Alle Artikel vonWolfgang Horn

“”Wer so eine Partei wählt, wählt verfassungsfeindlich”

(…) Wenn sie (die Wähler, W.H.) eine in weiten Teilen neonazistische Partei wie die AfD wählen, wenn sie dieser Partei zu Einfluss und zu Macht verhelfen, wenn sie so dafür sorgen, dass es eine institutionelle Wieder-Gewöhnung an braunes Gedankengut gibt – dann sind daran angeblich alle anderen schuld, nur nicht die Wählerinnen und Wähler. Das aber ist falsch. Die Schuld an der Wähler-Entscheidung für eine braune Partei wird auf Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck abgeladen, auf die Regierungsampel also und auf ihre andauernden Streitereien; sie wird auch auf Friedrich Merz abgeladen und auf seine täppische Oppositionspolitik. Die Schuld am Aufleben des Neonazismus, der sich in der AfD manifestiert, wird allen anderen und allem anderen zugeschoben – den regierenden Politikern, den Politikern der größten Oppositionspartei, dem Ukraine-Krieg, der Corona-Politik, der Asylpolitik, der Klimapolitik, der Bildungspolitik. Es wird so getan, als gäbe es für das braune Kreuz eine eingebaute Entschuldigung. Es gibt sie nicht. Es gibt genügend Gründe dafür, mit der herrschenden Politik unzufrieden, es gibt auch Gründe, auf sie zornig zu sein. Es gibt aber keinen einzigen Grund dafür, deswegen eine nationalistische und neonazistische Partei zu wählen, eine Partei, die so tut, als wären die Verbrechen der Nazis ein “Vogelschiss”. Die rechtsstaatliche Demokratie hat Fehler, und die demokratischen Parteien machen Fehler. Aber: Der rassistische Nationalismus, wie er sich in der AfD ausgebreitet hat, ist ein einziger furchtbarer Fehler. Wer auf den Wahlzettel sein Kreuz bei der AfD malt, der erteilt damit nicht einfach nur den anderen Parteien einen Denkzettel; er ermächtigt eine Partei, die die Menschenwürde verachtet, die giftige und gemeine Reden führt, in der das Nazi-Denken zu Hause ist und in der die NS-Verbrechen verharmlost werden. Das darf man kritisieren, das muss man kritisieren. (…) Wenn immer mehr Wähler das Land in eine braune Traufe schicken wollen, geht es nicht um geschmäcklerische Fragen; es geht um Grundfragen der rechtsstaatlichen Demokratie. Man darf, soll und muss den AfD-Wählerinnen und -Wählern die Frage stellen, ob sie wirklich wissen und wollen, was sie da tun. Wollen sie zurück in ein Land, in der Minderheiten keine oder nur wenige Rechte haben? Wollen sie zurück in ein Land der bösen Vorurteile, in dem es Deutschen-, aber keine Menschenrechte gibt? Wollen sie in einem Land wohnen, in dem Grundrechte und Grundwerte ausgehebelt werden? Die AfD ist seit ihrer Gründung eine Partei i.V., eine Partei in Verwandlung; auf dem vergangenen Parteitag hat sie das final-gefährlich-extremistische Stadium erreicht. Das finale Stadium ist – braun. Die AfD ist dorthin gerückt, wo einst, weniger erfolgreich, die NPD ihren Platz hatte; sie wird zu einem völkischen Kampfverband, der vom Thüringer Rechtsaußen-Politiker Björn Höcke repräsentiert wird, der deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund aus Deutschland vertreiben will. In dieser Partei ist vom “großdeutschen Reich” die Rede und von einer “Umvolkung”, die man verhindern müsse. Zu konstatieren ist die tiefe Braunwerdung der AfD. Aus einer ursprünglich rechtsbürgerlichen Partei wird mehr und mehr eine nationalfaschistische Partei. Europa wird nicht nur bedroht von Putin, es wird auch bedroht von einer Partei wie der AfD. (…) Wer so eine Partei wählt, der wählt verfassungsfeindlich. Das darf und muss man ihm sagen, weil man den Schutz der Verfassung und des Rechtsstaats nicht einfach allein dem Verfassungsschutz überlassen darf. Das ist keine Wählerbeschimpfung, das ist Aufklärung. (…)

Heribert Prantl, Wer so eine Partei wählt, wählt verfassungsfeindlich, in: Süddeutsche Zeitung

