Kategorie: Sport

Damage in the mind

Eine Fußballweltmeisterschaft im Wüstenstaat Katar ist eine mentale Schwäche, eine Geisteskrankheit, das Produkt von unermeßlichem Reichtum, von Gier, von Korrumpierbarkeit, kultureller Rückständigkeit und der Phantasie von Allmacht, der Glaube, daß Geld Berge versetzen könne. Das macht der Film des ZDF-Journalisten Jochen Breyer deutlich, der noch im Archiv des ZDF zu besichtigen ist: Geheimsache Katar. Unbedingt sehenswert.
In dieser Dokumentation geht es darum, wie die Fußball-WM in den Wüstensand gesetzt wurde, welche Uhrengeschenke an Karlheinz Rummenigge welche Rolle spielten bei der Vergabe des Turniers an diesen arabischen Kleinstaat,, was homosexuelle Besucher in dem Staat erwartet, der nur äußerlich modern ist, was Architektur angeht, Technik, kulturell aber noch ein paar Jahrhunderte hinterher hinkt. Das Wort von der Damage in the mind ist übrigens die Zuschreibung des katarischen Weltmeisterschaftsbotschafters an Homosexuelle. Frauen habén letztlich nicht die Rechte, die Männer sich gegriffen haben. Fürs Arbeiten hält man sich Quasi-Sklaven, meist aus Asien. Die Unsicherheit bleibt: kann man sich ab dem zwanzigsten November der WM zuwenden? In Ruhe Fernsehfußball schauen? Sicher ist das nicht. So wenig, wie allein der Fernsehboykott als psycho-hygienisch gelten kann.

Gut geklärt

„Gut geklärt von Süle.“ Mit diesem Satz liegt Béla Réthy zwar richtig. Aber warum spricht er ihn aus? Die neununddreißigtausend Zuschauer im Stadion haben die Abwehraktion von Niklas Süle ebensogut sehen können wie die Millionen von Fernsehzuschauern. Beschreiben, was jeder sieht. Béla, Béla

Verrückte

Seit vermutlich mehr als fünfundsechzig Jahren schon interessiere ich mich für Fußball. Als Kind und Jugendlicher habe ich selber gekickt, auch noch als junger Erwachsener. Immer und immer wieder habe ich unzählige Fußballspiele erlebt, zwischen Kreis- und Bundesliga, zwischen Kreisauswahl oder Nationalmannschaft. Für Fernsehfußball hat man mich nächtens wecken können. Natürlich sind „der Platz“ und „der Verein“ eine Umgebung, in der man, als Verrückter, gehäuft auf Verrückte trifft. Mehr noch: Vermutlich hätten Platz und Verein, der Fußballsport an sich, jedenfalls der große Amateurbereich, weder Gegenwart noch Zukunft ohne die vielen Verrückten, die ehrenamtlich den Fußball am Leben halten, ohne die Vereinsmeier, ohne die Zahllosen, für die der Verein Leben ist, Familie, Schutzmauer. Wenn Fußball die Lebensmitte ist, dann ist man eben verrückt. Dann zirkuliert das Leben zwischen Heim- und Auswärtsspielen, Training, Fahrten zu den Auswärtsspielen, Mitgliederversammlungen, Stammkneipen, Vereinsfesten. Die Gesprächsthemen kreisen um den Fußball, um Abseitsfallen und Mittelstürmer, um Trainerwechsel und Videobeweise, quer durch alle Ligen, quer durchs ganze Land, quer durch alle TV-Kommentare. Dieses gerüttelte Maß an Verrücktheit ist gleichsam die Gesundheitsgarantie für die vielen Millionen Fußballanhänger in der ganzen Republik und weit über sie hinaus. Richtig krank ist und macht der Fußball, wenn diese liebenswerte Verrücktheit, diese harmlos-provinzielle Kicker-Narretei verschwindet hinter Leben und Gesundheit gefährdender Gewalt, hinter jede Moral, jeden Anstand, jede Erziehung negierendem Hooliganismus, hinter Gewaltbereitschaft und Extremismus. Wenn beim Auswärtsspiel des 1.FC Köln in Nizza vermeintliche Fans den sogenannten „Hitlergruß“ zeigen und hemmungslos auf gegnerische Fans eindreschen und auch Unbeteiligte drangsaliern, wenn sie ganze Innenstädte verwüsten und Einheimische und Touristen beleidigen und gefährden, wenn Fangruppen allenfalls noch unter Polizeieskorten ins Stadion gelangen können, dann sind die Grenzen des Aushaltbaren, die Grenzen der Narretei bei Weitem überschritten. Vor wenigen Tagen waren es die Fans von Eintracht Frankfurt in Marseille. Gestern wurde die Verletzung eines Spielers beim Derby zwischen Dortmund und Schalke von gegnerischen „Fans“ höhnisch beklatscht. Auch auf den Kreisligaplätzen greift, dem Vorbild des „großen Fußballs“ folgend, die Anwendung von Gewalt um sich, Gewalt gegen gegnerische Spieler, Gewalt gegen Schiedsrichter, Gewalt auch gegen Zuschauer. Man könnte Tag für Tag berichten, immer wieder Beispiele zitieren dafür, daß in diesem Feld einiges aus dem Ruder läuft. Die Enthemmung und die Egomanie, die etwa in den sogenannten sozialen Medien zu beobachten sind, lassen sich auch auf und neben dem Fußballfeld studieren. Wenn dann schließlich diese gewaltbereite „Fußballszene“, wobei diese Bezeichnung in gewisser Weise irreführend ist, handelt es sich doch eher um eine den Fußball nutzende Gewaltszene, von rechtsextremistischen und rassistischen Kräften in Dienst genommen wird, ist es allerhöchste Zeit, für strikte Abgrenzung zu sorgen. Gewalt und Fußball, das geht nicht zusammen. Rassismus und Fußball, das geht nicht zusammen. Rechtsextremismus und Fußball, das geht nicht zusammen. Andernfalls wird es bald zu einem gesellschaftlichen Bedeutungsverlust kommen. Wenn Sport nicht in Frieden stattfindet, wird er auf Dauer gar nicht mehr ausgeübt werden.

