Es ist soweit: Am Aschermittwoch ist alles vorbei, die Schwüre von Treue, sie brechen entzwei, von all deinen Küssen darf ich nichts mehr wissen. Wie schön es auch sei, dann ist alles vorbei. Heute. Alles vorbei. Die stillste Session ist zu Ende. Ein Karnevalszeit ohne Bützjer, ohne Kamelle, ohne Umzüge, ohne ausgedehnte Exkursionen an die schönsten Theken der Stadt, ohne trunkene Umarmungen, ohne nüchterne Nähe. Ohne Nähe. Ohne Küsse. Dafür Abstand, Mundschutz, Desinfektion. Viren und Mutanten statt Lappenclown und tollen Tanten. Keine Polizisten mit Strüssjer am Revers. Von wegen Küsse, von denen man nichts mehr wissen darf. Jeder darf es wissen. Karneval war Karneval ohne jeden Kuß. Einmalig. Hoffentlich. Gleichwohl fürchte ich, daß die närrische Zeit noch nicht vorüber ist. Die Pandemie hält an. Und die Kostümierung ebenfalls. Wieviele sind noch als Mediziner unterwegs, als Virologinnen, als Epidemiologen, als Wissenschaftler, Besserwisser? Zu viele. Für eine nüchterne Zeit eine ernüchternd große Zahl. Sie singen nicht, sie raunen. Alle machten alles falsch, die da oben, die Eliten, die Kanzlerin, wer auch immer. Statt heimattümelnd-kölschklingender Gesänge hört man allenthalben die Ausschlußsirenen. Die da gehören hier nicht hin. Die Fremden, die anderen. Wie närrisch. Drink doch eine mit, och wenn de anders bess als mir. Dat es Fastelovend. Statt höherem Blödsinn hören und lesen wir Verschwörungsdreck, menschenfeindlichen Stuss. Coronaleugner und Impfgegner mutieren zur ahnungslosen Vorhut rechtsextremistischer Strategen. Was für eine Tollheit. Was für eine närrische Gesellschaft. Die Session ist vorbei. Aber der Spuk ist es noch nicht. Erst, wenn Fakten wieder gelten, Rationalität statt Geschwurbel, wenn Humanität und Solidarität völkisch-nationalistische Sektiererei und Rassismus in die Schranken weisen, wenn Demokratie und Rechtsstaat gesichert sind, ist die Narretei der Gestrigen, der Populisten und Rassisten auch beendet. Dann können wir wieder fröhlich Karneval feiern, Blödsinn verzapfen, trinken und tanzen, küssen und singen, schunkeln, winken. Bis Aschermittwoch. Bis heute.