Mausetot

VON WOLFGANG HORN

Harry Kane? Nein, den muß man nicht unbedingt kennen. Außer, wenn Sie fußballbegeistert sind. Dann wissen Sie, daß Harry Edward Kane von der britischen Insel nach München umgezogen ist, um dort für den FC Bayern die Fußballschuhe zu schnüren. So weit, so gut. Gut einhundert Millionen Euro hat sich der deutsche Kickerkrösus das kosten lassen. Einhundert Millionen. Womöglich noch mehr für Erfolgsprämien. Der teuerste Spielertransfer je in Deutschland. Für einen einzigen dreißigjährigen Mann. Geld schießt keine Tore. So war bislang immer zu lesen. Ist das jetzt anders? Kommt mit Kane garantiert der Erfolg, auf den die Bayern warten? Die Championsleague? Tja … Oder nehmen wir Neymar. Kennen Sie auch nicht? Egal. Mit vollem Namen heißt er Neymar da Silva Santos Júnior. Und kickt demnächst in Saudi-Arabien. Nachdem er bislang beim Paris Saint-Germain Football Club tätig war, der aus Katar bezahlt wird. In zwei Jahren soll Neymar beim saudischen Klub Al-Hilal, so kann man lesen, dreihundertzwanzig Millionen Euro kassieren. Verrückt? Ja, auf jeden Fall. Dabei hat PSG, der Pariser Club, Zweitausendsiebzehn bereits die Rekordsumme von zweihundertzweiundzwanzig Millionen Euro an den FC Barcelona überwiesen. Schon das war vollkommen bekloppt. Heute ist das große brasilianische Kind bereits einunddreißig Jahre alt und kassiert neben dem aberwitzigen Gehalt auch noch einen privaten Fuhrpark aus vier Mercedes-Luxuskarossen sowie drei Wagen der Marken Aston Martin, Lamborghini und Bentley, einen persönlicher Chauffeur, eine Luxus-Herberge mit mindestens 25 Zimmern, drei voll ausgestattete Saunas, fünf Vollzeit-Butler, die unter anderem seinen persönlichen Koch aus Brasilien unterstützen sollen, die volle Übernahme seiner Kosten für Hotel-, Restaurant- und Stadt-Besuche, die er an seinen freien Tagen tätigt, einen Swimmingpool, der mindestens zehn Meter breit und vierzig Meter lang sein soll sowie die Nutzung eines Privatjets, wann immer er oder sein Anhang diesen benötigen. Das alles ist eigentlich unaushaltbar bekloppt. Damit ist der schöne Sport tot. Mausetot. Geld schießt keine Tore. Aber wenn der Sport verkommt zur vollkommen hirnrissigen Kapitalvernichtung, wenn er soweit jenseits der Vorstellungskräfte der Fans und Sportbegeisterten abdriftet, so gar nichts mehr mit dem Alltag der Menschen zu tun hat, ohne die es den Sport, die Vereine und Verbände nicht gäbe, dann schießt Geld keine Tore, sondern erschießen Geld und Scheichs den Sport. Der Fußball ist tot. In der Wüste zugerichtet. Leider.

„Braunes Gesocks“

„Aufstehen und sagen: Das geht nicht! Wir sind ein tolles Land und entsprechend müssen wir uns auch präsentieren. Wenn wir das nicht machen, dann kriegt das braune Gesocks, das auch noch im Bundestag sitzt, immer mehr Oberwasser. Das ist der Job von uns und nicht von irgendwelchen Regierungen oder von Institutionen.“

Alexander Zorniger, Trainer des SpVgg Greuther Fürth zu den rassistischen Beleidigungen gegen seinen Spieler, Julian Green, in der ersten Runde des DFB-Pokals beim Halleschen FC. 

Eiskalt

Inklusion ist kein einfaches Projekt und bei vielen Eltern nicht populär. Zahlreiche Schulen hat die Einbeziehung der Menschen mit Lernschwächen oder Verhaltensauffälligkeiten in reguläre Klassen vor große Probleme gestellt. Lehrkräfte fühlen sich überfordert, zusätzliches Personal ist nötig, fehlt aber, auch Schüler sind mitunter genervt. Das Ziel aber ist richtig: Möglichst viele Schülerinnen und Schüler trotz ihrer Schwierigkeiten in der Mitte der Gesellschaft aufwachsen und lernen zu lassen. Darauf haben sie ein Recht. Björn Höcke stellt dem eine Politik des Ausschlusses entgegen. Die vermeintlich Schwachen müssen anderswo unterkommen, um die stärkeren “Normal”-Schüler nicht auszubremsen. Das ist eine eiskalte Leistungslogik. Die wendet Höcke auch auf Schüler aus Zuwanderer-Familien an. Sie jedenfalls machte der AfD-Landeschef ebenfalls als Ursache für die angebliche Großmisere an deutschen Schulen aus. Welche Sprengkraft solche Forderungen haben, zeigt schon ein Blick auf die Lage: Fast 40 Prozent aller Zehn- bis Fünfzehnjährigen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Sie sind Teil von Deutschlands Zukunft.

