischen Plätzen, in den Favelas, auch in deutschen Siedlungen bis hin jeweils zu den nationalen Superligen. Ohne allerdings auch nur einen Funken von Restanerkennung. Soll die FIFA doch um das Wohlwollen und die Kohle der Putins, der Emire, der Xis oder argentinischer Putschgeneräle, alles schon gehabt, buhlen. Den Fußball verraten können sie nicht für immer. Und gegen alle Fans. Also: Revolution.

Die Blödheit der Binde

Heiliger Bimbam, wie blöd und scheuklapprig kann man eigentlich sein als Fußballweltverband? Auf die Menschenrechte laut Satzung verpflichtet, untersagt der Verband, wer ist das eigentlich genau? seinen Mitgliedern, beim Weltturnier mit einer Armbinde aufzulaufen, auf der zu lesen ist „One Love“. Da fällt mir nichts zu ein.

Katar gegen Ecuador

Unsystematisches Gegrummel zur Fußballweltmeisterschaft

Ich bin mir gar nicht so sicher, daß ich mir das Fußballweltmeisterschaftsspiel zwischen Katar und Ecuador, das während einer Weltmeisterschaft, sagen wir in: Brasilien stattgefunden hätte oder in Polen mit Ungarn oder den Vereinigten Staaten von Amerika angesehen hätte im Fernsehen. Noch wesentlich jünger, vor vielen Jahren, gewiß. Da war jede Fußball-WM ein Ereignis mit Wucht, eines, von dem ich möglichst viel, möglichst alles mitbekommen wollte. Katar gegen Ecuador ist am kommenden Samstag das Eröffnungsspiel der diesjährigen Winterweltmeisterschsft im Wüstensand. Und von überall her ertönt der Ruf nach Boykott. Diese WM darf man sich nicht ansehen, wegen des Skandals eines völlig korrupten Vergabeverfahrens. Die schlechteste WM-Bewerbung aller Zeiten wurde belohnt. Die Spiele finden im Winter statt, weil der Sommer dort in Katar mit seinen fünfzig Grad doch zu heiß ist fürs Kicken. Sie finden dort statt, wo es wirklich keine Fußballtradition gibt. In einem sehr kleinen Land, kleiner als Schleswig-Holstein, am Rande einer Wüste, das touristisch kaum etwas zu bieten hat. Fußballfans, die die Spiele besuchen wollen, müssen sich mit äußerst rückständigen kulturellen und sozialen Umständen abfinden. Eine kleine, unendlich reiche Männergesellschaft regiert das Land nach islamistischem Gutdünken; die Arbeit wird von asiatischen Arbeitssklaven erledigt, denen alle sozialen Rechte genommen werden; Frauen werden Menschenrechte vorenthalten; Homosexuelle werden verfolgt. Kurzum: Der Wüstenstaat ist noch nicht in der Moderne angekommen. Ob das jemals gelingen kann mit der Ausrichtung eines Welt-Fußballturniers, bleibt fraglich. Der Boykott der Fernsehübertragungen wird Katar ebenfalls nicht zur Turboentwicklung verhelfen können. Die Spiele von Bayern München beispielsweise wurden von niemandem bis jetzt als sanktionsreif bewertet. Dabei ist einer der potentesten Finanzpartner des bundesdeutschen Abonnementsmeisters Katar und seine Fluggesellschaft. Die Spiele der englischen Profiliga sind auch völlig frei von Boykottüberlegungen, obwohl es dort, jenseits des Kanals sowie in Spanien, Frankreich oder Italien doch nur so wimmelt von Vereinen, die mit dem Kapital aus den schmuddeligen Öl- und Gasgeschäften im Nahen Osten zunächst saniert und hernach auf die Erfolgsspur gebracht worden sind. Durchaus vergleichbare Umstände werden schließlich mit ganz unterschiedlichen Ellen gemessen. Meine Lust am Boykott, noch selten wirklich ausgeprägt, wird nicht angefacht. Aber: Katar gegen Ecuador? Das wäre auch unter Bolsonaro oder der PIS-Partei kein Bringer. Das muß man nicht boykottieren. Das sieht man sich einfach nicht an. Als Teil eines Boykotts würde ein derartiges Spiel allenfalls noch geadelt. Zu dieser Begegnung kommt es nur, weil es der FIFA, dem Welt-Fußballverband, stets um die Steigerung der Anzahl der Teilnehmerländer an diesem Großereignis ging und geht. Mehr, mehr, mehr Mannschaften, mehr, mehr, mehr Geld. Und dann? Katar gegen Ecuador. Nein, ich boykottiere diese WM nicht. Aber ich schaue mir auch nicht mehr jedes Spiel an. Mal sehen. Vielleicht grummele ich einfach weiter …