Aber mit der Klugheit ist es so eine Sache. Um an die Spitze zu gelangen, auch um einen Platz an den wichtigen Bildungsinstitutionen zu ergattern, muss man nicht intelligent sein. Hauptsache, man hält sich für etwas Besseres, wie John K. Galbraith einmal anmerkte. Die aufgeblasene Selbstgewissheit, die dreiste Selbstüberzeugtheit der sogenannten besseren Leute ist ja schon ihre eigene Form von Dummheit, sogar wenn sie mit durchschnittlicher Intelligenz einher geht. Wobei natürlich auch die Kombination von „Reich und dumm“ durchaus häufig ist. Womöglich begünstigen Reichtum und die Erfolgskultur, die dem Winner versichert, ein schlauer Typ zu sein, sogar ein Verharren in Dummheit und geistiger Simplizität. Dem ohnehin Erfolgreichen, und sei er mit tausend goldenen Löffeln im Mund geboren, wird ja gerade nicht vermittelt, er müsse an sich arbeiten, sich verändern, um eine bessere Version seines Ich zu erschaffen. Er ist ja gewissermaßen schon perfekt. Insofern ist die häufig beobachtbare Gefühlsdummheit der Hochwohlgeboren und der besseren Leute, deren aufreizend-aufgeblasene Selbstverliebtheit gewiss nicht nur ein Ausdruck individueller Unintelligenz, sondern gesellschaftlich gemacht. Wer im Bewusstsein durchs Leben geht, sowieso ein toller Hecht zu sein, wird erstens wenig Anlass haben, an seiner Einfältigkeit etwas zu ändern, er wird auch durch sein pomadig-überhebliches Selbstbild nicht davor zurückschrecken, seine Einfältigkeit lärmend aller Welt unter Beweis zu stellen. Die Talkshows sind voll mit Anschauungsmaterial. Der „Aufstieg durch Bildung“ wird dennoch viel zu selten durch einen „Abstieg durch Dummheit“ vervollkommnet.
Robert Misik, Reich und Dumm, in: Newsletter Vernunft und Ekstase