Nun rächt sich, dass wir so viel mit Bildschirmen machen, denn dort gibt es nur vorne und links oder rechts. In der digitalen Welt kommt nichts aus der Tiefe des Raums, zu der unser Rücken zeigt. Darum ist das Gespür für Rücksicht oft unterentwickelt. Unsere Kultur hat mit der Trennung zwischen privat und öffentlich argen Schindluder getrieben. In der Bahn wird verdrängt, dass es sich um einen öffentlichen Raum handelt. Überall ist nun Homeoffice oder eben die heimische Couch. Man schaut gemütlich die Lieblingsserien, chattet oder telefoniert mit den Lieben daheim. Der Großraumwagen ist aber bloß simulierte Privatsphäre. Die alten Regeln, wie man sich in der Öffentlichkeit so benimmt, sind verwittert. Damals verbrachte man Stunden zusammen in der Bahn, ohne Filme, Musik oder Telefon. Man musste sich unterhalten.
Nils Minkmar, Newsletter Der Siebte Tag, Die Tiefe des Raumes