Ich lese, etwa auf den Fotos von den diesjährigen Ostermärschen, die Karl-Reiner Engels beispielsweise bei Facebook einstellt, die mir natürlich sehr sympathische Forderung nach „sofortigem Waffenstillstand“, nach Verhandlungen („verhandeln statt aufrüsten“). Nur: Wer ist gemeint? Wer soll verhandeln? Mit wem? Mit Dmitry Medwedew, der öffentlich schreibt, Europa brauche keine Ukraine? Der Mann immerhin Ex-Präsident Rußlands und ehemaliger Vizepräsident, jetzt im Sicherheitsrat, bezeichnet Ukrainer als „Bastarde und Degenerierte“, die Treffen der Staats- und Regierungschef der EU als „Zirkus der Arschlöcher“. Kann man mit Medvedev verhandeln? Und wer soll das tun? Selenski? Macron? Scholz? Mit oder ohne Putin? Oder kann man mit Putin verhandeln, der bekundet dass Russland das Recht habe, „die selber begangene irrtümliche Bildung eines ukrainischen Staats rückgängig zu machen“? Kann man verhandeln mit Menschen, deren Position ist, daß eine Seite des Verhandlungstisches komplett ausgelöscht werden solle? Kann man verhandeln, noch während Rußland Teile der Ukraine okkupiert hat? Sind Verhandlungen ohne die Teilnahme der Ukraine möglich, Verhandlungen über den Kopf der Ukrainer hinweg? Keine Waffenlieferungen in die Ukraine. Das lese ich ebenfalls oft. Und ist mir eigentlich auch sympathisch. Was aber wäre die Folge? Gäbe es die Ukraine heute noch ohne diese Waffen? Heißt nicht Stop der Waffenlieferungen auch gänzliche Auslieferung der Ukraine an Rußland? Ohne Waffen ist der Untergang der Ukraine sicher. Ohne Waffen aus Europa und den USA ist die Okkupation der Ukraine durch Rußland erfolgreich. Im übrigen: Ohne Waffen wären die Vietcong nicht erfolgreich gegen Frankreich und die USA gewesen. Wir waren seinerzeit für russische Waffen in Vietnam. Weil wir für ein Ende der Okkupation Vietnams durch die USA waren. Ich weiß, das kann man nicht komplett miteinander vergleichen. Einen Anhalt zur Nachdenklichkeit liefert das Beispiel schon. Wer Frieden will in Europa und anderswo, muß sich konsequent gegen jeden Angriffskrieg stellen und die Angegriffenen massiv unterstützen. Alles andere wäre gleichsam eine Einladung zur Aggression. Rußland zurückzudrängen aus der Ukraine ist die Voraussetzung für einen Waffenstillstand und Verhandlungen. Rußland zurückzudrängen aus der Ukraine ist Voraussetzung für eine neue Friedensordnung in Europa. Rußland zurückzudrängen aus der Ukraine ist eine Voraussetzung für die Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine. Ich bin für Waffenstillstand und Verhandlungen.
