„Gut geklärt von Süle.“ Mit diesem Satz liegt Béla Réthy zwar richtig. Aber warum spricht er ihn aus? Die neununddreißigtausend Zuschauer im Stadion haben die Abwehraktion von Niklas Süle ebensogut sehen können wie die Millionen von Fernsehzuschauern. Beschreiben, was jeder sieht. Béla, Béla …
Kategorie: Medien
Rechtsnorm: Sprache nach Merz
“Weder einzelne Sprecher noch Kommentatoren und Moderatorinnen haben das Recht, von den allgemein anerkannten Regeln des Gebrauchs der deutschen Sprache abzuweichen.”
Markige, aber das Mark des Journalismus exakt verfehlende Rechtsnorm á la Friedrich Merz. Der christdemokratische Spitzenmann träumt doch nicht wirklich davon, Journalistinnen und Journalisten das “Recht” absprechen zu können, so zu formulieren, wie sie das wollen und für angemessen halten, oder?
Gockel und Gewalttäter
Aber mit dem Regiestil eines Künstlers wie Wedel und mit seinem Gehabe als Gockel und womöglich sogar als Gewalttäter sollte man nicht auch sein Werk verwerfen. Er mag ein Gernegroß und Sittenstrolch gewesen sein, aber die filmischen Sittengemälde, die er hinterlassen hat, besitzen durchaus die Größe, nach der er sich immer gereckt hat. (…) Ein künstlerisches Werk besitzt ein eigenes, von seinem Autor oder seiner Schöpferin unabhängiges Leben. Nur deshalb ist es ein Kunstwerk. Die alte Streitfrage, ob ein Nazi, ein Bösewicht oder ein Vergewaltiger großartige Kunst schaffen könne, sollte unter aufgeklärten Zeitgenossen ein für alle Mal mit Ja beantwortet worden sein. Dahinter gibt es kein Zurück, auch nicht durch #Metoo. (…) Dieter Wedels Mehrteiler faszinierten einst ihr Publikum und lockten trotz Kunstanspruchs die Massen vor die Fernseher. Man darf ihm dieses Verdienst nicht absprechen, weil er wegen Vergewaltigung angeklagt worden ist und sollte zum Beispiel seinen Vierteiler „Der große Bellheim“ von 1993 zu seinen künstlerischen Ehren noch einmal zeigen
Barbara Sichtermann, Im Höhenrausch. Zum Tod des Regisseurs Dieter Wedel, in: epd medien Dreißig/Zweiundzwanzig vom neunundzwanzigsten Juli Zweitausendzweiundzwanzig
Extremwetter ist keine Extremsportart
“Die Prediger des ‘Weiter so’ (versuchen) den zweifelsfreien Zusammenhang zwischen mehr Extremwetter und Erhitzung weiterhin ständig in Zweifel zu ziehen (…) Das ist eine – natürlich absolut selbstzerstörerische – Propagandamaßnahme, die funktionieren kann, wie eine britische Überblicksstudie zeigt. Daraus folgt: Sowohl verantwortungsbewusste Medien als auch Politiker müssen der immer noch virulenten Propaganda wesentlich entschlossener entgegentreten. Die Fossilbranchen sind bereit, die Zukunft der Menschheit aufs Spiel zu setzen. Es wird Zeit, sie entsprechend zu behandeln.” (Christian Stöcker in seiner aktuellen “Spiegel”-Kolumne) Nur weil nichts dafür spricht, dass (zumindest hiesige) Medien die Fossilbranchen “entsprechend behandeln” werden, spricht nichts dagegen, es zu fordern, würde ich sagen. Eine darüber hinaus gehende “To-do-Liste für deutsche Institutionen, deutsche Medien und die Politik” enthält der Text auch noch.
René Martens, Extremwetter ist keine Sportart. In: Altpapier
Frauen-Quote
Einschaltquoten, ja Gottchen: Man darf sie nicht überschätzen. Aber 5,76 Millionen beim Europameisterschaftsspiel Deutschlands gegen Finnland, obwohl der Gruppensieg der deutschen Frauen vorher schon festgestanden hatte, und vor allem 8,02 Millionen beim Spiel gegen Spanien vergangene Woche – das war schon bemerkenswert. “Ein Wert, der ‘Tatort’-Dimension hat”, kommentiert Joachim Huber im “Tagesspiegel”:
Klaus Raab, Ein Imagefilm ist unter den “besten Dokuserien”, in: DAS ALTPAPIER AM 18. JULI 2022
“In den Zahlen liegt ein Triumph – der Triumph des linearen Fernsehens. Film hin, ‘Tagesschau’ her, Serie bei Netflix, Drama bei Amazon, kaum erfassen die Kameras ein exklusives Live-Event, weiß das Publikum, was es auf seiner Fernbedienung einzustellen hat”.
Der Erfinder des “Literarischen Quartetts” ist tot
Die aktuelle Übung (…), potenzielle Leserinnen und Leser wie arme Herumirrende durch alle Arten von Niveau-Limbo ‘abzuholen‘, (…) kam nicht in Frage.”
