„SUVs sind die größte Schande, die die Industrie im neuen Jahrtausend produziert hat.“ Rumms. Dieser Satz stammt nicht etwa von einem Klimaaktivisten, sondern von Design-Professor Paolo Tumminello, der unter anderem schon für Alfa Romeo tätig war. SUVs, so Tumminello, seien nicht mehr als ein aufgebocktes Auto mit zahlreichen Nachteilen: höherer Rohstoffverbrauch in der Herstellung, höherer Spritverbrauch, höhere Betriebskosten – und ein höheres Unfallrisiko.
Kendra Stenzel, Newsletter Stadt mit K von heute
Alle Artikel vonWolfgang Horn
Beat-Box
Abgestiegen
Die Fans, nein: nicht DIE Fans, sondern die „Ultras der Horde 1996“, die vorgeben, Fans des 1. FC Köln zu sein, sind abgestiegen. Nicht in die zweite Liga. In irgend eine Tiefe weit unterhalb von Tiefkellerniveau. Mit einem widerlichen und sexistischen Plakat gegen die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, gezeigt am 11. Mai.
In Zeiten, in denen Politiker in dieser Republik auf allen Ebenen geschmäht und beleidigt werden, bespuckt und verfolgt, attackiert und geschlagen. Widerlich, diese vermeintlichen Fußballfans. Offenbar ohne jegliches Gespür für die eigene Losung und das Umfeld ihrer Wirkung. Mit solchen Fans, scheuklapprig und ahnungslos, anstandslos ohnehin, ist kein Staat zu machen und keine Liga zu halten.
Schlimmer aber ist, daß das Plakat wirklich gezeigt wurde, daß die Verantwortlichen des Vereins nicht eingeschritten sind, daß es keinen Ordnungsdienst gab, der wirklich Ordnung gemacht, das Plakat abgehängt hätte. Dieser Verein ist abgestiegen. Jetzt schon. Moralisch. Keine offizielle Stellungnahme des Vereins und seiner Führung. Das kann keine Entschuldigung, von wem auch immer, wieder gutmachen. Nein, das ist nicht mein Verein. Egal, in welcher Liga.
Nachtrag: Für meine Enttäuschung, mehr noch: Fassungslosigkeit, für mein harsches Urteil ist nicht entscheidend, wie lange das Plakat zu sehen und zu lesen war. Daß sich Menschen überhaupt daran machen, ein derartiges Plakat in stundenlanger Arbeit zu erstellen und ins Stadion zu schleppen und es ihnen in der ganzen Zeit nicht aufgeht, was sie da treiben, das läßt mich an der Spezies zweifeln.
Gruselig
“Dritte Denkungsarten etablieren”
(…) Es scheint nur noch die Alternative „Pro-Israel“ oder „Pro-Palästina“ zu geben, wobei diese Unterscheidung fast alles verdeckt, worum es in diesem Diskurs geht. Das ließe sich nur durch dritte Perspektiven entschlüsseln. Aber gerade an diesem angedeuteten Beispiel kann man sehen, wie schwer es ist, dritte Perspektiven überhaupt für möglich zu halten – ohne bestimmte Dinge zu relativieren. Eine komplexe, vielschichtige Gemengelage dampft sich ein in eine falsche Alternative und erzeugt Blindheit auf unterschiedlichen Seiten, Blindheit für den Ausgangspunkt des gegenwärtigen Geschehens am 7. Oktober und Blindheit für das antisemitisch-elminatorische Skandieren auf der einen Seite, Blindheit für die Nebenfolgen und die katastrophalen Konsequenzen durch die Reaktion auf der anderen.*
Die Folgen des 7. Oktober sind nur ein Beispiel für solche intellektuellen Verhältnisse Auch andere öffentliche Themen werden so ausgetragen – es sieht dann manchmal so aus, als könne man nur „für“ oder „gegen“ Klimaschutz sein, statt gerade hier die mehrwertigen Möglichkeiten zu bedenken, die sich geradezu empirisch aufzwingen. Dass das ökologisch Notwendige politische und ökonomische Folgen hat, ist für manche schon unvorstellbar. Auch hier braucht es mehrere dritte Blicke. In der Pandemie war es ähnlich. Dass jede Maßnahme zugleich richtig und falsch sein konnte, hat intellektuell überfordert. Und am Migrationsthema lässt es sich ebenso nachverfolgen wie an der Fundamentalkritik am politischen Gegner, die derzeit erhebliche Blüten treibt.
Will man intellektuell irgendetwas bewegen, muss man aus dieser Binarität ausbrechen und dritte Denkungsarten etablieren. Denn wenn es einen Beitrag von Intellektuellen, von Wissenschaftlern, von Reflexionsarbeit gibt, dann ist es sicher nicht, für operative Lösungen zu sorgen, sondern den Diskurs mit Abweichungen zu versorgen, mit mehrwertigen Beobachtungsformen, mit anderen Unterscheidungen, mit Transzendierungen binärer Denkgefängnisse. Dass es gerade nicht wenige, wenn man so will, Geistesarbeiter sind, die das kaum beherzigen, ist enttäuschend.