Alle Artikel vonWolfgang Horn
Die Jungs
Fußball, die Bundesligen, die europäischen Wettbewerbe, Championsleague, Europaleague, Conference League haben das Fußball-TV-Angebot enorm verbreitert, nachgerade täglich findet in den TV-Anstalten Profifußball statt. Mit den immergleichen Zutaten, der ausgedehnten Vorberichterstattung, der von Kommentator und Experten vollgequatschten Spielübertragung, einer ausgedehnten Nachberichterstattung sowie den offenbar unausrottbaren und nur allzu selten erhellenden Spieler- und Trainerstatements nach dem Spiel. Die Mannschaft, die Kicker, in aller Regel volljährig und gestandene Männer, zumeist millionenschwer und vielfach abgehoben in eigenen Welten lebend, werden dabei in den Trainersuaden mehr und mehr als „die Jungs“ bezeichnet, ganz so, als hätte man es mit einer C-Jugendmannschaft von Vierzehnjährigen zu tun. Die Jungs. Die Jungs haben gekämpft, die Jungs hatten eine gute Einstellung, die Jungs, die Jungs. Auch diese euphemistische Formulierung vermag die Zuschauer nicht davon zu überzeugen, daß es die Jungs von nebenan sind, die den Profifußball tragen. Wer zu Spielen den Coiffeur aus London einfliegen läßt, wer mit dem Lamborghini zum Spiel fährt, wer ein Vielfaches dessen kassiert, was das Salär des Trainers ausmacht, sind nicht „die Jungs“, nicht Jungs mit dem Potential der Fanbindung. Eher Höchstbezahlte, oft Wanderarbeiter, die dem Geld folgen, deren Identifikation mit dem anstellenden Verein mitunter die Vertragslaufzeit deutlich unterschreitet. Die Jungs, eine verklärend-verharmlosende Sprache.
Shiloh Lindsay – Sixten Shells from a Thirty-Ought Six
Anbiederung durch Verflachung
“Die Erfüllung des Programmauftrages (der Rundfunkanstalten, W.Horn) kann auch nicht darin bestehen, dass man lediglich erfasst, was denn die Nutzer hören und sehen wollen. Nein, man muss sich in den Sendern auch fragen: ‘Was müssen sie denn erfahren, was müssen sie wissen, welche unterschiedlichen Meinungen müssen sie kennenlernen?’ Anbiederung durch Verflachung ist eine Beleidigung mündiger Bürger.”
Gerhart Baum, in Altpapier
Voice of Baceprot – Enter Sandman
Stillstand
Nummer Eins
Ökodiktatur und Sozialismus
Die Dänen haben eine Luxusteuer für Autos, ein Tempolimit von 130km/h, ein Verbot von Öl- und Gasheizungen in Neubauten, hohe Steuern und sichere Radwege und gehören zu den glücklichsten Menschen der Welt, während hierzulande all dies als Ökodiktatur und Sozialismus gelten würde.
Fundstück aus Twitter
Sport-Soap
Im Grunde kann es mir ja gleich sein, mit welchem Trainer der FC Bayern München wieder mal Deutscher Fußballmeister werden wird. Ob dem Trainerteam Julian Nagelsmann vorsteht oder Thomas Tuchel, die Münchener Kicker können aus eigener Kraft noch Deutscher Meister werden, Deutscher Pokalsieger und nach den grandiosen Spielen in der Championsleague sogar Europas Fußballkrone erringen. Mir erschließt sich nicht, warum die Vereinsmeier in München in dieser Lage den Trainer in die Wüste schicken, um den zu verpflichten vor nur wenigen Jahren die Münchener die weltweit höchste Ablösesumme für einen Fußballlehrer gezahlt haben. Man spricht von zwanzig bis fünfundzwanzig Millionen Euro. Und jetzt dürfte eine ähnlich hohe Entschädigung fällig werden, haben die Verantwortlichen den jungen Trainer doch mit einem höchstdosierten Vertrag bis Zweitausendsechsundzwanzig ausgestattet. Geld spielt wohl keine Rolle. In München so wenig wie bei den Scheichs, die sich mehr und mehr in europäischen Fußballvereinen breit machen. Ehrlich gesagt: Für mich ändert sich, leider, nichts mehr. Mit dem großen Geld ist endgültig ein Geist in den Profifußball eingezogen, der Identifikation mit einem Verein oder dem ganzen Verband zusehends schwerer macht. Profifußball rührt mich nicht mehr. Ich nehme zur Kenntnis, wer gewinnt und wer verliert. Aber ich fiebere nicht mehr wirklich mit. Mit dem ganz großen Geld hat der Profifußball seine Anziehungskraft verloren. Ein Spektakel, das keine innere Begeisterung zu entfachen in der Lage ist. Eine Sport-Soap. Mehr nicht mehr.