Im Alter von 74 Jahren ist in München der Kulturjournalist und Historiker Johannes Willms gestorben, der beim ZDF unter anderem von 1988 bis 1992 die “aspekte”-Redaktion und später, von 1993 bis 2000, das Feuilleton der “Süddeutschen Zeitung” leitete (und danach als deren Frankreich-Korrespondent wirkte). Der Nachruf von Alexander Gorkow und Nils Minkmar in eben dieser Zeitung ist auch ein Rückblick auf einen Kulturjournalismus, den es im Fernsehen kaum noch gibt: “Der 1948 in Würzburg geborene Sohn eines Richters begriff den Kulturjournalismus im Fernsehen und in der Zeitung als einen Dienst an der Öffentlichkeit – und nicht als Gelegenheit zum Ausweis elitärer Kompetenzen oder Rechthabereien. Dabei setzte Johannes Willms schlicht voraus, dass sich kluge Menschen nun mal für Geschichte und Literatur interessieren, ja begeistern – einfach weil sie Bürgerinnen und Bürger in Karl Poppers offener Gesellschaft sind, der Republik (…) Die aktuelle Übung (…), potenzielle Leserinnen und Leser wie arme Herumirrende durch alle Arten von Niveau-Limbo ‘abzuholen‘, (…) kam nicht in Frage.” Ähnlich der Tenor in Claudius Seidls Text für die FAZ: “Wie optimistisch Willms (…) sowohl sein Medium wie auch die Kultur betrachtete, bewies er in den späten Achtzigern. Es war Willms, der sich das ‘Literarische Quartett‘ ausdachte. Es war er, der Marcel Reich-Ranicki überredete, dessen Leitung zu übernehmen. Und als Reich-Ranicki die Bedingung stellte, dass nichts, keine Einspielfilmchen, kein Bühnenschnickschnack, von den Worten ablenken dürfe, war es Willms, der ganz auf Reich-Ranickis Qualitäten als Performer vertraute.” Ungewöhnlich, zumindest aus heutiger Sicht, war Willms beruflicher Weg ja insofern, als er vom ZDF zur “Süddeutschen Zeitung” wechselte – in Zeiten, als es Zeitungen viel besser ging als heute. Inzwischen ist es ja eher so, dass Leute, die bei den Öffentlich-Rechtlichen in leitenden Positionen sitzen, so stark vom Apparat geformt oder verformt sind, dass sie nur noch selten für journalistische Arbeit außerhalb dieses Systems in Frage kommen.
René Martens, Die Charlie-Brown-Rolle der Medien, in: Altpapier
Interessen
VON WOLFGANG HORN
Woran läßt sich erkennen, daß Franca Lehfeld, Chefreporterin im Politikressort beim Nachrichtensender Welt, demnächst, nach dem Hochzeitstrubel mit Finanzminister Christian Lindner, einen Politiker als Ehefrau Lindner oder als politische Chefreporterin befragen wird? Jenseits der naserümpfenden, aber nicht ganz von der Hand zu weisenden Kritik an der mangelnden Stilsicherheit dieser Eheschließungsinszenierung auf der Prominenteninsel in Zeiten massierter Krisen, die den Menschen im Land wie auch vielen Unternehmen zu schaffen machen, bleibt, finde ich, die Frage nach der Interessenkollision wichtig. Die Lindnersche Ehe ist ein Paradebeispiel für die Verquickung von Politik und politischem Journalismus. Der Ball geht an die Welt. Denn es hat eine unklare Interessenlage bereits gegeben, als Lehfeld noch als Verlobte von Lindner für RTL/ntv bereits über die FDP berichtet hatte. Der Springer-Verlag jedenfalls hat die “Bild”-Sportreporterin Lena Wurzenberger aus der Berichterstattung über Bayern München abgezogen. Sie ist mit Bayern-Trainer Julian Nagelsmann liiert. Und auch Oliver Jarasch ist nicht mehr Leiter der “Aktuellen Magazine” des RBB, seit seine Gattin Bettina für die Grünen für das Abgeordnetenhaus in Berlin kandidierte.
Manndeckung
„High Class Hool“
Made my day: Der freie Journalist Tobi Müller kommentiert bei Facebook:
“Wie pampig Kroos sofort reagiert, wenn er nach dem Spielverlauf gefragt wird, und was er im Off dann noch hinterher ruft wie ein High Class Hool, erzählt etwas über die Funktion von Medien, wie man sie sich in der Vermögensklasse von Toni Kroos vorstellt und ich glaube auch, dass das einer der wenigen Trickle Down Effekte ist, die wahr sind, weil sie auch den Medienhass von so vielen befriedigen: Medien haben ‘positive Fragen’ zu stellen, nicht ‘negative’. Nur schon eine Frage danach, wie sehr Real von Liverpool ‘in Bedrängnis’ geraten sei, ist für Kroos eine ‘Scheißfrage’ und typisch ‘Deutschland’.”