Wenn man all diese Themen unter der Programmformel der „Demokratie“ verhandeln will, sollte daran erinnert werden, dass diese Formel nicht einfach die Durchsetzbarkeit von Mehrheiten gemeint hat, denn dann wäre sogar ein Lynchmob demokratisch. Demokratische Formen müssen sich vor allem darum bemühen, die Minderheit loyal zu halten. Deshalb holen die politischen Systeme die Opposition mit in die staatlichen Institutionen, und Parlamente haben die Gegenrede geradezu institutionalisiert. Deliberation ist nur möglich, wenn Pluralismus der Rede ausgehalten werden kann. Politische Überzeugungen kann man nur haben, wenn es auch konkurrierende Überzeugungen gibt. Regierungen brauchen nur Gründe für ihr Tun, wenn andere Möglichkeiten sichtbar werden.
Und all das ist nur möglich, wenn es Nischen dafür gibt, aus der Zweiwertigkeit des immer schon Richtigen und der Selbstverabsolutierung herauszukommen. Demokratische Verfahren – Stichwort Loyalität der Minderheit – erzwingen fast dritte Blicke, etwa in Form des Kompromisses oder der zeitlichen Dehnung von Kooperation. Das Dritte meint dabei nicht Konsens (zumal es im Politischen immer um Machtchancen und Gefolgschaft geht) – wer Konsens erwartet, wird fast immer enttäuscht werden. Es geht darum, Differenz auszuhalten, Ambiguität zu verarbeiten, role taking zu ermöglichen. Die Binarität des Guten und des Bösen, des eigenen und des anderen führt am Ende dazu, dass es in jeder Frage ums Ganze geht – und das kann nicht gut ausgehen.
Das Schlimmste an den vorstehenden Überlegungen ist ihre Naivität – Naivität im Hinblick darauf, warum Akteure auf ihre sicheren Positionen, ihre Lieblingsfeinde, Projektionen und Pappkameraden, auf ihre Machtchancen verzichten sollen, wenn sie doch gut damit fahren (und es zum Teil curricular gelernt haben). Gerade in Zeiten größter und harter Auseinandersetzungen und Positionen klingt all das noch naiver. Vielleicht ist es gerade deshalb angezeigt, in aller Naivität aus einer Position der Distanzierung statt unbedingten Engagements engagiert auf die Folgen des Verzichts auf das Dritte hinzuweisen. Vielleicht zeichnet sich zivilisiertes Verhalten dadurch aus, dass man erstens nicht gleich alles sagt, was einem in den Sinn kommt (weswegen Twitter/X und Co. so eskalierende Medien sind), und zweitens wenigstens zu verstehen versucht, wie manche Zweiseitigkeit zustandekommt. Übrigens eröffnet das auch eher Machtchancen, weil dann das eigene Argument sich zugleich ein ökologisches Milieu schaffen kann, in dem es eine Wirkung haben könnte.
Armin Nassehi, Kursbuch Newsletter: Montagsblock, /273- Kursbuch – 13.05.2024
Europawahl in der Küche
Reinhold Billstein
Mein Freund Reinhold Billstein ist tot. Gestorben am vorvergangenen Montag in Hamburg, dort, wo er in den vergangenen Jahrzehnten lebte, in Rotherbaum. Schwer erkrankt, dement, so ganz anders als das Bild, das wir alle von ihm in uns tragen, die in der Schüler- und Jugendzeit in seinem Umfeld waren oder mit ihm in Sachen Weltrevolution zu schaffen hatten.
Die Freundschaft mit Reinhold war ein Privileg. Er war der unbestrittene Anführer einer größeren Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums in Porz, die sich Aktion kritischer Schüler nannte. Später waren viele derer in der Kommunistischen Partei zu Hause, dem marxistischen Studentenbund oder in diesem Umfeld politisch und gesellschaftlich aktiv.
Wir haben gemeinsam Schülerzeitungen geschrieben, die Bewegung gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze an unserer Schule und in unserer Heimatstadt organisiert, ein Kinder- und Jugendparlament mit einer einzigartigen Struktur auf die Beine gestellt. Ein Jugendparlament, das auch arbeitenden Jugendlichen und Auszubildenden die Teilnahme sicherte, nicht nur Schülern.
Wir waren der Schrecken der Lehrerinnen und Lehrer, die auf aufsässige junge Menschen nicht vorbereitet waren. Die Fragen danach, wie der Faschismus in Deutschland möglich geworden war, danach, wie die Katholische Kirche derartige Macht und den unvorstellbaren Reichtum ansammeln konnte, danach, warum es Armut und soziales Elend in unserem Land gab und gibt und danach, warum nicht allen gleichermaßen Bildung und Vorsorge zuteil wird, waren für die Pädagogen wie auch das Bürgertum und die politische Elite in der Stadt zu viel, zu kompliziert, zu unangemessen, weil von uns gestellt.