Danke

Sie haben gewonnen, die deutschen Fußballspielerinnen. Nicht das Finale. Europameisterinnen sind die englischen Kickerinnen. Irgendwie verdient. Zudem in einem Turnier im eigenen Land, in London, in Wembley. Die deutschen Damen um „Poppie“ und Merle, Lena, Lene und Martina, um Svenja oder Sarah haben erreicht, daß deutscher Fußball auf der Höhe der Zeit, auf der Höhe der Möglichkeiten gespielt wird. Technisch und athletisch anspruchsvoll, leidenschaftlich, strategisch klug, vor allem als Team, als Ganzes, als Einheit. Im Finale hat nichts, im Wortsinn wirklich nichts gefehlt, um die deutschen Frauen statt der englischen mit dem Pokal zu versehen. Eine Laune des Fußballgotts. Gleichsam eine Art ungeplanten Stolperns. Dieser schöne Sport und jene, die ihn geboten haben, müssen gefeiert werden, gewürdigt, anerkannt. Und, Kanzler und DFB, diese Frauen haben „equal pay“ auf die Agenda gesetzt. Jetzt muß man das auch umsetzen. Danke für diese grandiose Europameisterschaft.

Frauen-Quote

Einschaltquoten, ja Gottchen: Man darf sie nicht überschätzen. Aber 5,76 Millionen beim Europameisterschaftsspiel Deutschlands gegen Finnland, obwohl der Gruppensieg der deutschen Frauen vorher schon festgestanden hatte, und vor allem 8,02 Millionen beim Spiel gegen Spanien vergangene Woche – das war schon bemerkenswert. “Ein Wert, der ‘Tatort’-Dimension hat”, kommentiert Joachim Huber im “Tagesspiegel”:
“In den Zahlen liegt ein Triumph – der Triumph des linearen Fernsehens. Film hin, ‘Tagesschau’ her, Serie bei Netflix, Drama bei Amazon, kaum erfassen die Kameras ein exklusives Live-Event, weiß das Publikum, was es auf seiner Fernbedienung einzustellen hat”.

Klaus Raab, Ein Imagefilm ist unter den “besten Dokuserien”, in: DAS ALTPAPIER AM 18. JULI 2022

Manndeckung

Ich bin es müde, wieder und wieder öffentlich zu sagen, daß es kein Zuschauer eines vom Fernsehen übertragenen Fußballspiels verdient hat, was immer er sich auch hat zuschulden kommen lassen, von Béla Réthy ohne Pause vollgeschwallt zu werden.

„High Class Hool“

Made my day: Der freie Journalist Tobi Müller kommentiert bei Facebook:

“Wie pampig Kroos sofort reagiert, wenn er nach dem Spielverlauf gefragt wird, und was er im Off dann noch hinterher ruft wie ein High Class Hoolerzählt etwas über die Funktion von Medien, wie man sie sich in der Vermögensklasse von Toni Kroos vorstellt und ich glaube auch, dass das einer der wenigen Trickle Down Effekte ist, die wahr sind, weil sie auch den Medienhass von so vielen befriedigen: Medien haben ‘positive Fragen’ zu stellen, nicht ‘negative’. Nur schon eine Frage danach, wie sehr Real von Liverpool ‘in Bedrängnis’ geraten sei, ist für Kroos eine ‘Scheißfrage’ und typisch ‘Deutschland’.”