Robert Misik, Soll man Rassisten umerziehen? Ja, was denn sonst!, in: Newsletter Vernunft und Extase, erschienen am dreizehnten Februar Zweitausenddreiundzwanzig
Westentaschen-Mussolinis wie Kickl können nicht beantworten, was eigentlich am Ende, nach Polarisierung, nach der Wut- und Hassbewirtschaftung, nach dem von ihnen so leidenschaftlich betriebenen Zerstörungswerk stehen soll. Nicht einmal sie selbst können auch nur im Entferntesten eine Idee der Verwandlung in Verbesserungsenergie angeben. Das ist letztendlich auch ihr größter Schwachpunkt. Denn auch ihre verbiestertesten Anhänger wissen das. Sie wissen das insgeheim: Dass am Ende des Zerstörungsfurors nicht Verbesserung, sondern Verschlechterung steht. Sie machen nicht nur die Gesellschaft schlechter, sie machen die Menschen schlechter. Eine der großen Fehlannahmen ist ja, dass der rechte Radikalismus nur das Potential an Menschenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft aufnehme, umgarne, sichtbar mache. Dass er nur spiegle, was ohnehin da ist. Das ist natürlich nicht gänzlich falsch, insofern er an Vorhandenes appelliert, aber auch nicht gänzlich richtig, denn er ist auch eine Umerziehung. Eine Umerziehung zur Grausamkeit, eine Einübung in die Schlechtigkeit. Diese Pointe sollte man nicht übersehen, gerade, weil ja eine Propagandafloskeln der Rechtsextremen lautet, die linken, liberalen und sonstigen „Gutmenschen“ würden die Menschen umerziehen wollen, zu Antirassisten, zu Migrantenfreunden, zu Feministen, zu Homosexuellen-Tolerierern oder was auch immer. Dabei verschweigen die Rechtsextremisten gerne, dass sie die Menschen auch umerziehen wollen, sie durch das tägliche Gift der Verrohung in grausamere Menschen verwandeln wollen, ihnen jede Empathie abgewöhnen wollen, usw. (…) Ich denke, Rorty trifft hier einen Punkt, den wir gerne übersehen. Die rechten Extremisten wollen die Menschen umerziehen, zur Grausamkeit erziehen. Leute wie Kickl wollen Menschen, die möglicherweise den intuitiven Impuls verspüren würden, leidgeprüften Menschen zu helfen, mit ihnen Mitleid zu empfinden, dazu bringen, dass sich diese die Empathie und das Mitleid abgewöhnen und in einem Flüchtlingskind mit zerrissener Kleidung nicht das hilfsbedürftige Geschöpf zu sehen, sondern den gefährlichen Eindringling, der abgewehrt werden muss. Die Rechten wollen die Menschen umerziehen, aber auch die Linken wollen die Menschen umerziehen. Sie wollen Rassisten umerziehen, damit sie keine Rassisten mehr sind, und Menschen mit grausamen Intuitionen zu Menschen mit Empathie. Was eigentlich sollte man mit Rassisten denn auch sonst tun?
Robert Misik, Soll man Rassisten umerziehen?, in: Newsletter Vernunft und Extase, erschienen heute, am dreizehnten Februar Zweitausendunddreiundzwanzig