Roland Preuß, Björn Höcke. Die Schwachen will er raushaben, in: Sueddeutsche Zeitung vom elften August Zweitausenddreundzwanzig

Bei Hitlers brennt noch Licht

Bei Hitlers brennt noch Licht.
Es ist nie ganz erloschen,
nur eine kurze, ruhige Zeit war’s Fenster fest verschlossen.
Nur ab und zu, ganz schüchtern fast, kaum hörbar, ein Gewisper…
Man nahm’s kaum wahr und dachte sich: „Was soll’s? Da ist noch Licht an.“
Bei Hitlers brennt noch Licht – Jetzt treten sie ans Fenster.
Jetzt sieht man sie, jetzt hört man sie …
das sind keine Gespenster.
Ganz stolz und lautstark steh’n sie da, entzünden und krakeelen.
Und ihre Drohung ist ganz klar: „WIR GEHEN WIEDER WÄHLEN!“
Bei Hitlers brennt noch Licht.
Vernunft wo bist Du? Wo?
Komm‘ raus und hilf … und schalt‘ es aus.
… sonst brennt es lichterloh.

Simon Pearce ist ein in München lebender deutscher Schauspieler, Synchronsprecher und Comedian – deutscher geht’s kaum, möchte man meinen. Und trotzdem wurde Pearce seiner Hautfarbe wegen bereits seit frühester Kindheit mit Themen wie Rassismus oder Intoleranz konfrontiert.

“Die Einfältigkeit lärmend aller Welt unter Beweis zu stellen”

Aber mit der Klugheit ist es so eine Sache. Um an die Spitze zu gelangen, auch um einen Platz an den wichtigen Bildungsinstitutionen zu ergattern, muss man nicht intelligent sein. Hauptsache, man hält sich für etwas Besseres, wie John K. Galbraith einmal anmerkte. Die aufgeblasene Selbstgewissheit, die dreiste Selbstüberzeugtheit der sogenannten besseren Leute ist ja schon ihre eigene Form von Dummheit, sogar wenn sie mit durchschnittlicher Intelligenz einher geht. Wobei natürlich auch die Kombination von „Reich und dumm“ durchaus häufig ist. Womöglich begünstigen Reichtum und die Erfolgskultur, die dem Winner versichert, ein schlauer Typ zu sein, sogar ein Verharren in Dummheit und geistiger Simplizität. Dem ohnehin Erfolgreichen, und sei er mit tausend goldenen Löffeln im Mund geboren, wird ja gerade nicht vermittelt, er müsse an sich arbeiten, sich verändern, um eine bessere Version seines Ich zu erschaffen. Er ist ja gewissermaßen schon perfekt. Insofern ist die häufig beobachtbare Gefühlsdummheit der Hochwohlgeboren und der besseren Leute, deren aufreizend-aufgeblasene Selbstverliebtheit gewiss nicht nur ein Ausdruck individueller Unintelligenz, sondern gesellschaftlich gemacht. Wer im Bewusstsein durchs Leben geht, sowieso ein toller Hecht zu sein, wird erstens wenig Anlass haben, an seiner Einfältigkeit etwas zu ändern, er wird auch durch sein pomadig-überhebliches Selbstbild nicht davor zurückschrecken, seine Einfältigkeit lärmend aller Welt unter Beweis zu stellen. Die Talkshows sind voll mit Anschauungsmaterial. Der „Aufstieg durch Bildung“ wird dennoch viel zu selten durch einen „Abstieg durch Dummheit“ vervollkommnet.

Robert Misik, Reich und Dumm, in: Newsletter Vernunft und Ekstase

Kürzung Third

Christian Lindner im Wahlkampf: Digital First. Bedenken Second. Als Finanzminister will Lindner die Mittel für Digitalisierung der Verwaltung von 377 Millionen Euro auf 3,3 Millionen Euro kürzen – von hundert auf unter ein Prozent. Genau mein Humor.

Schamlos

Wer so schamlos redet wie die AfD, signalisiert den Menschen, dass Schamlosigkeit okay ist. Plötzlich erscheinen Dinge normal, die früher verpönt waren. Man gewöhnt sich an die ständigen Schamlosigkeiten. Der Diskurs verschiebt sich – und die AfD profitiert. Denn sie bekommt Aufmerksamkeit, wenn über ihre Themen diskutiert wird. Und gleichzeitig sinkt die Hemmschwelle, sie zu wählen.

Johannes Bebermeier, Ein ungeheurer Verdacht