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Danaer Geschenk – Trojaner für die SPD

Jetzt müssen auch noch der arme Seneca herhalten und die griechische Mythologie. In einem offenen Brief an Bürgermeister Weik erläutert der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Wermelskirchener Stadtrat, Jochen Bilstein, heute die Gründe für die Ablehnung des Angebotes, die Sozialdemokratin Christel Reetz erneut zur stellvertretenden Bürgermeisterin zu wählen. Dieses Angebot nämlich sei ein “Danaer Geschenk”.

Ein Danaergeschenk ist ein Geschenk, das dem Empfänger Unheil zufügt und Schaden anrichtet. Bildungsbürger Bilstein zitiert den römischen Philosophen Seneca (den Jüngeren) mit den Worten: „Danaum fatale munus“, ein verhängnisvolles Danaer Geschenk. Danaer, das waren die Griechen, die den Trojanern ein hölzernes Pferd zum Geschenk machten, mit dessen Hilfe die Griechen dann die Stadt Troja erobern konnten. Jeder kennt die Geschichte. Jochen Bilstein hätte auch Vergil zitieren können: „Equo ne credite, Teucri. Quidquid id est timeo Danaos et dona ferentes.“ (Traut dem Pferde nicht, Trojaner. Was auch immer es ist, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen.) Soweit der Bildungsabschnitt im offenen Brief Bilsteins an den Bürgermeister. Der Rest ist Politik. Schlechte Politik.

Die Danaernatur des Geschenks an die örtliche SPD, sei, so Jochen Bilstein, daß die Redakteurin der Bergischen Morgenpost, Gundhild Tilmanns, mit der Ablehnung des Geschenks “ihre Pressekampagne gegen uns mit eben diesem Geschenk fortgesetzt” habe. Lassen wir mal beiseite, ob Journalisten immer schreiben müssen, was Politiker gerne läsen; lassen wir einmal beiseite, daß Politiker, auch die der SPD, im Wahlkampf eine veritable Kampagne gegen die Bergische Morgenpost und mithin auch gegen die Pressefreiheit gefahren haben; lassen wir einmal beiseite, daß diese Kampagne von teils albernen, teils jedoch miesen, historisch falschen, anstandslosen Formulierungen getragen waren – lassen wir also mal beiseite, daß, wenn überhaupt, Verletzungen des Gemüts bestenfalls auf beiden beteiligten Seiten zu finden sein werden: Eine Fortsetzung der “Anti-SPD-Kampagne” der Morgenpost hätte es ja nicht geben können, wenn die SPD sich nicht im Schmollwinkel eingerichtet hätte und der Wahl von Christel Reetz zustimmen würde. Insoweit hinkt der Bilstein’sche Vergleich mit der griechischen Mythologie. Besser wäre gewesen, sich des alten Voltaires zu erinnern: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Und wenn schon Seneca, dann so: „Homo sum, humani nil me alienum puto.“ (Ich bin ein Mensch und nichts Menschliches ist mir Fremd.) Dies fröhlich aufsagend den Schmollwinkel verlassen und wieder mitspielen, das wärs gewesen. Und wenn man dann schon mal den tiefen Griff in den Zitatenschatz Senecas vornimmt, dann hätte das folgende nicht überlesen werden dürfen, denn in seiner Schrift “Über den Zorn” geht es um Affektkontrolle: „Du hast mich genötigt darüber zu schreiben, wie der Zorn beschwichtigt werden kann, und es scheint mir, dass du aus berechtigtem Grund besonders diese Leidenschaft fürchtest, da sie unter allen die scheußlichste und verheerendste ist. Denn alle anderen verbinden sich noch mit einem gewissen Maß an Ruhe und Gelassenheit; diese hingegen geht ganz und gar auf in Aufregung und heftigem Verlangen, sie rast und sehnt sich ganz unmenschlich nach Verwundungen … Es ist das Beste, die erste Regung des Zornes sogleich zu ignorieren und sich gegen die Anfänge zu wehren. … Denn wenn der Zorn begonnen hat, uns vom rechten Weg abzubringen, so ist die Rückkehr zur seelischen Gesundheit schwierig, weil die Vernunft nichts mehr ausrichten kann, sobald die Leidenschaft einmal eingezogen und ihr durch unseren Willen ein gewisses Recht gewährt worden ist. Sie wird von nun an alles tun, was sie will, nicht nur das, was man ihr gestattet.“ Keine Sorge, wir sind noch in der Abteilung Politik. Schlechte Politik, weil sie teils vom Zorn getragen ist. Gar nicht so schlecht, mal bei den römischen Philosophen nachzusehen.

