Monat: Februar 2015

Prognosen

Karl Valentin war es, der große Philosoph bayerischer Zunge und ungelenke Hanswurst, der einst formulierte: “Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.” Mitunter aber enthalten Entwürfe, Visionen von Zukünftigem einen realen, realistischen Kern.

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Unschwer ist auf dieser Illustration aus dem letzten Jahrhundert ein Handy zu erkennen. Ein bißchen klobig zwar, aber es ist alles vorhanden: Kopfhörer, Empfangsteil, Mikrophon, Monitor.

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Die Datenuhr. Mit Minidiskette. Ausgedacht vor vierunddreißig Jahren. Nicht so entsetzlich weit weg von dem, was wir demnächst, in diesem oder im nächsten Jahr werden kaufen können. Schöne neue (alte) Medienwelt.

Bilder von einst werden auf Retrogasm gesammelt. Eine Fundgrube für Schönes, Altes, Überraschendes, Frivoles, Photographiertes, Gedrucktes, Geprägtes, Gemaltes, für allerlei Sammelsurium.

Statistisches

Statistik. Wer schert sich wirklich um Statistiken. Und dennoch habe ich soeben mal in die Statistiken geschaut, die WordPress für meine Widerworte hier so auswirft. Tja. Neuntausendfünfhundertundelf mal ist ein Beitrag explizit angeschaut worden, in dem es um Michelle Hunzicker geht. Vermutlich nicht, weil sie so ungeheuer bedeutsam wäre. Hier sind Bild und Beitrag zu finden. Aber siebentausendneunhundertundsiebzig Menschen haben sich den Beitrag über die Kultur der Achtsamkeit angesehen. Über eine Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Köhler. Immerhin. Ein paar tausend Leser. Statistiken.

Im eigenen Saft schmort es sich am besten

Die politische Landschaft in Wermelskirchen ist bunt. Gottlob. Aber eine heterogene politische Szene bedeutet auch Konkurrenz. Sieben Parteien sind im Stadtrat vertreten. Und diese sieben Parteien mühen sich um die Aufmerksamkeit jener, die für politische Angebote und Debatten noch offen sind. Also um eine leider eher kleiner werdende Gruppe von Bürgern. Alle Parteien haben Stammtische im Angebot. Fast immer sind es öffentliche Treffen, nicht nur für Mitglieder, sondern auch für Interessierte veranstaltet, ohne feste Themen- oder Tagesordnung. Mit solchen Stammtischen stellen die Parteien ihre Vorhaben und Überzeugungen dar und treten in den Dialog mit Menschen ein, die nicht oder noch nicht in eine Partei entreten wollen, dennoch aber zu Gesprächen über den eigenen Tellerrand hinaus offen und nicht festgefahren sind. Ich habe in den letzten Jahren Veranstaltungen oder Stammtische nahezu aller politischer Parteien in Wermelskirchen besucht, um mir mein eigenes Bild zu machen. CDU, FDP, AfD, WNK und SPD, natürlich. Alle diese Veranstaltungen waren ein Gewinn. Denn man kommt klüger raus, als man hineingegangen ist. Das war heute auch so. Die Linke hatte geladen. Zum öffentlichen Stammtisch. Eine interessante Runde, mehr Menschen, als ich zunächst vermutet hatte. Und nach ein paar Regularien, Terminen und sonstigen nötigen Absprachen, sollte die Debatte auch losgehen. Sollte. Ein, äh, Genosse war indes nicht bereit, sich eines halbwegs bürgerlichen Umgangstons zu befleißigen, sondern verstieg sich, nachdem er erfahren hatte, daß ich nach meiner linksradikalen Vergangenheit heute in den Reihen der SPD organisiert bin, zu altbekannten, historisch aber falschen Generalschuldzuweisungen an die Sozialdemokraten à la “Wer hat uns verraten?”. Tja. Wenn schon ich, der ich eine gründliche politische Sozialisation in einer kommunistischen Partei durchlebt und auch überlebt habe und also den Jargon, die verengten bis falschen Argumente, die üblichen Simplifikationen oder das Eiferertum bestens kenne, wenn also schon ich es vorziehen muß, einen solchen Stammtisch nach nur wenigen Minuten zu verlassen, um der unbeherrschten Suada eines vermeintlich Linken zu entgehen, dann ist die Frage statthaft, wie die örtliche Linke denn generell mit Menschen umgehen will, die anderer Auffassung sind, die Zweifel haben an den Positionen der Linken, die nicht oder noch nicht überzeugt sind? Rainer Schneider und die seinen werden, nolens, volens im eigen Saft schmoren müssen, wenn das heute Abend eine typische Veranstaltung gewesen sein soll. Im eigenen Staft schmoren. Welch ein schönes Sprachbild. Es meint, daß man nichts wirklich Neues an sich heranläßt, keine Impulse oder Argumente von außen aufzunehmen bereit ist. Ein fürwahr treffendes Bild. Die Linke ist noch nicht grundsätzlich imstande, sich über die selbstgewählte Scheuklapprigkeit hinaus mit Menschen auseinanderzusetzen, die der Schablone eines historisch falschen und ideologisch fragwürdigen Feindbildes zu entsprechen scheinen. Sie schmort, jedenfalls hier in Wermelskirchen, im eigenen Saft. Aber auch im eigenen Saft kann man sich gehörig den Arsch verbrennen.

