Unter dem Titel Das Letzte bezeichnet Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung die „mickrigen Beträge für Kindergrundsicherung“ als Schande.
Verglichen mit dem Elend in Burundi, in Malawi oder in Sierra Leone seien die deutschen Armen komfortabel ausgestattet, woraus sich auch das „besonders Bittere für die Bedürftigen“ in Deutschland ergebe, daß sie nämlich die Anerkennung ihrer Bedürftigkeit verloren hätten.
Der Betrag der Ampelkoalition für Kindergrundsicherung verhöhne den Namen „Grundsicherung“, denn es werde gesichert, dass alles bleibt, wie es ist und arme Kinder den Rand der Gesellschaft bilden.
Jedes vierte bis fünfte Kind in Deutschland lebe in Armut, ausgeschlossen aus einer Welt, die sich nur den einigermaßen Situierten entfalte. Die Geldbeträge für die Kindergrundsicherung reichten nicht für gesunde Ernährung, nicht für Bildung, nicht für schulische Bildung, nicht für kulturelle Bildung, nicht für politische Bildung. „Sie reichen nicht dafür, soziale Ungleichheiten auch nur ansatzweise auszugleichen.“
Die FDP propagiere gar, eine weitere „Umverteilung“ dürfe es nicht geben, die Kindergrundsicherung sei die letzte sozialpolitische Reform für die nächsten Jahre. „Das ist das Letzte. Es ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich“, so Heribert Prantl. Verachtung des Sozialstaats führe zu Demokratieverachtung. „Wer die Sozialpolitik einfriert, der friert die Demokratie ein. Solchen Frost kann sich Deutschland nicht leisten. Mindestens ebenso nötig wie Wirtschaftswachstum ist Demokratiewachstum. Sozialpolitik ist die Basispolitik der Demokratie. Eine moderne Sozialpolitik sorgt dafür, dass der Mensch Bürger sein kann.“
Der moderne Sozialstaat investiert nach Prantl in Sozialpolitik: „Er investiert in die Bildung der Kinder neuer Unterschichten; er verwandelt die Schwächen der Generation Migration in Stärken; er fördert die sprachlichen Kompetenzen und den interkulturellen Reichtum dieser Generation. Solche Sozialpolitik wächst über ihre industriegesellschaftliche Herkunft hinaus. Sie sorgt für annähernd vergleichbare Lebenschancen.“
Dagegen triumphiere FDP-Finanzminister Christian Lindner, weil er mit seinem „Wachstumschancengesetz“ Steuererleichterungen für die Wirtschaft durchgesetzt und dafür die Kindergrundsicherung gestutzt habe. Er verkenne, dass die Kindergrundsicherung zu den Wirtschaftswachstumschancen gehört. Ein gutes Kindergrundsicherungsgesetz sei zugleich Wachstumschancengesetz und Demokratiestärkungsgesetz und müsse ein „Schicksalskorrekturgesetz“ sein, da es nichts Ungerechteres als das Schicksal gäbe.
Erst wenn die Gesellschaft diese Aufgabe ernst nimmt, werde sie, so Prantl, wirklich zur Gesellschaft. Es gebe ein Recht auf Hilfe, dem Schicksal der Armut, der Gewalt und der Diskriminierung zu entkommen. „Das ist Menschenrecht.“ Es müsse endlich im Grundgesetz festgeschrieben werden, das Kindeswohl bei allen staatlichen Maßnahmen vorrangig zu beachten, und dass Kinder das Recht auf Entwicklung und Förderung haben. „Dann könnte mit der Kindergrundsicherung nicht so gedankenlos umgegangen werden wie soeben. Kinder sind wichtiger als die schwarze Null.“ Danke Heribert Prantl.