Noch etwas macht nach Jochen Bilstein die Danernatur des Geschenks aus: „Hätten wir das Angebot jedoch angenommen, so wären wir zum Knüppel gegen die CDU–Fraktion geworden, mit der wir, wenn auch von den Wählern dafür bei der Kommunalwahl abgestraft, über viele Monate vertrauensvoll zusammengearbeitet haben und die als größte Fraktion im Rat nicht völlig unbegründet ein solches Amt für sich reklamiert.“ Aha. Die CDU also soll den stellvertretenden Bürgermeister stellen dürfen. Der andere Wahlverlierer. Nach der  vorletzten Kommunalwahl war das aber alles nicht anders, auch damals war die CDU die größte Fraktion, die SPD stellte aber die stellvertretende Bürgermeisterin. Wie kann man das erklären? Was ist heute anders als 2004, außer, daß CDU und SPD weiter eingebrochen sind? Reicht die Wahlkampfabsprache zwischen SPD und CDU über den Wahltermin hinaus?

Wer, wie die SPD, eine Wahlniederlage zu verkraften habe, der solle, so Jochen Bilstein, „sich an alte Fehler erinnern um neue zu vermeiden“. Was bedeutet das? War es ein Fehler, 2004 Christel Reetz zur stellvertretenden Bürgermeisterin wählen zu lassen? Bislang war davon nirgends und niemals die Rede. Aus all diesen Gründen habe die SPD-Fraktion beschlossen, zu allen anderen Fraktionen den gleichen Abstand zu halten und die sachliche Zusammenarbeit mit allen Gruppierungen im neuen Rat auf gleicher Augenhöhe anstreben zu wollen.

Es folgen eine weitere Breitseite gegen Frau Tillmanns sowie die Qualifizierung des Angebots von Bürgermeister und den ihn tragenden Parteien als “Diktatfrieden”.

Tja. Und nun?

SPD-Aktuell: Bilstein antwortet Wintgen

Oh, ganz aktuell, in diesem Moment gibt es eine neue Erklärung auf der Homepage der örtlichen SPD. Jochen Bilstein, Fraktionsvorsitzender, antwortet auf den heutigen RGA-Kommentar von Thomas Wintgen. (Ganz schön flott, die alte Dame SPD…) Und was lesen wir?

Erstens das Eingeständnis einer schweren Niederlage. Nun ja, das war ja nicht so schwer. Zweitens: Das Ergebnis des heftigen internen Nachdenkens in der Fraktion sei gewesen, keine Zählgemeinschaften mehr zu bilden (das stand schon in den Zeitungen heute, W.H.) und die neuen Mehrheiten im Rat zu akzeptieren. Na sowas, stand das denn jemals in Zweifel, die Mehrheiten zu akzeptieren? Die Fraktion werde sich “stattdessen ” (So steht es in der Erklärung, wirklich, W.H.) auf Sachthemen konzentrieren und den Versuch machen, sich von Fall zu Fall Mehrheiten zu organisieren. Tja. Und drittens, der Schlußsatz: “Versprochen: Man wird gewiss noch von uns hören.” Ja, aber was? Was man bis jetzt schon hören oder lesen konnte, macht einen ja bange um die Zukunft der guten alten SPD in Wermelskirchen.

P.S Interessant ist das Datum der Erklärung. Sie ist von gestern. In der Tat.