Die Einmischung sehr junger Menschen in die Verhältnisse, ihre laut und öffentlich in mehreren sehr gut besuchten Demonstrationen vorgebrachten politischen Vorstellungen haben das bürgerliche Gefüge der Stadt vorübergehend ordentlich strapaziert. Und als der Leiter der Schule, der den Schülern „seines“ Gymnasiums öffentlich und vernehmlich untersagt hatte, die Verhandlungen eines der ersten großen gerichtlichen Schülerzeitungsverfahren in Köln gegen uns vier verantwortliche Redakteure und unser Blatt, den „Splitter/Informant“ zu besuchen, im Gerichtssaal auf die vollständig versammelte Oberstufe traf, war es auch mit seiner Contenance vorbei. All das und vieles mehr war die Handschrift vor allem von Reinhold Billstein. Obwohl er doch zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr auf der Schule war. Er hatte Nachfolger, jüngere Schüler machten sich auf in seinen Spuren. Ebenso entschlossen, ebenso zielstrebig, ebenso ausdauernd. Das Ganze war mehr als das Strohfeuer, von einem einzelnen entfacht.
Und verrückt war es auch. Die Parole “Freundschaft mit der Sowjet-Union” in weißer Farbe nächtens an eine lange Fabrikmauer der Firma Ruppert in Port-Wahn zu malen, damit Herr Breschnew am nächsten Tag bei seiner Fahrt vom Flughafen in die Hauptstadt Bonn auch Erbauliches zu lesen bekommt, war natürlich verrückt. Aber Spaß hat es gemacht. Und die Postkarte mit dieser Begrüßung als Foto hat sich lange Zeit später noch gut verkaufen lassen. Die gleiche Fabrikmauer mußte auch noch für eine Losung zur Freilassung von Angela Davies herhalten. Tempi passati.
Nach der Schulzeit waren wir noch zusammen, nunmehr Studenten, und das Blickfeld hatte sich erweitert. Die Frage trat hinzu, was man denn arbeiten wolle, welche Stelle man anstrebe. Reinhold entschied sich für den Akademischen Austauschdienst und ging nach Hamburg. Der fröhlich-katholische Rheinländer im zurückhaltend-protestantischen Norden. Eine Erfolgsentscheidung. Mit bürgerlichem Beruf, mit Beziehung, Ehe und, in meinem Fall, Kind, ließ dann vergleichsweise schnell die Intensität der Jugendfreundschaft nach, wurde nur telefonisch aufrecht erhalten und schließlich kommunizierten sein Cousin, Heinrich Billstein, mein Arbeits- und Journalistenkollege, und ich mehr auch über Reinhold. Von Heinrich habe ich auch vom Tod von Reinhold Billstein erfahren.
Trotz allem, trotz der Entfernung, trotz der wenigen Gespräche in den langen letzten Jahren, trotz der Zeit und doch unterschiedlicher Leben: Reinhold blieb mir nahe, ist mir nahe. Sein Tod macht mich traurig. Sehr.
„Spezifisch deutsche Malerei“
Der zweihundertfünfzigste Geburtstag von Caspar David Friedrich ist allenthalben Anlaß für Feiern und Würdigungen. Aber man müsse, wie Wolfgang Hübner in der Kolumne UNTEN LINKS des Newsletters ndKompakt schreibt, Friedrich auch „in Schutz nehmen“. „Vor der AfD, die in dem Romantiker das deutsche Wesen entdeckt.“ Die AfD-Fraktion hatte beantragt, „einen Caspar-David-Friedrich-Preis für junge Künstler auszuloben“. Doch, wirklich. Geehrt werden sollten junge Künstler, die einen »Beitrag zu einer spezifisch deutschen Malerei« leisten. Hä? Der Preis soll einen Künstler mit „deutschem Stil“ zieren. Im Gegensatz etwa zum auch in Sachsen-Anhalt verwurzelten Bauhaus, das „von einer abgrundtiefen Hässlichkeit“ sei. Daß Nazis das Bauhaus niedermachen, hat ja keinerlei Neuigkeitswert. Daß die Kunstpartei AfD sich einreiht, ebenfalls nicht. Wolfgang Hübner ist zuzustimmen: „Sollen sie einen Arno-Breker-Preis erfinden und sich selbst umhängen. Caspar David Friedrich ist an all dem unschuldig.“
Beitragsbild © Caspar David Friedrich – Gemeinfrei
Kopf an Kopf
Spannend. Die beiden Spitzenkandidaten der Rechtsextremen zur Europawahl liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen im Wettbewerb, wer tiefer in den landesverräterischen Käuflichkeitsskandal verstrickt ist. Lange lag die Nummer Zwei auf der Wahlliste, Bystron, vorne, hatte doch noch vor wenigen Tagen der tschechische Geheimdienst neues belastendes Material für Kohle aus Rußland als Audiodatei vorgelegt. Und heute der grandiose Befreiungsschlag des Spitzenkandidaten Krah. Sein Mitarbeiter ist wegen des Verdachts der Spionage für China verhaftet worden. Was für ein Haufen. Armleuchter ficken Deutschland.