Helene-Fischer-Quote

Heute mag das ja noch gehen, an Veilchendienstag. Den Kopf mit einer ungeheuren Narretei aus der Deckung zu heben.  Wie die Pappnasen der Jungen Union in Mecklenburg-Vorpommern, bekanntlich eine der Hochburgen närrischen Treibens und jecker Ausgelassenheit. Die bis zur Kenntlichkeit verkleideten Nachwuchsnarren fordern mehr deutsche Musik im Radio. Muhahaha. Durch Helene Fischer, ja, der Brüller, durch Helene Fischer habe der Schlager ein frisches Image gewonnen. Und die Landesregierung solle beim öffentlich-rechtlichen Radio und später bundesweit mehr solche Schlager durchsetzen. Hihi. Dieses ungeheuer wichtige und brisante politische Thema brennt den jungen Narren regelrecht auf den Fingern. Dafür riskieren sie sogar, als schlechter Karnevalsscherz selbst bei Gleichaltrigen wahrgenommen zu werden. Tätä, Tätä, Tätä. Klatschmarsch. Und Abgang.

Nubbel

Der eine oder andere Nubbel wird heute Abend dran glauben müssen. Auf dem Scheiterhaufen vor einer Kneipe. Qualvoll und unter dem Leidgesang der Gemeinde, die ihre Trauer hemmungslos herausschluchzen wird. Für den Nichtkölner, den Imi, den imitierten Kölner, sei gesagt, daß der Nubbel eine Strohpuppe ist. Mehr nicht, aber auch nicht weniger. Und eine mit gehöriger Bedeutung. Der Nubbel, der unter dem Wehklagen der Gemeinde, der Jecken und der Trinkgefährten auf einer Bahre durch das Viertel getragen und hernach öffentlich verbrannt wird, symbolisiert den Karneval, dessen Session, die fünfte Jahreszeit, mit dem anbrechenden Aschermittwoch für ein ganzes, unerhört langes Jahr zu Ende gehen wird. Aber, natürlich, nicht ohne ein Spektakel. Wie es kaum etwas im Rheinland ruhig, ohne Spektakel zu feiern gibt. Vor der Kneipe wird dann eine Anklage vorgetragen, die in der Frage münden wird, wer denn Schuld trage dafür, daß das ganze Geld versoffen worden sei, wer denn Schuld habe dafür, daß man habe fremdgehen müssen. Und die Menge wird antworten: Dat wor de Nubbel, der Nubbel soll brenne. Mit der Nubbelverbrennung sind alle Sünden vergeben, so daß man nach der Verbrennung zurück in die Kneipe kann, um dort, jedenfalls die Stärksten der Trauer-Gemeinschaft, bis zum Morgen des Aschermittwoch, dem Ende der Karnevalszeit, weiterzusaufen.

Alaaf, mindestens

Irgendwie tolle Tage, das Wochenende. Jeck-surreal, oder? Am Samstag wollen als Malergesellen verkleidete, vollkommen benebelte Kölner Fußballjeckesalafisten nach dem Spiel mit den Kickern des rheinischen Derbys gemeinsam auf dem Rasen der niederrheinischen Karnevalshochburg abfeiern, mit Klamauk, Krawall, Alkohol, Rauch und Polizei, mindestens. Eine Krawallsitzung im Stadion. Wegen der Absage des Schoduvel – noch nie gehört? Macht nix. War auch noch nie irgendwo zu lesen, überregional -, also wegen der Absage des örtlichen Karnevalszuges wegen, wie man allenthalben liest, einer terroristisch-salafistisch-karnevalistischen Drohung, mutiert Braunschweig gestern zur Fasteloovendshochburg. In den Medien. Was in den Köpfen der dschihadistischen Lappenclowns und ihrer Tollitäten vorgeht, sich gerade Braunschweig für ein närrisches Attentat auszusuchen, bleibt  ihr karnevalistisches Geheimnis. In Hamburg sorgen vollkommen jecke Wähler gestern dafür, daß die CDU nicht einmal mehr doppelt so viele Stimmen erhält wie die Partei Die Linke. Dafür schrammt die SPD knapp an der absoluten Mehrheit vorbei, die FDP ist stärker denn je und auch die AfD darf jetzt in der nobel-norddeutschen Bürgerschaft an der Elbe mitspielen. Karneval allerorten, total tolle Tage. Die andere Hälfte der Wählerschaft, so darf man vermuten, hat mit Karneval nix am Hut und großmütig auf die Wahl verzichtet, im Interesse der Abstimmungsnarren. Das alles läßt sich doch nur mit dem einen und dem anderen und dem nächsten Kölsch ertragen, oder? Alaaf!

Paraskavedekatriaphobie

Freitag, mal wieder. Und der dreizehnte dazu. Der Tag der Triskaidekaphobiker. Als Triskaidekaphobie wird die abergläubische Angst vor der Zahl Dreizehn bezeichnet. Gepaart mit dem Unglückstag Freitag wird daraus gar die Paraskavedekatriaphobie. Ein Wort, das man kaum lesen kann, geschweige denn schreiben. Eine Auswertung von Krankenversicherungsunterlagen aus den Jahren Zweitausendsechs bis Zweitausendacht ergab, daß sich an einem solchen Tag, einem Freitag als dreizehntem Tag eines Monats,  drei- bis fünfmal mehr Arbeitnehmer krankschreiben lassen als an normalen Tagen. “Im Durchschnitt blieben deutschlandweit rund eine Million Menschen an einem Freitag mit dem magischen Datum zu Hause. (…) Viele Menschen verschieben an einem solchen Freitag Reisen und Geschäfte oder trauen sich gar nicht erst aus dem Bett.” Die Angst vor dem Unglückstag Freitag, dem dreizehnten, ist ein echter Höhepunkt des Aberglaubens. In diesem Jahr werden wir im November noch einmal die Paraskavedekatriaphobiker in ihren Betten begrüßen können, nicht jedoch in Büros und Fabriken, Straßenbahnen, Reisebüros oder Einkaufszeilen.