Nicht mehr “stadttragende” Partei

Nur fünf Wochen nach der desaströsen Kommunalwahl gesteht nun die örtliche CDU Fehler in ihrer Politik ein. Sie sei nicht mehr “stadttragende Partei”. Ach was. Die Bürger und Wähler in dieser Stadt wußten das schon seit der vorletzten Kommunalwahl, seit 2004. Die CDU sei nun Opposition. Interessant, daß sich auch die CDU lieber die Oppositionsrolle schnappt, als sich der programmatischen und personellen Erneuerung zu unterziehen. Personell, so der CDU-Vorsitzende, Volker Schmitz, in der Bergischen Morgenpost, werde sich vorerst nichts ändern. Die beiden Köpfe, die für den Obstruktionskurs der CDU in den vergangenen Jahren und den Wahlkampf Verantwortung tragen, Martin Bosbach und Volker Schmitz, sind denn auch für den Fraktionsvorsitz im Gespräch. “Da sieht man mal, wie schnell ist nichts passiert”, dieser Ausspruch, den ich neulich aus dem Munde eines gewitzten Ruhrgebietsbewohners hörte, trifft voll auf die örtliche CDU-Gliederung zu. Da nutzt es auch nichts, wenn im Nachhinein Wahlkampfpositionen geräumt werden: Die Zusammenarbeit mit der SPD sei ein Nachteil gewesen und werde aufgegeben zugunsten eines “eigenen Profils”, zum Freibad in Dhünn oder zu den Kindergartenbeiträgen werde man die eigenen Positionen im Lichte des Wahlergebnisses neu bedenken.

Fazit: In der CDU wird man wohl noch lernen müssen, die Wählerquittung zu lesen und zu verstehen. Auf dem Nachdenkzettel der Wähler stand auch: So nicht mehr und nicht mit diesem Personal. Die Stadt gehört nicht Euch. Wir wollen keine Obstruktion und Zwietracht im Rat. Es geht nicht um die Macht für die CDU, sondern um die Gestaltung der Stadt.

Eigentlich doch nicht so schwer zu verstehen, oder? Ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach gesagt: Der CDU mangelt es an Einsicht und an Demut, aus der sich eine neue Kommunalpolitik entwickeln ließe, eine Politik, die nicht zuerst den Bürgermeistersessel und andere Pöstchen im Auge hat. Statt Einsicht Opposition, statt neuer Gesichter die alten Granden. Unendlich viel Zeit hat die CDU durchaus nicht. Die nächste Wahl kommt gewiß.

“Orts-SPD begrüßt Linksruck”

So meldet es heute die Bergische Morgenpost. Rainer Bleek, Chef der hiesigen Sozialdemokraten, hält eine personelle und programmatische Erneuerung “auf Bundesebene für wichtig”. “Wir müssen wieder stärker Profil zeigen. Die sozialpolitische Kernkompetenz ist in der großen Koalition verloren gegangen. Daher ist der jetzige Linksruck ein Schritt, der völlig nachvollziehbar und richtig ist.”

Interessant. Auf Bundesebene.

Zwar räumt Rainer Bleek im Interview mit der Morgenpost ein, daß es auch auf lokaler Ebene nicht so richtig laufe, aber da die Personaldecke nicht ausreichend sei, könne hier eine personelle Erneuerung nicht stattfinden. “Wir haben eine vernünftige Sachpolitik in der jetzt zu Ende gegangenen Wahlperiode gemacht.” Die sei dann “in der Wermelskirchener Konstellation von SPD und CDU nicht rübergekommen”.

Also hat die SPD in Wermelskirchen eher ein Kommunikationsproblem. Und dennoch solle eine Strategiedebatte innerhalb der Partei stattfinden. Im künftigen Rat verstehe sich die SPD als Oppositionspartei, wenngleich es für seine Partei kein “Blockdenken” (mehr?) gebe. Das Profil der SPD müsse mit Blick auf die Landtagswahlen im Mai in Richtung Soziales und Bildung geschärft werden.

Das verstehe nun, wer will. Ich halte es für fraglich, ob in einem Stadtrat überhaupt nach dem Muster von Regierung und Opposition agiert werden kann. Und Blockdenken, das ist es doch, was zur desaströsen Niederlage bei der Kommunalwahl wesentlich beigetragen hat. Der gemeinsame Block mit der abgewirtschafteten CDU war für die Sozialdemokraten das Verhängnis. Wenn man sich nun vorschnell die Oppositionsrolle schnappt, dann kann von einer Auflösung des Blockdenkens wahrlich keine Rede sein. Denn die andere Partei des Blocks, die CDU, die sitzt doch wohl auch auf den harten Bänken der Opposition.

Nein. Ich finde, die SPD hat allen Grund, selbstkritisch die gewählte Strategie der letzten Jahre zu analysieren. Es geht eben nicht nur um eine Strategie bis zu den nächsten  Landtagswahlen. Um die geht’s auch. Aber wichtiger noch scheint mir zu sein, eine eigenständige Vision von Kommunalpolitik, ein neues Profil zu entwickeln, neue Menschen zu gewinnen, sich neu einzubringen, nachdem man öffentlich Fehler als Fehler eingestanden hat  und dann um neues Vertrauen bei den Bürgern werben kann.

Das ist auf lokaler Ebene keine Opposition.

Rechenkünste, Stillstand und der Bürgermeister

Udo Teifel hat gerechnet: eine Wahrscheinlichkeitsberechnung in der Bergischen Morgenpost, welche Koalitionen im Wermelskirchener Stadtrat möglich sind. Das Ergebnis, kurz zusammengefaßt: Am wahrscheinlichsten sei die Zusammenarbeit der Grünen mit dem Block der Parteien, die Bürgermeister Weik unterstützt haben, also WNKUWG, Bürgerforum und FDP. Zwar seien nicht alle grünen Fraktionsmitglieder vorbehaltlos auf der Seite des Bürgermeisters, aber bei entsprechendem Geschick des Bürgermeister und der Vertreter des Parteienblocks müsse eine Zusammenarbeit möglich sein, zumal es eine gehörige Schnittmenge bei den politischen Positionen gebe. Für weniger wahrscheinlich hält Teifel die Zusammenarbeit von CDU, SPD und Grünen, weil es in der Fraktionen der Grünen doch auch Mißtrauen gebe. Eine Zusammenarbeit der “Bürgermeister-Parteien” mit der CDU hält Teifel für unwahrscheinlich, weil die Gräben aus der Vergangenheit zu tief seien und aus dem Bürgermeisterblock bereits die Forderung zu lesen gewesen sei, mit der CDU unter den Granden Bosbach und Schmitz sei Kooperation nicht möglich.

Das mag alles plausibel gerechnet sein. Allein: Es ist die Fortsetzung des Fingerhakelns, das die Bürger in den letzten Wochen so sehr verdrossen hat. Weiterlesen

SPD taucht wieder auf

Nach der CDU stellt sich nun die SPD im Nachwahlgespräch der Bergischen Morgenpost. Rainer Bleek setzt weiter auf eine starke Polarisierung im Rat, um in der einen oder anderen Frage SPD-Positionen durchsetzen zu können. Gab es in den vergangenen Jahren und Monaten nicht bereits genug Polarisierung? Zudem prophezeit Bleek den Grünen im Stadtrat die eine oder andere “Zerreißprobe”, da sie kaum in allen Fragen würden einheitlich auftreten können. Den Grünen kommt mit ihren sechs Mandaten im neuen Wermelskirchener Stadtrat eine entscheidende Rolle zwischen CDU/SPD und der Parteiengruppe zu, die Bürgermeister Weik unterstützt. Zu inhaltlichen oder personellen Konsequenzen aus dem niederschmetternden Kommunalwahlergebnis kann Bleek noch nichts sagen. “Alle Personalentscheidungen sind einvernehmlich getroffen worden. Sonst müssten wir uns alle in Frage stellen.” Ich finde, genau darum sollte es gehen. Sie müßten sich in Frage stellen. Wie war das noch? Nur, wer sich ändert, bleibt sich treu …